Schlafende Eier durch Befruchtung geweckt

Immunfluoreszenz-Aufnahme einer meiotischen Spindel in einem Froschei, das sich durch den zytostatischen Faktor noch im Ruhezustand befindet (die Chromosomen sind blau, die Mikrotubuli rot dargestellt). In der Mitte der Spindel sind die Chromosomen angeordnet. Sobald das Ei befruchtet wird, trennen sie sich und die zweite meiotische Teilung wird beendet. Bild: MPI für Biochemie

Max-Planck-Wissenschaftler identifizieren das entscheidende molekulare Signal im Zellteilungszyklus einer Eizelle

Das Wunder des Lebens: Eine Eizelle verschmilzt mit einer Samenzelle und aus der befruchteten Zelle entsteht schließlich nach zigtausend Zellteilungen ein Mensch. Die einzelnen Schritte des Zellteilungszyklus sind bekannt, ihre Programmierung, d.h. jene komplexen Signalketten, die die Zellteilung steuern, hingegen noch nicht vollständig. Insbesondere ein Rätsel blieb bisher ungelöst: Die Eizellen von Wirbeltieren befinden sich vor ihrer Befruchtung in einer Ruhephase. Erst mit der Befruchtung wird der letzte Schritt der Zellteilung (die Meiose-Phase II), die zur Reduktion des Chromosomensatzes in der Zelle führt, tatsächlich vollendet. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für die Neukombination der Erbanlagen bei der sexuellen Fortpflanzung. Max-Planck-Wissenschaftlern aus Martinsried ist es nun gelungen, den entscheidenden Faktor dieses Zellgeschehens zu identifizieren und damit eine seit 30 Jahren andauernde Diskussion in der Zellbiologie einen wichtigen Schritt voranzubringen (Nature, advanced online publication, 28. August 2005).

Wenn sich ein Einzeller, wie beispielsweise eine Amöbe, teilt und zwei Nachkommen hervorbringt, pflanzt sich ein ganzes Lebewesen durch die Verdopplung einer Zelle fort. Diese Form der Vermehrung wird als asexuell bezeichnet. Auch Lebewesen, die sich sexuell fortpflanzen, wie beispielsweise der Mensch, entwickeln sich durch Zellteilung aus einer einzigen Zelle: aus der befruchteten Eizelle oder Zygote. Die Zygote wiederum entsteht durch Verschmelzung zweier Geschlechtszellen – einer Samenzelle mit einer Eizelle – und enthält somit einen doppelten Chromosomensatz mit den entsprechenden mütterlichen und väterlichen Genen. Diese Gene werden an alle im Zuge der weiteren Entwicklung entstehenden Körperzellen weitergegeben. Daher sind diese somatischen Zellen ebenso diploid, also mit einem zweifachen Chromosomensatz ausgestattet, wie die Zygote.

Nun kann sich ein so komplexes Gebilde wie eine Zelle nicht einfach verdoppeln, indem sie sich in der Mitte durchtrennt. Im Rahmen der herkömmlichen Zellteilung (Mitose) – die in dieser Form auch bei der Amöbe abläuft – muss das genetische Material, die DNA, zunächst verdoppelt und dann präzise auf die beiden Tochterzellen verteilt werden. Mit aufwändigen Fluoreszenzverfahren können die Wissenschaftler diesen Prozess in faszinierenden Farbbildern festhalten. Für die Herstellung von Geschlechtszellen (Gameten) – Eizellen und Samenzellen – muss der doppelte Chromosomensatz allerdings wieder zum einfachen reduziert werden. Dies geschieht durch die so genannte Meiose, eine abgewandelte Form der Zellteilung. Dabei werden väterliche und mütterliche Erbinformationen unterschiedlich verteilt. Unsere Nachkommen haben daher ihren ganz individuellen Mix an väterlichen und mütterlichen Genen – das macht jeden Menschen so einzigartig. Und die Möglichkeit im Zuge sexueller Fortpflanzung Nachkommen mit vollkommen neuen Eigenschaften zu produzieren, erweist sich auch in der Evolution als Vorteil.

Der Teilungszyklus einer Zelle wird von spezifischen chemischen Signalen vorangetrieben, die im Zytoplasma der Zelle vorhanden sind. Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried bei München aus der Abteilung von Erich Nigg befassen sich mit diesem Zellzyklus-Kontrollsystem. In der von Thomas Mayer geleiteten Nachwuchsgruppe interessiert man sich besonders für die Moleküle bzw. Signalsubstanzen, welche die Meiose-Phase II – jene Phase, in der die Reduktion des Chromosomensatzes erfolgt – in Gang setzen und koordinieren. Die Wissenschaftler haben sich zum Ziel gesetzt, ein seit 70 Jahren ungelöstes Rätsel aufzuklären: Seit dieser Zeit weiß man, dass die Eizellen von Wirbeltieren, also auch die des Menschen, ihren Zellzyklus erst nach der Befruchtung abschließen. Die Signalproteine, die diesen Ruhezustand aufrechterhalten, sind inzwischen zwar benannt worden, aber nicht wirklich erforscht.

Dabei handelt es sich um eine Summe von Proteinaktivitäten, die in der Fachliteratur als zytostatischer Faktor CSF (engl. cytostatic factor) bezeichnet werden. CSF blockiert die Phase II der Meiose. Sofort nach der Befruchtung wird dieser Faktor jedoch abgebaut, und der Weg freigemacht, damit die Eizelle ihre Teilung abschließen kann. Dann können die beiden Zellkerne von Samen und Eizelle miteinander verschmelzen. Da CSF sehr instabil ist und nach der Befruchtung sofort verschwindet, waren die Details dieser Regulation bisher unbekannt.

Nadine R. Rauh und Andreas Schmidt aus Mayers Forschungsgruppe haben die Regulation des zytostatischen Faktors an Froscheiern – in zellbiologischen Labors weltweit das Modellsystem schlechthin für Zellteilungsstudien – untersucht. Die Martinsrieder Zellbiologen fanden heraus, dass ein spezifisches Enzym, die Kinase Plk1, einen Faktor steuert, der interessanterweise sofort nach der Befruchtung in den Eizellen verschwindet. Rauh und Schmidt tauften den Faktor XErp1. Dieses Protein ist – das zeigten die Experimente – notwendig, um die Eizellen in ihrem Ruhezustand in Meiose-Phase II zu halten.

Der von Mayer und seinen Mitarbeitern gefundene Faktor XErp1 erfüllt alle bisher für den zytostatischen Faktor beschriebenen Eigenschaften. Die Entdeckung von XErp1 und seine Regulierung durch die Kinase Plk1 haben die Martinsrieder Wissenschaftler bereits im Februar 2005 in der renommierten Zeitschrift Genes & Development publiziert.

In der neuesten Ausgabe von Nature haben die Nachwuchswissenschaftler nun weitere Details zur Steuerung des zytostatischen Faktors veröffentlicht. Seit 20 Jahren wissen Zellbiologen, dass Kalzium-Ionen einen wichtigen Einfluss auf die „Erweckung“ der Eizellen aus ihrem Ruhezustand haben. Mit der Befruchtung der Eizelle werden die Ionen in größeren Mengen freigesetzt. Aus früheren Studien ist bekannt, dass ein Protein (CaMKII) an der Kalzium-Regulation in der Zelle beteiligt ist. Es handelt sich ebenfalls um eine Kinase, also ein Enzym, das durch die Übertragung von Phosphatgruppen an Signalproteine deren Aktivität steuert.

Nadine Rauh und Andreas Schmidt haben untersucht, ob und wie diese Kinase mit dem von ihnen entdeckten Faktor XErp1 in Wechselwirkung tritt. Dazu veränderten sie die Zellen, indem sie die Bindungsmöglichkeiten für Kalzium ausschalteten. Entsprechend verharrten die Eizellen auch nach der Befruchtung und trotz erhöhten Kalziumspiegels weiterhin in ihrem Ruhezustand. Die Versuche der Zellbiologen offenbarten ein komplexes Wechselspiel zwischen der Kinase CaMKII, den Kalzium-Ionen und dem Signalfaktor XErp1: Ein hoher Kalzium-Spiegel führt zur Aktivierung der Kinase; diese wiederum deaktiviert den Faktor XErp1. Dabei wird XErp1 so modifiziert, dass er von der zellulären Abbaumaschinerie erkannt und beseitigt werden kann. Damit wird quasi die „Pause“-Schaltung (XErp1) aufgehoben und der weitere Ablauf des Zellteilungszyklus freigegeben.

„Die Regulation durch die erhöhte Kalzium-Konzentration ist damit nun ganz leicht zu erklären. Da der von uns entdeckte und beschriebene Faktor XErp1 genau die Funktion eines lange gesuchten zytostatischen Faktors hat, gehen wir davon aus, dass er die zentrale Rolle bei der Arretierung der Eizellen in ihrem Ruhezustand bis zur Befruchtung spielt“, so Thomas Mayer. „Unsere Ergebnisse zeigen erneut, dass die Natur bewährte Signalfunktionen miteinander kombiniert. Das komplexe Zusammenspiel der molekularen Faktoren stellt sicher, dass die Eier zeitlich abgestimmt mit der Befruchtung ihre Reduktionsteilung vollenden“, so der Gruppenleiter. „Diese Forschungsergebnisse könnten in Zukunft auch Erklärungen und Therapie-Ansätze bei Unfruchtbarkeit eröffnen, die auf der mangelnden Bildung von Geschlechtszellen beruhen.“

Media Contact

Eva-Maria Diehl Max-Planck-Gesellschaft

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