Neues Prionen-Testverfahren entwickelt
Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried haben ein neues Verfahren entwickelt, das zum schnelleren Nachweis von BSE (bovine spongiforme Encephalopathie) bei Rindern geeignet ist.
Sowohl die BSE-Erkrankung bei Rindern als auch die verwandte Creutzfeldt-Jacob-Krankheit beim Menschen werden durch Prionen übertragen. Infektiöse Prionen bestehen aus einem fehlgefalteten Protein, dem Scrapie-Prionprotein (PrP-Sc). PrPSc entsteht aus dem zellulären, nicht krank machenden Prionprotein (PrPC) durch eine Änderung der Proteinkonformation; es wird dadurch unlöslich und aggregiert. Die bisher üblichen Testverfahren basieren darauf, dass PrPSc im Gegensatz zu PrPC gegen das proteinabbauende Enzym Proteinase K resistent ist. Auf diesem Unterschied beruht der heute routinemäßig bei Rindern durchgeführte BSE-Test.
Die Forschergruppe unter Leitung von Dr. Jörg Tatzelt am Max-Planck-Institut für Biochemie hat nun eine Methode entwickelt, die zusätzlich zur Proteinase K-Resistenz auch die Verklumpungsneigung von PrPSc nutzt. In der neuesten Ausgabe der Zeitschrift der Europäischen Biochemischen Gesellschaft, FEBS Letters, vom 10. August 2001, präsentieren Konstanze Winklhofer, Ulrich Hartl und Jörg Tatzelt ihre neue Technik (FEBS Letters vol. 503/1, S. 41-45). Sie isolierten durch Filtration aus Gehirngewebe von BSE-Rindern unlösliches PrPSc, das dann direkt auf der Filtermembran nachgewiesen werden kann. Durch die Nutzung der beiden typischen biochemischen Eigenschaften von PrPSc ist das Verfahren sensitiv und weniger anfällig für Messfehler; außerdem erlaubt dieser Test, eine große Anzahl von Proben schnell zu analysieren. Dies könnte die notwendigen BSE-Tests an zig-tausenden von Rindern wesentlich erleichtern. Ein weiterer Vorteil der neuen Methode der Martinsrieder Wissenschaftler ist die Möglichkeit, größere Volumina von Körperflüssigkeiten, wie zum Beispiel Urin und Rückenmarksflüssigkeit, zu untersuchen und somit lebende Rinder auf BSE zu testen. Erst vor kurzem gelang es Wissenschaftlern der Universität Jerusalem, PrPSc im Urin von BSE-kranken Tieren und an Creutzfeldt-Jacob erkrankten Menschen nachzuweisen (Journal of Biological Chemistry 2001, in press).
Der Wissenschaftler Dr. Jörg Tatzelt ist schon lange im „Prionen-Geschäft“. Bereits Anfang der 90iger-Jahre arbeitete er im Labor des führenden Prionen-Forschers Prof. Dr. Stanley B. Prusiner in San Francisco. Seit 1997 wieder in Deutschland, bekam Tatzelt durch Prof. F. Ulrich Hartl in der Abteilung Zelluläre Biochemie des Max-Planck-Instituts für Biochemie die Möglichkeit, eine eigene Arbeitsgruppe zu gründen, der auch die Nachwuchswissenschaftlerin Konstanze F. Winklhofer angehört. Die Arbeitsgruppe hat sich auf die Untersuchung der Ursachen von Prionen-Erkrankungen und der Parkinson-Erkrankung spezialisiert.
Aber die Martinsrieder Prionen-Forscher sind nicht nur an der Entwicklung von Nachweisverfahren für Prionen interessiert, sondern auch an Stoffen, die die Bildung von Prionen hemmen oder deren Abbau induzieren können. Mit Hilfe von prioninfizierten Zellkultursystemen konnten bereits mehrere solcher Anti-Prion-Substanzen identifiziert werden. Mit diesen positiven Resultaten ist Tatzelt mit seinen Kolleginnen und Kollegen wesentlich an der Entwicklung möglicher Therapieverfahren gegen die tödlichen Gehirnerkrankungen beteiligt. Ihr neuer Prionen-Test macht es außerdem möglich, schnell und effektiv eine Vielzahl möglicher Therapeutika zuerst an prioninfizierten Zellkulturen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen, bevor sie an erkrankten Tieren getestet werden.
Gefördert vom Bundesforschungsministerium, gehören die Arbeitsgruppen von Dr. Tatzelt und Prof. Hartl dem nationalen Netzwerk der Erforschung „transmissibler spongiformer Enzephalopathien“ (TSE) an. Unter TSE sind alle Gehirnerkrankungen bei Tier und Mensch zu verstehen, die durch Prionen hervorgerufen werden. Auch die bayerische Staatsregierung unterstützt die Martinsrieder Prionen-Forscher durch den bayerischen BSE-Forschungsverbund. Bereits seit längerem finanzieren die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die EU die Prionen-Forschung am Martinsrieder Max-Planck-Institut. Die Arbeitsgruppen Hartl/Tatzelt. sind außerdem in dem kürzlich an der Universität München eingerichteten Sonderforschungsbereich „Molekulare Mechanismen der Neurodegeneration“ vertreten.
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