Fallschirme aus Spinnenfäden?


Leibnizforschern gelingt die Übertragung von Spinnenerbgut in Pflanzen. Der Acker als neuer Rohstofflieferant für High-Tech-Gewebe.

BONN/GATERSLEBEN. Forschern des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben ist es jetzt gelungen, Gene für Eiweiße (Proteine), aus denen die Tragfäden von Spinnennetzen bestehen, in Tabak- und Kartoffelpflanzen zu übertragen. Die genetisch veränderten Pflanzen könnten so in Zukunft den Rohstoff für High-Tech-Gewebe liefern, das die fantastischen Eigenschaften von Spinnennetzen hat: fest wie Stahl und elastisch wie Nylon. Ein Traum, den Techniker bisher nur mit teuersten Kunstfasern verwirklichen konnten. Das Gen für das Tragfaden-Protein wurde nach dem Vorbild von Spinnen-Erbgut in Zusammenarbeit mit dem Leibniz-Institut für Molekulare Biotechnologie in Jena konstruiert.

Mit dem Gentransfer allein ist es aber nicht getan. „Eine ordentliche Faltung der langen Moleküle erhöht die Lebensdauer der Eiweiße“, erläutert Projektleiter Dr. Udo Conrad. „Sonst würden die Proteine in der Pflanzenzelle schnell wieder kleingehackt.“ Die Biologen hefteten deshalb spezielle Signale an das Spinnenseiden-Gen. Wie eine Postleitzahl weisen sie dem noch unfertigen Protein den Weg an einen geschützten Ort der Zelle, wo es sehr sorgfältig gefaltet wird.

Um das Eiweiß in ausreichenden Mengen aus den Pflanzen zu gewinnen, muss es gereinigt werden. Für die Lösung dieses Problems machten sich die Forscher zwei Eigenschaften der Spinnen-Proteine zu Nutze: Die Moleküle sind wasserlöslich und extrem hitzebeständig. „Zunächst werden die Blätter püriert und mit Hilfe einer Zentrifuge in feste und flüssige Bestandteile getrennt“, erläutert Conrad den ersten Schritt. Der flüssige Teil mit dem Spinnen-Eiweiß wird anschließend gekocht. Durch die Hitze verklumpen viele der pflanzlichen Proteine. Nach einer weiteren Zentrifugation besteht dann ein wesentlicher Teil der gelösten Proteine aus Spinnen-Eiweiß.

Bereits für dieses rohe, nicht versponnene Material sieht der Biologe viele Anwendungen in Medizin und Forschung, weil es beim Menschen keine allergischen Reaktionen hervorruft. Schon im antiken Rom seien Spinnennetze als Wundverband gebraucht worden, sagt Conrad. Für die Herstellung von Geweben müssen die Eiweiße erst zu einem Faden gesponnen werden. Dann könnten Fallschirme aus Spinnenseide Wirklichkeit werden. Entsprechende Webversuche werden derzeit begonnen. Hier arbeiten die Leibniz-Forscher mit dem Thüringischen Institut für Textil- und Kunststoffforschung in Rudolstadt zusammen.

Weitere Informationen bei
Waltraud Mühlenberg
Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung
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D-06466 Gatersleben
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Email: muehlen@ipk-gatersleben.de
Internet http://www.ipk-gatersleben.de

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