Erfolgreiche Kooperation in der Infektionsbiologie: "Tarnkappe" der Borrelien teilweise gelüftet

Wissenschaftler des Hans-Knöll-Institutes (HKI) sind im Verständnis eines bakteriellen Tarnmechanismus einen entscheidenden Schritt weitergekommen: In enger Zusammenarbeit mit deutschen und britischen Wissenschaftlern gelang es ihnen, die atomare Struktur eines Eiweißes aufzuklären, mit dessen Hilfe sich der Krankheitserreger Borrelia burgdorferi vor der menschlichen Immunantwort “versteckt”. Die Ergebnisse erschienen jetzt in der hochrangigen Fachzeitschrift “Nature Structural and Molecular Biology”.


Borrelia burgdorferi wird durch den Biss von Zecken auf den Menschen übertragen und verursacht die Lyme-Borreliose. Die Erkrankung ist mit rund 75.000 Fällen pro Jahr sowohl in Nordamerika als auch Europa und Asien außerordentlich weit verbreitet. Nach der Infektion kommt es zunächst zu Hautreaktionen, die oft von selbst wieder verschwinden. Daneben können allerdings auch eine Reihe schwererer Symptome auftreten, die neben der Haut das Nervensystem, das Herz und die Gelenke betreffen.

Wie andere Krankheitserreger auch, lösen Borrelien eine Reaktion des menschlichen Immunsystems aus. Bestimmte Stämme sind jedoch in der Lage, die Abwehr auszutricksen, indem sie sich als menschliche Zellen tarnen. Prof. Dr. Peter Zipfel, Leiter der Abteilung Infektionsbiologie am HKI, beschäftigt sich schon seit Jahren mit diesem Phänomen. In Kooperation mit Forschern in Frankfurt und Heidelberg hatte er 2002 aufklären können, dass die Mikroben an ihrer Oberfläche Faktor H binden, ein menschliches Eiweiß, das normalerweise körpereigene Zellen vor einem Angriff durch das Immunsystem schützt. Die Abwehr des Betroffenen ist so nicht mehr in der Lage, die Bakterien als “feindlich” zu erkennen und lässt sie unbehelligt (siehe auch HKI-Pressemitteilung vom 29.07.2002).

“Fernziel der Untersuchungen war es, aus dem Verständnis dieses Mechanismus neue Strategien der Behandlung abzuleiten”, erläutert Prof. Zipfel. Diesem Ziel sei man nun durch die Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern in Oxford näher gekommen, fährt der Biologe fort: “Die Borrelien binden Faktor H mit Hilfe eines bestimmten Eiweißes auf ihrer Oberfläche, dessen atomare Struktur wir jetzt veröffentlicht haben. Die Kristalle dieses Eiweißes enthalten zwei identische Kopien des Moleküls.” Nachdem man nun diese chemische Struktur genau kenne, sei es möglich, in den Naturstoff Bibliotheken des HKIs gezielt nach geeigneten Arzneimitteln zu suchen. “Wenn man weiß, an welcher Stelle ein Wirkstoff sinnvollerweise ansetzen sollte, kann man mit Hilfe des so genannten Drug Designs effektive Substanzen herstellen, die dem Krankheitserreger die Möglichkeit nehmen, sich zu tarnen”, so Zipfel.

Das Projekt ist ein weiteres Beispiel für die erfolgreiche Arbeit des HKI auf dem Gebiet der Infektionsbiologie und für die fruchtbare Zusammenarbeit mit renommierten Forschergruppen im In- und Ausland.

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Peter Zipfel
Abteilung Infektionsbiologie
Tel.: 03641/ 65 69 00
Fax: 03641/ 65 69 02
E-Mail: peter.zipfel@hki-jena.de

Originalpublikation: Frank S. Cordes, Pietro Rovesi, Peter Kraiczy, Markus M. Simon, Volker Brade, Oliver Jahraus, Russel Wallis, Christine Skerka, Peter F. Zipfel, Reinhard Wallich and Susan M Lea: A novel fold dor the factor H-binding protein BbCRASP-1 of Borrelia burgdorferi, Nature Structural & Molecular Biology, Vol 12, No. 3, p. 276-7; March 2005

Media Contact

Susanne Liedtke idw

Weitere Informationen:

http://www.hki-jena.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Robotisch assistiertes Laserverfahren soll OP-Risiken minimieren

Eine Spinalkanalstenose – eine knöcherne Verengung des Wirbelkanals – kann für Betroffene zur Qual werden. Drückt sie auf das Rückenmark, drohen ihnen chronische Schmerzen und Lähmungserscheinungen. Häufig hilft dann nur…

Verbesserte Materialien für die Verbindungen von Mikrochips

Leistungsfähiger, stromsparender, komplexer – Hersteller von modernen Microchips sehen sich stetig neuen Herausforderungen gegenüber, auch in Bezug auf die dort notwendigen elektrischen Verbindungen. Das Fraunhofer IPMS und BASF widmen sich…

Inspiriert von der Natur: Biophysiker aus dem Projekt InCamS@BI entwickelt neuartige Mikroplastikfilter im Labor

Heutzutage ist es überall zu finden: Mikroplastik. Es wird insbesondere durch die Luft und durchs Wasser in die entlegensten Winkel der Erde transportiert. Eine der großen Fragen lautet: Wie können…