Dem glänzenden Geheimnis der Delfine auf der Spur
TU Berlin, Wissenschaftsdienst „Forschung aktuell“, Ausgabe September 2000 – Mikroorganismen
Delfine gehören zu den Lieblingstieren des Menschen. Sie gelten als intelligent, ja sogar als menschenfreundlich. Und nicht zuletzt genießen sie aufgrund ihrer schönen ästhetischen Form unsere Wertschätzung. Dazu gehört auch die besonders strukturierte, von Pflanzenbewuchs freie Oberfläche, die die Delfinhaut beispielsweise von der eines Wals unterscheidet.
Für diese Besonderheit des Delfins interessieren sich auch Prof. Dr. Lutz-Günther Fleischer vom Institut für Lebensmitteltechnologie der Technischen Universität Berlin und seine Kooperationspartner Prof. W. Meyer, Tierärztliche Hochschule Hannover, und Privatdozent Dr. D. Siebers vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung/Bremerhaven. Innerhalb eines großangelegten gemeinsamen Forschungsprojektes, finanziert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), untersuchen sie die Selbstreinigungseigenschaften der Delfinhautoberflächen.
Delfine sind wie alle marinen Organismen dem so genannten Biofouling ausgesetzt. Es entsteht, weil sich im Wasser lebende Mikroorganismen permanent an ihnen absetzen und einen Biofilm bilden. Die Hydrogele aus so genannten extrazellulären polymeren Substanzen (EPS), aus denen ein Biofilm besteht, sind die älteste Form des Lebens auf der Erde. Sie sind es, auf denen wir ausrutschen, wenn wir beispielsweise durch einen Bach waten. Biofilme können auch als Flocken auftreten, dann sind es schwimmende Biofilme, oder als Schlämme. Ihnen allen ist gemeinsam, dass es sich um „mikrobielle Aggregate“ handelt.
Für die Mikroorganismen hat es durchaus Vorteile, in solchen Verbünden zu leben. Ihre Zellen bilden dabei stabile Gemeinschaften, so dass verschiedene Arten zusammenleben und gegenseitig ihre Fähigkeiten und Funktionen nutzen können. Die Gemeinschaft kann beispielsweise mit viel geringeren Mengen an Nährstoffen auskommen, als es ein freilebender Single-Organismus je könnte. Deshalb können Bakterien und Algen, wenn sie sich in solchen Biofilmen aufhalten, in nährstoffarmer Umgebung viel besser überleben. Auch die Lebensvorgänge von Mikroorganismen im Biofilm unterscheiden sich von denen ihrer einzeln lebenden Artgenossen. So verständigen sie sich durch Botenstoffe. Dadurch werden Gene an- oder abgeschaltet, Bakterien trennen sich beispielsweise von ihren beweglichen Zellfortsätzen. Es werden andere, neue EPS gebildet und die Resistenz gegenüber Desinfektionsmitteln oder Antibiotika steigt stark an. Deshalb ist die Bekämpfung unerwünschter Biofilme, beispielsweise an Wärmeaustauschern, an Schiffsoberflächen oder an Filtereinrichtungen von Kläranlagen so schwierig. Die Korrosionsforschung in Deutschland hat gerade erst begonnen, den Faktor Mikroorganismen zur Kenntnis zu nehmen und in das Verständnis von Korrosionsmechanismen einzubeziehen. Geschätzt wird, dass bis zu 20 Prozent aller Korrosionsschäden unter mikrobieller Einwirkung entstehen, wobei die Schäden bis in die Milliardenhöhe gehen.
Andererseits werden Biofilme auch technisch genutzt. Bei der Abwasserreinigung oder der Aufbereitung von Trinkwasser. Biofilme werden dort als „biologischer Rasen“ auf Filtermaterialien gebracht. Sie entnehmen dem Rohwasser die abbaubaren Stoffe und reinigen es auf diese Weise. Eine der ältesten Anwendungen der Biofilm-Technik ist beispielsweise die Herstellung von Essig. Er wird nämlich durch Mikroorganismen gebildet, die auf Buchenholzspänen haften und den Alkohol aus der flüssigen Phase umsetzen.
Für das Verständnis der Prozesse im Wasser und seiner Wechselwirkungen mit der Umgebung spielen Biofilme und Biofouling eine entscheidende Rolle. Prof. Dr. Fleischer und seine Kollegen wollen nun erstmalig Einsichten darüber gewinnen, wie die Delfinhaut es schafft, sich selbst zu reinigen. Was für Stoffe sie warum abstößt und welche chemischen und physikalischen Mechanismen dafür verantwortlich sind, dass sich die Delfinhaut so erfolgreich gegen das Biofouling wehrt. Sie werden die Gele untersuchen, die sich an der Hautoberfläche bilden, außerdem sollen Aussagen über das Fließverhalten von Gel-Suspensionen abgeleitet werden. „Es sind enzymatisch gesteuerte Prozesse, die in den oberen Hautschichten ablaufen“, erklärt Prof. Dr. Fleischer. Diese zu untersuchen ist ein langer, aufwendiger Weg, an dem zahlreiche Diplomanden und Doktoranden beteiligt sind. Neue Erkenntnisse über Biofouling stehen ganz am Ende. Doch auf dem Weg dorthin kann Wissen, beispielsweise über die Bildung und die Struktur von Gelen, sogar in der Lebensmitteltechnologie gefragt sein. inhe
Datenbank
Ansprechpartner: Prof. Dr. sc. techn. Lutz-Günther Fleischer, Technische Universität Berlin, Institut für Lebensmitteltechnologie I
Forschungsprojekt: Untersuchung der Selbstreinigungseigenschaften von Delfinhautoberflächen, DFG-finanziert
Kontakt: Straße des 17. Juni 135, 10623 Berlin, Tel.: 030/314-27589 oder 030/2093-8328, Fax: 030/314- 27518, E-Mail: L-G.Fleischer@lb.tu-berlin.de, Internet: http://www.tu-berlin.de/~zuckerinstitut
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