Wie wir suchen und finden

Schon lange existieren verschiedenste Theorien darüber, wie es Menschen gelingt, in einer Welt voll von Objekten, ganz bestimmte Dinge zu suchen und auch zu finden. Denn so einfach ist das nicht. Würde man jeden Gegenstand einzeln nacheinander betrachten, bräuchte man beispielsweise Stunden, um in der unordentlichen Wohnung seine rote Mütze wieder zu finden. Leipziger Wissenschaftler bestätigen jetzt eine andere Vorgehensweise: die parallele Suche.

„Dabei bedient sich das Gehirn eines Tricks“, so Prof. Matthias Müller, vom Institut für Psychologie I. „Es ruft sich Merkmale des Gegenstandes ins Gedächtnis und sucht dann gleichzeitig alle Gegenstände gezielt danach ab.“ So findet man seine rote Mütze im Chaos nur deshalb, weil man zunächst, mehr oder weniger unterbewusst, nur auf das Merkmal 'rot' achtet.

Was genau bei dieser parallelen Suche im menschlichen Gehirn abläuft, konnten die Wissenschaftler jetzt erstmals in einer EEG-Studie zeigen: Sobald sich die Versuchsperson im Experiment nur auf die roten Punkte auf einem Bildschirm konzentrieren sollte, erhöhte sich die Aktivierung der Hirnregionen – in der Sehrinde im Hinterkopf – die das Merkmal 'rot' verarbeiten. Interessanterweise war dabei auch das Hirnareal erregter, das einkommende Sehinformationen als erstes analysiert: die sogenannte primäre Sehrinde.

Unser Gehirn aktiviert also die Bereiche stärker, die für die Verarbeitung des gesuchten Merkmals zuständig sind und meldet es dann der primären Sehrinde. „Damit entsteht ein Netzwerk.“, erklärt Prof. Müller. „Es bewirkt, dass schon die primäre Sehrinde wie ein Filter funktioniert und nur das Merkmal ('rot') hervorhebt, was wir suchen. Der Rest (z. B. 'blau') wird sozusagen ausgeblendet. Dadurch finden wir schneller was wir suchen.“ In unserer unaufgeräumten Wohnung fallen uns also zunächst nur alle roten Dinge ins Auge. Zwischen einem roten Pullover, einer roten Dose und einem Buch mit rotem Einband ist unsere rote Mütze dann schnell entdeckt.

Veröffentlicht wurden die spannenden Erkenntnisse zur visuellen Suche beim Menschen, die in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Neurowissenschaften in Havanna/Cuba und der Universität San Diego/Kalifornien entstanden, nun in der Fachzeitschrift PNAS.

Originalveröffentlichung: M. M. Müller, S. Andersen, N. J. Trujillo, P. Valdés-Sosa, P. Malinowski and S. A. Hillyard: Feature-selective attention enhances color signals in early visual areas of the human brain. PNAS Vol. 103, 14250-14254

Sandra Hasse

Weitere Informationen:
Prof. Dr. Matthias Müller
Telefon: 0341 97-35960
E-Mail: m.mueller@uni-leipzig.de
Die experimentellen Arbeiten wurden durchgeführt von:
Søren Andersen
Telefon: 0341 97-35904
E-Mail: andersen@uni-leipzig.de

Media Contact

Dr. Bärbel Adams Universität Leipzig

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Klimawandel führt zu mehr alpinen Gefahren

Von Steinschlag bis Eislawine: So hat der Klimawandel die Naturgefahren in den Alpen verändert. Der Klimawandel intensiviert vielerorts Naturgefahren in den Bergen und stellt den Alpenraum damit vor besondere Herausforderungen….

SAFECAR-ML: Künstliche Intelligenz beschleunigt die Fahrzeugentwicklung

Mit neuen Methoden des Maschinellen Lernens gelingt es, Daten aus der Crashtest-Entwicklung besser zu verstehen und zu verarbeiten. Im Projekt SAFECAR-ML entsteht eine automatisierte Lösung zur Dokumentation virtueller Crashtests, die…

Robotergestütztes Laserverfahren ermöglicht schonende Kraniotomie im Wachzustand

Um während neurochirurgischen Eingriffen komplexe Hirnfunktionen testen zu können, werden diese an wachen, lokal anästhesierten Patienten durchgeführt. So können die Chirurgen mit ihnen interagieren und prüfen, wie sich ihr Eingriff…