Expeditionen in die Molekül-Architektur: IUB weiht modernste Röntgen-Kristallographietechnik ein
Am Freitag, den 16. September 2005 weihte die IUB offiziell ihr neues Einkristall-Röntgendiffraktometer ein, das nach der ersten Optimierungsphase jetzt voll einsatzbereit ist. Das Großgerät im Wert von 400 000 Euro ist bisher die einzige Analysemethode, mit der Wissenschaftler die absolute Molekülstruktur von gänzlich unbekannten Substanzen ermitteln können. Ein Kurzsymposion mit Rednern aus dem In- und Ausland führte in die Perspektiven der Einkristall-Röntgendiffraktionstechnik ein und bildete den Rahmen für die Einweihung.
Einsatzgebiet der Einkristall-Röntgendiffraktionstechnik ist vor allem die synthetische organische und anorganische Chemie; es kann aber auch für Fragestellungen aus den Biowissenschaften, der Geochemie oder Medizin verwendet werden. Voraussetzung ist, dass sich von der zu testenden Substanz Kristalle mit regelmäßigem Kristallgitter herstellen lassen, sogenannte Einkristalle. Durch Beschuss dieser Kristalle mit Röntgenstrahlen einer bestimmten Wellenlänge entstehen Streuungsmuster, die mit einem hochempfindlichen Detektor aufgenommen werden. Die computergestützte Analyse der Streuungsmuster erlaubt die absolute Positionsbestimmung einzelner Atome innerhalb eines Moleküls bzw. einer ionischen Substanz und somit die Rekonstruktion der dreidimensionalen Gesamtstruktur.
Berühmtestes Beispiel für die Aufklärung einer Molekülstruktur mittels Röntgendiffraktion ist die Entdeckung der Doppelhelixstruktur des Erbinformationsträgers DNA bereits im Jahr 1953. Seit dem hat sich die Röntgendiffraktionstechnik erheblich weiterentwickelt. Die benötigte Größe der zu vermessenden Kristalle konnte vom Milli- in den Mikrometerbereich verkleinert werden, was insbesondere durch eine gesteigerte Empfindlichkeit der Detektoren erreicht wurde. Darüber hinaus wurde die Messdauer von 1-2 Wochen auf einige Stunden verkürzt. Der Einsatz leistungsfähiger Computer macht sogar 3D-Visualisierung der Moleküle möglich.
Das IUB-Einkristall-Röntgendiffraktometer der Marke Bruker Kappa Apex II ist im norddeutschen Raum das modernste seiner Art. Es wurde von Dr. Ulrich Kortz, IUB Professor of Chemistry, beschafft und bereits im März installiert. Sein Betrieb wurde in den darauffolgenden Monaten durch den IUB-Kristallographen Dr. Michael Dickman optimiert. Bisher konnten bereits rund 150 Kristalle vermessen und die Mehrzahl der Strukturen erfolgreich geklärt werden. Hauptnutzer sind die IUB-Wissenschaftler aus den Bereichen Chemie- und Biowissenschaften. Darüber hinaus wurden im Rahmen von Forschungskooperationen bereits Kristalle aus Italien, Frankreich, Rumänien und Japan gemessen, und Wissenschaftler der Universität Bremen können Messungen im Rahmen der Kooperation zwischen den beiden Universitäten durchführen. Das Gerät wurde auf der Basis des Hochschulbauförderungsgesetzes gemeinsam von der IUB und der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert.
Aktuelle Perspektiven des Einsatzes der Einkristall-Röntgendiffraktionstechnik entwarfen die Fachvorträge des Einweihungssymposions. Hierbei berichteten die eingeladenen Experten über die Strukturbestimmung verschiedener Verbindungsklassen und diskutierten Potential aber auch die Limits der Einkristall-Röntgendiffraktion als Analysemethode sowie Problemstellungen bei der Datenbearbeitung und -interpretation. Aus Deutschland nahmen Dr. Horst Borrmann vom Max-Planck-Institut Dresden, Dr. Ina Dix, Universität Göttingen, sowie die Professoren Achim Müller und Jürgen Kopf aus Bielefeld und Hamburg teil. Gastredner aus den USA war Prof. Michael T. Pope von der Georgetown University, Washington DC.
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