Mehr UV-Licht ins Gewächshaus!
Gedeihen Pflanzen in diesen innovativen Häusern besser? Werden sie darin widerstandsfähiger gegen Schädlinge? Die Forscherinnen Caroline Müller und Franziska Kuhlmann vom Biozentrum wollen diese Fragen jetzt beantworten.
Das Besondere an den neuen Gewächshäusern: Sie sind nicht mit herkömmlichem Glas eingedeckt, sondern mit Glas-Folien-Kombinationen, die ursprünglich für die Solartechnik entwickelt wurden.
Das Spezialmaterial lässt bis zu 95 Prozent des Lichtes passieren, das Pflanzen für ihre Photosynthese nutzen können – durch normales Glas dagegen dringen nur rund 85 Prozent. Außerdem ist das Material besonders gut durchlässig für UV-B-Strahlung, während diese in herkömmliche Glashäuser gar nicht eindringen kann.
Damit herrschen in den neuartigen Gewächshäusern fast die gleichen guten Lichtverhältnisse wie im Freien. Und das hat Folgen: Gärtner, die versuchsweise in solchen Häusern anbauen, berichten von höheren Produktionsmengen und einer besseren Pflanzenqualität. Gleichzeitig seien weniger Pflanzenschutzmittel nötig. Das teilt die Forschungszentrum Jülich GmbH mit, die an der Entwicklung der neuen Gewächshaustypen maßgeblich beteiligt war.
Aber: Wissenschaftlich untermauert sind diese Beobachtungen bisher nicht. Darum koordiniert der Jülicher Professor Ulrich Schurr nun ein Verbundprojekt, das vom Bundesforschungsministerium mit insgesamt 362.000 Euro gefördert wird. Weiterhin beteiligt sind Wissenschaftler von der Uni Bonn, der Jungpflanzenbetrieb Helmut Trübenbach in Bickenbach bei Darmstadt sowie die Forscherinnen vom Würzburger Biozentrum. Sie erhalten für ihr Projekt rund 186.000 Euro aus der Kasse des Ministeriums.
Zunächst wurden im Botanischen Garten am Dallenberg für rund 27.000 Euro die drei Versuchsgewächshäuser auf einer Fläche von jeweils zwölf Quadratmetern gebaut. Identisch sind die Häuser nicht: Eines weist die UV-B-Strahlung komplett ab, das zweite lässt 35 Prozent und das dritte schließlich 80 Prozent des natürlichen UV-B passieren. Mit dieser Anordnung können die Forscherinnen den Einfluss untersuchen, den die ultraviolette Strahlung auf Wachstum und Fitness der Pflanzen hat.
Ab März werden Projektleiterin Caroline Müller und ihre Doktorandin Franziska Kuhlmann in den Häusern Weiß- und Rotkohl sowie Brokkoli säen. Geerntet wird dann nach drei bis vier Wochen. Anschließend wandert das junge Gemüse ins Labor, wo die Forscherinnen seine Inhaltsstoffe analysieren. „Dadurch können wir beurteilen, wie sich der unterschiedlich hohe UV-Anteil auf die Qualität auswirkt“, erklärt Müller.
Zudem wird geprüft, ob das UV-Licht die Widerstandsfähigkeit der Kohlpflanzen gegen Schädlinge beeinflusst. Für diesen Zweck werden die Wissenschaftlerinnen die Gewächse mit Blattläusen besetzen. Zum einen mit der Mehligen Kohlblattlaus, die ausschließlich an Kohlgewächsen schmarotzt, zum anderen mit der Grünen Pfirsichblattlaus. Letztere saugt nicht nur an Pfirsichblättern, sondern an allen Pflanzen, die ihr unter den Rüssel kommen.
Warum ultraviolettes Licht den Kohl resistenter gegen Läuse machen soll? „Es kurbelt in Pflanzen die Produktion bestimmter Inhaltsstoffe an, die Flavonoide heißen“, erklärt Franziska Kuhlmann. Und genau diese Stoffe spielen vermutlich eine tragende Rolle im chemischen Abwehrsystem, mit dem sich Pflanzen hungrige Insekten vom Leib halten.
Daneben hat UV-Licht noch andere positive Effekte. So steigert es zum Beispiel die geschmacksgebenden Inhaltsstoffe von Tomaten, wie Susanne Tittmann vom Forschungszentrum Jülich sagt. Auch lasse es Pflanzen kompakter wachsen. Aus ästhetischen Gründen ist das besonders im Zierpflanzenbau wichtig.
Das Forschungszentrum Jülich sieht in dem Projekt gute Chancen, die Technologieführerschaft Deutschlands beim Gewächshausbau im europäischen Vergleich zu festigen oder sogar auszubauen. Die Kosten für die neuen Bedachungsmaterialien seien im Vergleich zu Standardmaterialien zwar höher. Doch geht der Jülicher Diplom-Ingenieur Gerhard Reisinger bei den aktuellen Energiepreisen davon aus, dass sich die Eindeckung bei einem Warmhaus in der Zierpflanzenproduktion in drei bis fünf Jahren amortisiere. Bei den neuen Materialien sei eine Haltbarkeit von über 20 Jahren zu erwarten.
Weitere Informationen: PD Dr. Caroline Müller, T (0931) 888-6221, Fax (0931) 888-6235, E-Mail: cmueller@botanik.uni-wuerzburg.de
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