Steuerung der inneren Uhr durch Licht – der Jetlag und unsere Gene

Ein inneres Uhrwerk sorgt in uns allen dafür, dass wir tagsüber wach sind und nachts schlafen, und das Tag für Tag im gleichen Rhythmus. Diese sog. „zirkadiane“ Uhr (vom Lateinischen „circa“ – ungefähr – und „dies“ – der Tag) hat zwei besonders wichtige Eigenschaften: Sie folgt einem exakten inneren Rhythmus und ist durch Zeitgeber von außen verstellbar. Bei den meisten Pflanzen und Tieren ist Licht das wirksamste Signal zur Anpassung der zirkadianen Uhr an die „externe“ Zeit. Das wird z.B. beim Jetlag offenkundig: Auf Flugreisen nach Osten oder Westen verschiebt sich der Tag-Nacht-Rhythmus der Umgebung. Am Zielort angekommen, kann man an sich selbst beobachten, wie sich die eigene innere Uhr über ein paar Tage hin an den neuen Rhythmus anpasst. Dies geschieht primär durch den Einfluss von Licht.

Um die direkte Wirkung von Licht auf die innere Uhr zu erforschen, setzt man den Organismus kurz einem Lichtpuls aus und studiert dann, wie sich der Schlaf-/ Wachrhythmus am Tag darauf verschiebt, z.B. an Mäusen. Mäuse sind in der Nacht besonders aktiv und mögen es, wenn sie dann in einem Laufrad rennen können. Die Forschung macht sich das zunutze, indem sie die Umdrehungen des Laufrades über Tage und Wochen hin aufzeichnet. So erkennt man, dass die Nager beim Einbruch der Dunkelheit zu laufen beginnen und in den frühen Morgenstunden ruhen. Wenn man nun nur ein einziges Mal zu Beginn der Nacht einen 20-minütigen Lichtpuls gibt, kann man beobachten, dass sich der Aktivitätsrhythmus abrupt verschiebt. Am nächsten Tag beginnt das Tier etwa eine Stunde später zu laufen: Die innere Uhr wurde zurückgestellt.

Wie funktioniert das? Schon einige Zeit ist bekannt, dass die zirkadiane Uhr durch Uhrengene und deren Proteine gesteuert wird. Ein Schlüsselprotein ist dabei das „PERIOD2“-Protein (PER2). Die Menge von PER2 im Nucleus Suprachiasmaticus (SCN) – einem winzigen Kern im Gehirn und Sitz der zirkadianen Zentraluhr bei Säugetieren – nimmt im Laufe des Tages zunächst zu. Wie alle Proteine befindet sich das neu produzierte PER2 zunächst im Zellplasma. Wenn es allerdings in großen Mengen vorliegt, dringt PER2 auch in den Zellkern ein und schaltet dann dort sein eigenes Gen ab. Dieser als negative Rückkopplung bezeichnete Prozess bewirkt einen selbstregulierenden Rhythmus der PER2-Produktion im SCN, eine Art molekularer Oszillator im 24-Stunden-Takt, ein zelluläres Uhrwerk. Darüber hinaus ist PER2 auch in die Lichtregulation der zirkadianen Uhr eingebunden. Es wurde z.B. beobachtet, dass Licht den Transkriptionsfaktor „CREB“ aktiviert, der dann an die Kontrollregion des Per2-Gens bindet und dadurch dessen Aktivierung bewirkt, d.h. neues PER2-Protein wird produziert.

In der jetzt publizierten Arbeit konnten konnten Gregor Eichele und Mitarbeiter zeigen, dass es noch mindestens einen weiteren Mechanismus gibt, über den ein Lichtpuls die innere Uhr verstellen kann. Vladia Jakubcakova, Wissenschaft-lerin in Prof. Eichele's Abteilung, konnte zeigen, dass Licht zu einer vorübergehen-den Bindung des PER2-Proteins an die Proteinkinase C alpha (PRKCA) im Zellplasma führt. Als Folge dieser Komplexbildung wird die negative Rückkopplung verstärkt, die Uhr dadurch vorübergehend verlangsamt und so der Rhythmus ebenfalls nach hinten verschoben.

Wie kamen die Wissenschaftler zu dieser Schlussfolgerung? In Proteinextrakt aus der SCN-Zentraluhr findet man normalerweise nur geringe Mengen des PER2/PRKCA-Proteinkomplexes. Wenn man aber im SCN einer Maus nachschaut, die vor kurzem einem Lichtpuls ausgesetzt war, kann man eine deutliche Zunahme an PER2/PRKCA-Proteinkomplexen feststellen. In Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Erasmus-Universität in Rotterdam, Niederlande, konnten Gregor Eichele und Mitarbeiter zeigen, dass die PRKCA das PER2-Protein im Zellplasma zurückhält und es zusätzlich stabilisiert. Dadurch bildet sich nach einem Lichtpuls vorübergehend ein erhöhter Vorrat an stabilisiertem PER2 im Zellplasma. Die negative Rückkopplung durch in den Zellkern fließendes PER2 wird dadurch verzögert – und hält danach dann länger an, da ja durch die vorübergehende Interaktion mit PRKCA der Vorrat an PER2 im Zellplasma vergrößert wurde. Dadurch wird das Uhrwerk velangsamt und der nächste „innere Tag“ beginnt etwas später.

Dass es genaue und synchronisierbare innere Uhren gibt, die von komplexen Regelwerken gesteuert werden, ist eine spannende Angelegenheit, die zu erforschen sich lohnt. Aber man kann auch über mögliche Anwendungen aus diesen Befunden spekulieren. So könnten Substanzen, die die Proteinkinase C alpha blockieren, dabei helfen, die Lichtsteuerung des zirkadianen Uhrwerks abzuschwächen, die beim Jetlag die innere Uhr „aus dem Takt“ bringt.

Weitere Informationen:
Prof. Gregor Eichele, Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie, Abteilung Gene und Verhalten, 37070 Göttingen, Tel.: 0551 201 -2700, Fax: -2705, eMail: gregor.eichele@mpibpc.mpg.de

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Dr. Christoph Nothdurft idw

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