Der lichtgesteuerte Fadenwurm – Einblicke in das Nervensystem von Caenorhabditis elegans
Trotz seines schlichten Aufbaus registriert der Wurm Geschmack, Gerüche und die chemische Zusammensetzung seiner Umgebung, er reagiert auf mechanische Reize und Temperaturschwankungen. Dafür sind ganze Funktionseinheiten von Nervenzellen verantwortlich, die sich untereinander zu kleineren „Subschaltkreisen“ und größeren Organisationseinheiten zusammenschließen. Juniorprofessor Dr. Alexander Gottschalk vom Institut für Biochemie an der Universität Frankfurt ist es nun gelungen, buchstäblich Licht in das Dunkel zu bringen, indem er das Nervensystem des Wurms durch genetische Veränderungen für Lichtreize empfindlich machte. Die „Optogenetik“ ist von großem neurowissenschaftlichem Interesse – nicht zuletzt zur Heilung bestimmter Erkrankungen der Retina, die bisher unweigerlich zur Erblindung führen.
Der Fadenwurm ist zu klein, um einzelne Nervenzellen von außen mit Hilfe elektrischer Reizung über eine Elektrode anzuregen. Gottschalk machte deshalb eine genetische Anleihe bei der Grünalge, deren lichtempfindliches Ionenkanal-Protein (Channelrhodopsin, ChR2) von seinen Kollegen am Frankfurter Max Planck Institut für Biophysik (Georg Nagel, Ernst Bamberg) schon seit längerem erforscht wird. Es funktioniert ähnlich wie die Lichtsensor-Proteine im Auge, die durch einfallendes Licht zur Reizleitung in den dazugehörigen Nervenzellen angeregt werden. Der Fadenwurm C. elegans besitzt von Natur aus keine lichtempfindlichen Zellen. Da das Tier aber durchsichtig ist, bot es sich an, es mit dem Gen der Blaualge auszustatten und dann zu beobachten, wie bestimmte Nerven- oder Muskelzellen auf Lichtreizung reagieren.
Wird das Gen für ChR2 in Nervenzellen eingebaut, die normalerweise auf mechanische Reize reagieren – beispielsweise eine Fluchtreaktion bei Berührung auslösen – so konnten Gottschalk und seine Mitarbeiter zeigen, dass dieses Verhalten auch durch die Beleuchtung mit blauem Licht hervorgerufen wird: Der Wurm zieht sich zurück. In Muskelzellen führt die Aktivierung von ChR2 zu sofortigen Kontraktionen. Das umgekehrte Verhalten, nämlich die Entspannung der Muskelzellen, konnten die Forscher durch den Einbau eines anderen photo-sensitiven Proteins erreichen, einer lichtgetriebenen Chlorid-Pumpe (Halorhodopsin), das auf gelbes Licht reagiert. Ebenso funktioniert dies auch in Nervenzellen. Dies berichten Gottschalk (sowie Nagel und Bamberg) und ihre amerikanischen Kollegen von der Stanford University im kalifornischen Palo Alto in der neusten online-Ausgabe der Zeitschrift „Nature“ (5. April).
Dies eröffnet die Möglichkeit, eine Nervenzelle, die beide Proteine gleichzeitig enthält, durch abwechselnde Beleuchtung mit blauem und gelbem Licht nach Belieben anzuregen oder zu hemmen. Auf diese Weise können die Forscher nun Teile von Nervenschaltkreisen des Fadenwurms bis hinab zu einzelnen Zellen präzise steuern und ihr Zusammenspiel erforschen.
Informationen: JP Alexander Gottschalk, Institut für Biochemie,
Max-von-Laue-Str. 9, 60438 Frankfurt. Tel.: (069) 798-29261,
Fax: (069) 798-29495, a.gottschalk@em.uni-frankfurt.de
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