Europäische mikrotechnologisch basierte Zellbank mit Zentrum für Kryobiotechnologie
Gründung der ersten europäischen mikrotechnologisch basierten Zellbank mit Forschungs- und Entwicklungszentrum für Kryobiotechnologie am Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik (IBMT)
»Der Einsatz moderner Gen- und Zellbiotechnologien zur Verbesserung und Verbreiterung der Gesundheits- und Ernährungsgrundlagen der Menschheit macht die Etablierung einer auf enorme Probenmengen ausgelegten Infrastruktur als Depot, Referenzsystem und zur Sicherstellung einer wirtschaftlich abgestützten Zukunftsfürsorge im Sinne einer Verhütungsforschung und zur Entwicklung von Vermeidungsstrategien möglicher erst später erkennbarer Risiken zu einem dringenden wissenschaftlichen wie gesellschaftlichen Anliegen.« Diese Forderung ist eine der drei zentralen Aufgaben, die als Ergebnis der Podiumsdiskussion »Life Sciences: Mythos, Mission, Mode?« am 16. Mai 2001 anlässlich der Stabübergabe in der Leitung des Fraunhofer-Instituts für Biomedizinische Technik von Experten der Bio- und Ethikwissenschaften sowie Verantwortungsträgern aus Wirtschafts-, Wissenschafts- und Bildungspolitik herausgearbeitet wurde. Der Minister für Wirtschaft des Saarlandes, Dr. Hanspeter Georgi, hat dieses Diskussionsergebnis ohne Zögern in die Tat umgesetzt und die Chance ergriffen, gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik (IBMT) eine Einrichtung von europäischer Dimension im Saarland anzusiedeln. Die Fraunhofer-Gesellschaft und das Saarland haben sich durch den Ankauf des Laborgebäudes und eines Hallenbereiches des aufgegebenen Textilunternehmens Becker in Sulzbach-Neuweiler (auch dies ein sichtbares Zeichen einer industriellen Umstrukturierung im Saarland) auf den Standort im Saarland festgelegt. Die Stadt Sulzbach mit ihrem Bürgermeister Zimmer ist stolz auf diesen Zuwachs, der das Industriegebiet Neuweiler durch Ansiedlung einer Biotechnologie-Einrichtung aufwertet.
Am 19. September 2001 um 13:00 Uhr wird im IBMT-Außeninstitut in Sulzbach die feierliche Übergabe des Förderbescheides der saarländischen Landesregierung durch den Wirtschaftsminister Hanspeter Georgi an Herrn Professor Fuhr, den neuen Leiter des Fraunhofer-Instituts, erfolgen. Der Direktor des IBMT wird in einer Pressekonferenz und vor geladenen Gästen diese biotechnologische Zukunftsaufgabe vorstellen.
Die Kryokonservierung bei -120°C und darunter ist gegenwärtig nahezu die einzige Möglichkeit, biologische Proben in lebendem Zustand und unverändert über beliebige Zeiträume aufzubewahren. Dieses »ewige Leben im Eis« ist allerdings nur Einheiten des Lebens mit kleinstem Volumen, also Zellen in Nährlösungen, Zellaggregaten und bedingt Gewebeproben vorbehalten. Doch gerade in diesem für die medizinische Diagnostik und Therapie, die Biowissenschaften und insbesondere die aufstrebende Biotechnologie wichtigen Gebiet besteht ein rasant wachsender Bedarf für die Ablage und Konservierung von Proben. Dieser begründet sich einmal aus wirtschaftlicher Sicht, um nicht ständig teure und zeitaufwendige Tests sowie Zellkultivierungen wiederholen zu müssen, zum anderen als Referenz- bzw. Kontrollsysteme sowie als Rücklage-Bank, um bei Bedarf (und sei es in zwanzig oder vierzig Jahren) auf den jeweiligen Ausgangszustand zurückgreifen zu können.
Das Spektrum des Probenbedarfes reicht darüber hinaus von der Umwelt über den Artenschutz bis hin zu veterinärmedizinischen Proben aus der Landwirtschaft und der Lebensmittelproduktion. Obwohl jahrzehntelange praktische und theoretische Erfahrungen zur Kryokonservierung biologischen Materials vorliegen, sind die gegenwärtig verfügbaren Techniken den zukünftigen Aufgaben und dem zu erwartenden Probenumfang nicht gewachsen. Allein der Lagerflächenbedarf, der Finanzierungsaufwand und die Handhabung der immer umfangreicher werdenden Proben- und dazugehörigen Datenmengen erfordern vollständig neue technologische Konzepte und auf Miniaturisierung basierende, automatisierte Verfahren auf diesem stark interdisziplinären Gebiet der angewandten Forschung. Die Fraunhofer-Gesellschaft ist seit Jahrzehnten erfolgreich auf dem Gebiet der Grundlagen- und Industrieforschung tätig. Das im Saarland ansässige Institut für Biomedizinische Technik ist wegen seiner Erfahrungen in den »Life Sciences« und der biomedizinischen Technik prädestiniert für diese Aufgabe. Die saarländische Wirtschaft kann mit Ausgründungen sowohl im diagnostischen als auch im kryotechnischen Bereich rechnen, die zur Ansiedlung von Start-up-Unternehmen im Felde der Mikrosystemtechnik, Nanobiotechnologie und Bioinformatik führen werden.
Bereits beim Start in die Kryobiotechnologie, eine sehr praktische, wirtschaftsorientierte Anwendung und ein Herzstück der Nanobiotechnologie, kann das IBMT auf Anerkennung und Zuspruch seiner Nanobiotechnologie-Expertise verweisen: Das BMBF fördert im IBMT mit beträchtlichen Beträgen in drei Projekten die Erforschung und Entwicklung von Aktor- und Sensorsystemen für den Umgang mit Nanobiosystemen, um z.B. das Auffinden, Transportieren und Anreichern von Viren in größter Verdünnung zu ermöglichen (NanoVirDetect-System) oder die spezifischen Bindungseigenschaften z.B. von Hormonen am Ort ihres Rezeptors mit Hilfe von Nahfeld-Fluoreszenzsonden beschreiben zu können. Die von Professor Fuhr entdeckten BioNanoTubes, die Zellen ausbilden und als Spur auf künstlichen und biologischen Oberflächen hinterlassen, sollen auf ihr diagnostisches Potential hin abgeklopft werden. Zudem sind Firmen der Kryobranche in das Vorhaben einbezogen und bekunden Interesse an den zu erwartenden Produkten.
Das Saarland geht mit der Gründung dieser »Europäischen Zellbank mit Zentrum für Kryobiotechnologie« einen weiteren Schritt auf dem Weg in eine Biotechnologieregion mit eigenem Profil in der Biohydrid-Forschung, der Nanobiotechnologie und der Bioinformatik.
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