Frisches grünes Brot
Die industrielle Nutzung der Mikroalge als Rohstofflieferant boomt. Eine deutsche Anlage macht Europa zum größten Mikroalgen-Produzenten weltweit.
Viele hochwertige Inhaltsstoffe und ihre kostengünstige Kultivierung – bislang vor allem in südlichen Ländern – machen Mikroalgen zu interessanten Rohstofflieferanten für verschiedene Branchen. Die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ (AiF) fördert seit einem Jahrzehnt die Erforschung der Einsatzgebiete und Anbautechniken dieser multifunktionalen Wasserpflanzen. Grünes Brot und Algenshampoo sind nur ein kleiner Ausschnitt der bislang verfügbaren Produktpalette. Im Auftrag der AiF-Mitglieder Forschungskreis der Ernährungsindustrie und DECHEMA Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie forschen Wissenschaftler am Institut für Getreideverarbeitung (IGV) in Bergholz/Rehbrücke bei Potsdam zur Erschließung neuer Algen-Märkte in den Industriezweigen Lebensmittel, Pharmazie, Kosmetik und Tierfutter.
Die Meeresbewohner mit Namen wie Chlorella vulgaris und Spirulina platensis bevölkerten die Erde bereits Jahrmillionen vor dem Menschen. Anspruchslos verarbeiten sie Sonnenlicht und Kohlendioxid unablässig zu Biomasse und Sauerstoff. Damit schufen sie einst die Voraussetzungen für höhere Lebensformen und bilden noch heute mit mehr als 30.000 Arten die Basis der Nahrungskette im Wasser.
Beeindruckend ist ihr Reichtum an gesundheitsfördernden Wirkstoffen. Sie enthalten mehrfach ungesättigte Fettsäuren, Vitamine und Mineralstoffe in hochkonzentrierter Form, beispielsweise zehnmal soviel Beta-Carotin wie die Karotte. Ihr Gehalt an Vitamin B12 ist zwei- bis dreifach höher als in der bisher als beste natürliche Quelle bekannten Rinderleber. Beim Proteingehalt übertreffen die Algen Fleisch, Milch und Hühnereier.
Während ihres Stoffwechsels bauen Mikroalgen Schadstoffe ab und synthetisieren Wertstoffe. Deshalb ermöglicht die regenerative Algenbiomasse im Bereich der Bioökologie die Sanierung von Gewässern, die Rekultivierung von Ödland und die nachhaltige Energiegewinnung. Seit kurzem untersucht Professor Dieter Ihrig von der Märkischen Fachhochschule in Iserlohn die Machbarkeit eines biologischen Solarenergiegenerators. Kombiniert mit Brennstoffzellen könnte ein solcher Prozess ohne CO2-Emission die Energiequelle der Zukunft sein. Mit diesem Projekt fördert die AiF die anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung an Fachhochschulen.
Bei Klötze in Sachsen-Anhalt produziert die Firma Ökologische Produkte Altmark seit einem Jahr in insgesamt 500 Kilometer langen Glasröhren den viel versprechenden Rohstoff Mikroalge. Die Anlage im Wert von 18 Mio. DM ist die erste weltweit, die als geschlossenes System arbeitet und – im Gegensatz zu Aquakulturen unter freiem Himmel – die Algen vor schädlichen Umwelteinflüssen abschirmt. Entwickelt wurde dieses Züchtungsprinzip von der Firma B. Braun Biotech International in Melsungen gemeinsam mit dem IGV. Bei 25 bis 32 Grad Celsius „fressen“ die Algen tagsüber und vermehren sich nachts durch Zellteilung. Automaten steuern die Zugabe von CO2 und Mineralsalzen in Abhängigkeit von der Intensität der Sonnenstrahlung. Nach der Ernte, die im Sommer täglich stattfindet, trennt eine Zentrifuge Wasser und Algen; dann werden die Pflanzen rasch und schonend bis auf drei Prozent Restfeuchte getrocknet. So entstehen täglich bis zu 700 Kilogramm grünes Algenpulver. Pro Jahr kann der Photobioreaktor 130 Tonnen davon produzieren und deckt damit rund fünf Prozent der Weltproduktion. Mit dieser Produktionsanlage schiebt sich Europa auf dem Gebiet der Mikroalgen-Biotechnologie weltweit auf den ersten Platz vor Japan und die USA.
Ansprechpartner: Dr. Otto Pulz, IGV GmbH, Tel.: (03 32 00) 8 91 51
Prof. Dieter Ihrig, Märkische FH Iserlohn,
E-Mail: Ihrig@mfh-iserlohn.de
Michael Liwowski, Ökologische Produkte Altmark GmbH,
Tel.: (0 39 09) 51 04 87
Heinz-Rüdiger Keitel, B. Braun Biotech International GmbH,
Tel. (0 56 61) 71 39 40
Pressearbeit: AiF, Silvia Behr, E-Mail: presse@aif.de, Tel.: (02 21) 3 76 80 – 55
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