Mechanik mit Molekülen: nanoskalige, einzeln adressierbare Rotoren auf Oberflächen
Durch interdisziplinäre Zusammenarbeit von synthetischen Chemikern der Universität Heidelberg (Prof. Dr. Lutz H. Gade, Anorganisch-Chemisches Institut) und Physikern aus dem Institut für Physik der Universität Basel und dem Paul Scherrer Institut (Drs. Meike Stöhr und Thomas A. Jung und Mitabeitern) ist es gelungen, aus spezifisch hergestellten molekularen Bausteinen größere adressierbare Funktionseinheiten herzustellen.
In die offenen Poren eines selbstorganisierten Perylen-Netzwerkes wurden Porphyrinmoleküle eingepasst, die wie kleine Zahnrädchen aussehen. Die derart „gefangenen“ Moleküle verhalten sich völlig anders als im Festkörper, in der Lösung oder in der Gasphase. Mittels einer Rastertunnelmikroskop-Spitze, die direkt über einem Molekül festgehalten wird, können molekulare Bewegungen als Stromschwankungen registriert werden. Die Moleküle bewegen sich zwischen unterscheidbaren Positionen, und die Drehung Wirtmoleküle wird mit zunehmender Temperatur beschleunigt. Außerdem kann diese Bewegung abgebremst werden, indem die Rastertunnelmikroskop-Spitze in das drehende Molekül 'hineintastet'.
Einzigartig ist die hohe Stabilität des Netzwerkes, das durch eine chemische Reaktion auf der Oberfläche erzeugt wird. Das Bauprinzip der Selbstorganisation erlaubt es, Millionen solcher Drehschalter in der Größenordnung von je einem Nanometer auf einer Oberfläche anzuordnen und mit dem Rastertunnelmikroskop einzeln abzutasten, zu verlangsamen oder anzuregen.
Die Architektur der gefundenen Netzwerke kann flexibel variiert werden: in Nanometer-große, stabile Waben können verschiedene Moleküle eingefügt werden, welche sich dort charakteristisch verhalten. Genau wie Bienenwaben je nach Füllung verschiedene Funktionen erfüllen, lassen sich so ganz neue und je nach eingefügtem Molekül neue und charakteristische Eigenschaften erzeugen. Auf diese Weise können neue Datenspeicher entstehen, aber auch neue optische, chemische oder auch logische Schaltelemente auf Oberflächen erzeugt werden. Die Bedeutung der vorliegenden Arbeit liegt darin, dass Strukturen der supramolekularen Chemie zu adressierbaren und funktionellen Einheiten an Oberflächen weiterentwickelt werden können. Dies ist ein bedeutender Schritt, der künstlich hergestellte nanoskalige Strukturen näher an die sich selbstorganisierenden Systeme der Biologie bringt. Insbesondere sind die hier gezeigten Strukturen ohne Wasser oder andere Lösungsmittel stabil, und daher eher für technologische Anwendungen geeignet.
(„Rotation-libration in a hierarchic supramolecular rotor-stator system: Arrhenius activation and retardation by local interaction“ von Markus Wahl, Meike Stöhr, Hannes Spillmann, Thomas A. Jung, Lutz H. Gade in Chem. Commun. 2007 DOI 10.1039/b700909g)
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