Farm für Mikroorganismen: TU-Chemiker stellen Kunststoffe aus Abfällen her

Der weltweit führende Chemie-Konzern BASF stellt den Wissenschaftern nun eine neue Anlage zur Verfügung, mit der die Forscher wissenschaftlich neue Wege beschreiten und besser Einfluss auf die Qualität des Materials nehmen können.

Vom Kaffeebecher bis zum Plastiksackerl können Biokunststoffe heute schon Materialien aus Erdöl teilweise ersetzen. Hergestellt werden die Produkte aus natürlichen Stämmen von Mikroorganismen aus nachwachsenden Rohstoffen, für die sonst kaum Verwendung besteht oder die als Abfälle anfallen.

„Unsere neue Anlage funktioniert wie eine 'Farm' für Mikrooganismen. Wir halten die Bakterien quasi als Mini-Nutztiere für die Produktion von biologischem Kunststoff“, erläutert Projektleiter Gerhart Braunegg, „Kopf“ der Arbeitsgruppe Angewandte Physiologie. Zuerst müssen die Bakterien allerdings hungern, damit sie bereit sind, andere Nährstoffe als Reserve aufzunehmen: „Wie der Mensch sich in Zeiten knapper Nahrungszufuhr Fettreserven ansammelt, legen die Mikrooganismen Biopolyester als Speicher an“, verdeutlicht Braunegg.

Als „Futter“ bekommen die Bakterien industrielle Abfallprodukte wie etwa Molke, die in Käsereien tonnenweise übrig bleibt. In der neuen, österreichweit einzigartigen Anlage sind mehrere Bioreaktoren, also Behälter, in denen die Mikroorganismen leben, miteinander verbunden. Die Forscher können so auf die einzelnen Stufen im Prozess Einfluss nehmen und damit die Qualität der Materialeigenschaften steuern.

Kunststoff am Komposthaufen

Werden biologische abbaubare Kunststoffe selbst zu Abfall, so verrotten sie innerhalb einiger Wochen und könnten daher sogar am Komposthaufen bedenkenlos entsorgt werden. „Damit entsteht ein natürlicher Kreislauf, in dem die Kohlendioxid-Bilanz theoretisch völlig ausgeglichen ist“, erklärt Braunegg. Vision der Forscher ist, dass Unternehmen die Erkenntnisse direkt im Produktionsprozess integrieren, wo der Abfall anfällt: „Wir wollen den perfekten biotechnologischen Prozess finden, um Biokunststoffe herzustellen. Die Produktion selbst bleibt Aufgabe der Industrie und sollte idealerweise direkt beim Unternehmen stattfinden.“ Ausgangspunkt der Arbeiten der Grazer Forschergruppe war die im Jahr 2000 von Braunegg mitbegründete, preisgekrönte „Task Force Tiermehl“ an der TU Graz: Die TU-Wissenschafter entwickelten anlässlich der BSE-Debatte Verfahren, mit denen Tiermehl und Schlachtabfälle zu Kunststoffen verarbeitet werden können.

Rückfragen:
Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. tit.Univ.-Prof. Gerhart Braunegg
Institut für Biotechnologie und Bioprozesstechnik
Email: g.braunegg@TUGraz.at
Tel: +43 (0) 316 873 8412

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Alice Senarclens de Grancy idw

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