Neue Erkenntnisse bei der Proteinbiosynthese eröffnen den Weg zu einer neuen Klasse von Antibiotika
Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für molekulare Genetik haben einen neuen Faktor gefunden, der bei der Proteinbiosynthese in der Zelle eine essentielle Rolle spielt und gleichzeitig immenses Potential für die Entwicklung neuer Antibiotika birgt.
Die Herstellung von Proteinen ist wohl der wichtigste Vorgang in einer Zelle. Die Bauanleitungen für diese Proteine sind in der Erbinformation (DNA) einer jeden Zelle festgeschrieben. Zunächst werden Blaupausen der DNA in Form der Boten-Ribonukleinsäuren (RNA) angelegt und anschließend in eine Kette von Aminosäuren, den Proteinbausteinen, übersetzt. In Proteinen reihen sich mehrere Hundert oder Tausend Aminosäuren in einer bestimmten Reihenfolge aneinander.
Zur Steuerung dieses Vorganges existieren in der Zelle raffinierte Enzymkomplexe – die Ribosomen. In Aufbau und Funktionsweise ist ein Ribosom mit einer Miniatur-Maschinerie vergleichbar: Die Boten-RNA (mRNA) wird wie ein Fließband durch diese Maschine hindurchgeschleust (Abbildung 1). Dabei wird das fadenförmige Botenmolekül Schritt für Schritt abgetastet und die genetische Information in die Aminosäure-Sequenz der Proteine übersetzt: Für jeweils 3 Basen, den Basen-Tripletts oder sog. Codons, existiert ein passendes Adaptermolekül, eine Transfer-RNA (tRNA), die eine bestimmte Aminosäure transportiert. Die Aminosäuren werden nacheinander zu einer Kette zusammengefügt und ergeben schließlich ein neues Proteinmolekül. Dieser Vorgang wird als Translation bezeichnet.
Das Herzstück der ribosomalen Funktion ist die sog. Elongation, die Verlängerung der wachsenden Polypeptidkette um eine Aminosäure. Dieser Prozess, läuft in allen lebenden Zellen nach denselben Regeln ab. Nachdem ein neuer Baustein an die Eiweißkette angeheftet wurde, bindet ein Elongationsfaktor an das Ribosom. Dieser löst in Gegenwart des energiereichen Moleküls GTP eine Bewegung – die Translokation – aus, die zum Weiterrücken der mRNA und tRNA um eine Codon-Einheit führt. Jetzt kann die kleine Untereinheit des Ribosoms den nächsten Abschnitt der mRNA lesen, woraufhin eine weitere Aminosäure angeheftet werden kann.
Diese Abläufe sind seit den Sechziger Jahren bekannt und wurden im Wesentlichen von der Gruppe um den Nobelpreisträger Fritz Lipmann etabliert: Danach sind zwei Elongationsfaktoren damit beschäftigt, den Elongationszyklus anzutreiben.
Die Berliner Forscher haben nun festgestellt, dass in Bakterien, Mitochondrien und Chloroplasten offenbar die Translokation nicht in allen Fällen perfekt abläuft. Eine derartige defekte Translokation kann dazu führen, dass eine falsche Aminosäure eingebaut wird oder gar das Ribosom blockiert und damit der Proteinsynthese entzogen wird, eine tödliche Gefahr für die Zelle.
Den Zustand einer defekten Translokation scheint nun der neue Faktor LepA zu erkennen und löst eine Umkehr der Translokation aus, eine „Back-Translocation“, so dass das Ribosom und der Translokationsfaktor eine zweite Chance erhalten, eine geordnete Translokation auszuführen.
LepA sorgt also dafür, dass die Translation mit hoher Geschwindigkeit und Genauigkeit stattfinden kann (Abbildung 2).
Damit ist es den Forschern um Prof. Knud H. Nierhaus am Berliner Max-Planck-Institut für molekulare Genetik gelungen, einen dritten Elongationsfaktor zu identifizieren, welcher eines der höchst konservierten Proteine überhaupt darstellt und essentiell für alle Bakterien und Mitochondrien ist.
Neben der immensen Bedeutung für die Grundlagenforschung steckt in dieser Entdeckung auch ein enormes Potential für die Entwicklung einer neuen Klasse von Antibiotika. Durch die sich immer stärker ausweitende Problematik der Resistenz gegen Antibiotika sind gerade auf diesem Gebiet Neuentwicklungen von unschätzbarem Wert und können in vielen Fällen sogar lebensrettend sein.
Originalveröffentlichung:
The Highly Conserved LepA Is a Ribosomal Elongation Factor that Back-Translocates the Ribosome, Qin Y, Polacek N, Vesper O, Staub E, Einfeldt E, Wilson DN, Nierhaus KH, Cell. 2006 Nov 17;127(4):721-33.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Knud H. Nierhaus Nierhaus@molgen.mpg.de
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