Das große Krabbeln. Zoologen interessieren sich für die städtische Unterwelt und erforschen die Arbeit von Bodentieren
Die Biologin Silvia Pieper schätzt, dass pro Quadratmeter und bis ungefähr 20 Zentimeter Tiefe mehrere Zehntausend Bodentiere leben. Die einzelnen Bewohner sind für Bodenzoologen meist alte Bekannte. Aber „über das, was die Tiere speziell in Städten mit dem Boden machen, gab es bisher so gut wie keine Erkenntnisse“, sagt Pieper. Gemeinsam mit Professor Gerd Weigmann, Leiter der Arbeitsgruppe Bodenzoologie und Ökologie an der Freien Universität Berlin, hat sie das Teilprojekt „Fauna“ des Forschungsprogramms „Interurban“ der Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) zur Wasser- und Stoffdynamik urbaner Standorte bearbeitet.
Springschwänze, Asseln, Milben und Würmer zerkleinern und verdauen herabgefallene Blätter, durchmischen mit ihren Bewegungen den Boden und liefern Bakterien und Pilzen Nahrung. Diese Mikroorganismen schließen wiederum die organische Substanz so auf, dass sie von Pflanzenwurzeln aufgenommen werden kann. Doch Städte sind ein schwieriges Pflaster. Es landen mehr Luftschadstoffe auf dem Boden und die Wasserverteilung zwischen bebauten und offenen Flächen ist extrem unterschiedlich. Vor allem müssen sich die Bodentiere mit stark zergliederten Lebensräumen arrangieren, die durch unsere Freizeitaktivitäten, etwa in den Stadtparks, verdichtet sind. Den Wissenschaftlern ging es daher um die Frage, ob die Tiere unter urbanen Bedingungen überhaupt noch ihre ökologisch wichtigen Funktionen erfüllen können.
Sechs Jahre wurde die Arbeit der Bodentiere im Freiland und im Labor untersucht. Im Berliner Tiergarten wurde beobachtet, wie schnell die Streu besiedelt und dann abgebaut wird. Für die Versuche unter Laborbedingungen wurden in speziellen Behältern Miniökosysteme konstruiert, die es den am Interurban-Projekt beteiligten Arbeitsgruppen erlaubten, ihre Messungen vorzunehmen. In ihnen wurden die Prozesse des Tiergartenbodens sehr realistisch simuliert, inklusive Beregnung; die größeren von ihnen erhielten sogar eine Bepflanzung mit der Grassorte „Tiergartenmischung“. Als Vergleichsboden dienten Proben aus den ehemaligen Rieselfeldern in Buch – ein extrem unwirtlicher Ort. Bis 1984 wurde hier mit Schadstoffen gesättigtes Abwasser verrieselt und nur einzelne Bodentiere wagten sich daran.
„Wir waren wirklich überrascht, wie deutlich die Bodenfauna ihre städtischen Lebensräume beeinflusst“, berichtet Silvia Pieper über die Ergebnisse der Studie. So wird die Streu in besiedelten Böden etwa doppelt so schnell abgebaut und allein 30 Prozent des Stickstoffumsatzes, wichtig für die Pflanzenernährung, gehen auf das Konto der Bodenfauna. Im Labor reichten bereits wenige Springschwänze, um die verfügbare Menge des Nährstoffs Kalzium in den Miniökosystemen um 40 Prozent zu erhöhen. Die Nährstoffe des Tiergartens werden durch die Aktivitäten von Springschwanz und Co. für alle Organismen gut erreichbar und Wasser bleibt über längere Zeit in der Erde. So können vorübergehende „Durststrecken“ überbrückt werden. Insgesamt erhalten und fördern Bodentiere also die Fruchtbarkeit auch städtischer Böden. Für die Erholung des Menschen ist das zwar auf den ersten Blick unerheblich, doch auch Liegewiesen und Parks geht es mit einem intakten Bodenleben besser.
Von Matthias Manych
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Prof. Dr. Gerd Weigmann, Leiter der Arbeitsgruppe Bodenzoologie und Ökologie an der Freien Universität Berlin, Tel.: 030 / 838-53885, E-Mail: weigmann@zedat.fu-berlin.de
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