Korallenfische riechen den Weg zum Heimatriff
Einem internationalen Forscherteam um Gabriele Gerlach vom Marine Biological Laboratory in Woods Hole, ist es erstmals gelungen, Licht hinter die komplexe Besiedelung von Korallenriffen zu bringen. Das erklärt beispielsweise, warum verschiedene Riffe auch sehr verschiedene Lebensgemeinschaften aufweisen, berichten die Forscher in der jüngsten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Proceedings of the National Academy of Sciences. Die Fische orientieren sich demnach am Geruch ihres Geburtsorts.
Larven von Fischen und anderen Tieren werden durch Meeresströmungen weit über die Riffe verteilt, dennoch unternehmen zumindest einige der Tiere große Anstrengungen zu ihrem „Mutterriff“ zurückzukehren. Als Orientierungshilfe dient ihnen dabei ihr Riechorgan, denn die verschiedenen Korallenriffe weisen offensichtlich einen stark von einander abweichenden Duft auf. „Der Geruch der Riffe erlaubt es den Larven jene Strömungen zu wählen, die sie zu Riffen – und nicht ins offene Meer – und speziell zu ihren Geburtsriffen führen“, schreiben die Forscher. Unklar sei aber bis heute, wie sich die Gerüche der einzelnen Riffe zusammensetzen. Die Wissenschaftler vermuten, dass die Zusammensetzung der einzelnen Spezies einen speziellen Duft erzeugt.
„Die olfaktorischen Komponenten im Wasser spielen tatsächlich eine große Rolle“, erklärt der Wiener Meeresbiologe Michael Stachowitsch von der Universität Wien im pressetext-Interview. So sei es bekannt, dass beispielsweise Aale Substanzen in extremer Verdünnung wahrnehmen und sich daran orientieren können. „Die Meere sind eine ganze Suppe von chemischen Verbindungen, dazu gehören etwa auch Hormone und andere duftende Stoffe“, so der Forscher. Viele dieser Substanzen würden auch als chemische Waffen von den Lebewesen eingesetzt, um andere am Wachstum zu hindern. „Wenn die Meere eine Vielzahl solcher Duftstoffe besitzen, die für viele Lebewesen so wichtig sind, stellt sich natürlich auch die Frage, wie denn die Tonnen von Müll, die vom Menschen jährlich ins Meer gekippt werden, sich auf das Ökosystem auswirken“, meint der Wissenschaftler. Dadurch würden sich nämlich die Gerüche, die so charakteristisch sind, erheblich ändern, mutmaßt Stachowitsch.
„Bei Forschungsreisen im Roten Meer haben wir sehen können, wie stark sich einzelne Riffe und ihre Bewohner, auch wenn sie nur wenige hunderte Meter voneinander entfernt liegen, voneinander unterscheiden“, so Stachowitsch. Gerlach berichtet im PNAS-Artikel auch davon, dass die Verbundenheit mit dem Mutterriff dazu führen würde, dass Riffpopulationen verschiedene genetische Unterschiede entwickeln, die zu einer reproduktiven Isolation führen. Die genetischen Unterschiede konnten die Wissenschaftler sogar bei Fischpopulationen feststellen, die nur wenige Kilometer von einander entfernt lebten. Bisherige Theorien, die von einer Vermischung der Arten (Panmixis) ausgingen, wurden dadurch widerlegt. Denn demnach müsste es eine genetische Übereinstimmung mit Fischen aus Nachbar-Riffen geben.
Die Forscher um Gerlach hatten bei ihren Untersuchungen im australischen Great Barrier Reef ein spezielles Equipment verwendet, bei dem Wasser von fünf nahe beieinander liegenden Riffen einströmt. Dabei war es den Fischen möglich, sich ein Riff auszusuchen, zu dem sie schwimmen konnten. Die beforschten Doederlein-Kardinalfische entschieden sich bevorzugterweise für jenes Korallenriff, in dem sie zur Welt kamen.
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