Forscher verallgemeinern das erste Diffusionsgesetz
Aktuelle Publikation im „Journal of Chemical Physics“
1855 stellte der Physiologe Adolf Eugen Fick, der in Zürich und Würzburg forschte, seine Diffusionsgesetze auf. 150 Jahre später sind es nun erneut Wissenschaftler von der Uni Würzburg, die eines dieser Gesetze verallgemeinert haben. Dadurch öffnen sich in der Forschung neue Möglichkeiten.
Der Mensch ist daran gewohnt, dass Transportvorgänge – etwa mit der Bahn oder dem Flugzeug – zielgerichtet und planmäßig ablaufen. Anders verhält es sich in der mikroskopischen Welt der Atome und Moleküle. Diese winzigen Teilchen bewegen sich aufgrund der Umgebungswärme zufällig, was Fachleute als Brownsche Molekularbewegung bezeichnen.
Trotzdem gerät im Mikrokosmos nicht alles durcheinander: Unterschiede in der Konzentration der Teilchen sorgen dafür, dass deren Transport vorzugsweise in eine Richtung läuft. Auf dieser so genannten Diffusion beruhen fast alle Stofftransporte in Lebewesen, so etwa der Gasaustausch in der Lunge oder die Aufnahme von Nährstoffen in die Zelle.
1855 beschrieb Fick mit seinen Gleichungen, wie sich die Konzentration eines Stoffes durch Diffusion lokal verändert. Erst 50 Jahre später, anno 1905, führten Albert Einstein und Marian Smoluchowski diesen Transport auf die Brownsche Molekularbewegung zurück. Gleichzeitig erweiterten sie die Fickschen Gleichungen, um den Einfluss von Kraftfeldern auf die diffundierenden Stoffe zu berücksichtigen.
Weitere 100 Jahre später gelang es jetzt den Forschern Wolfgang R. Bauer von der Medizinischen Klinik I der Uni Würzburg und Walter Nadler von der Uni Wuppertal, das erste Ficksche Diffusionsgesetz zu verallgemeinern. Damit lässt sich nun der Strom der Teilchen zwischen zwei Gebieten unterschiedlicher Konzentration für beliebige Systeme berechnen. Während Fick, Einstein und Smoluchowski die Diffusion nur lokal, also an einem Ort im Raum beschrieben, ergibt sich aus der Arbeit von Bauer und Nadler der gesamte Strom in Abhängigkeit aller Wechselwirkungen, denen die Teilchen auf ihrem Weg ausgesetzt sind. „Dabei zeigt sich, dass nur zwei Kenngrößen wesentlich sind“, erklärt Bauer, nämlich die mittlere Zeit zum Durchqueren des Transportraums und eine spezifische Besetzungszahl. Diese misst gewissermaßen, wie viele Teilchen im Transportraum Platz finden.
„Damit ist man nun in der Lage zu erkennen, welche Wechselwirkungen diffusive Transportprozesse verstärken oder abschwächen“, sagt der Würzburger Forscher. Werden die Teilchen auf ihrem Weg zum Beispiel von Bindungsstellen eingefangen, so könne das ihren Transport verstärken – obwohl man eigentlich das Gegenteil annehmen würde.
Mit dieser neuen Erkenntnis ist die Wissenschaft laut Bauer nun dazu in der Lage, in biologischen Systemen den Diffusionstransport in Membrankanälen oder von Molekülen im Energiestoffwechsel zu verstehen. Andererseits lasse sich dieses Wissen in der Nanotechnologie nutzen, um zum Beispiel molekulare Motoren zu konstruieren oder zu verbessern.
Wolfgang R. Bauer, Walter Nadler: „Stationary flow, first passage times, and macroscopic Ficks first diffusion law: Application to flow enhancement by particle trapping“, The Journal of Chemical Physics 122, 244904 (2005), online publiziert am 29. Juni 2005, DOI: 10.1063/1.1940056
Weitere Informationen: Prof. Dr. Wolfgang R. Bauer, T (0931) 201-36198, Fax (0931) 201-36291, E-Mail: Bauer_W@klinik.uni-wuerzburg.de
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