Rost als High-Tech-Katalysator
Die Entwicklung von nachhaltigen, effizienten und selektiven Synthesewegen ist ein wesentliches Ziel aktueller und zukünftiger Forschung in der Chemie. Dabei kommt dem Einsatz von Katalysatoren eine Schlüsselrolle zu. Etwa 80% aller chemischen und pharmazeutischen Produkte – bei den modernen Verfahren sind es fast 90% – werden mittels Katalysatoren hergestellt.
Katalysatoren sind in kleinen Mengen eingesetzte Hilfsmittel, die fast alle Arten von chemischen und biologischen Reaktionen beschleunigen. Gleichzeitig lenken sie das Reaktionsgeschehen in Abhängigkeit von ihrem Aufbau gezielt in eine erwünschte Richtung. Unerwünschte Nebenreaktionen werden minimiert (Verbesserung der Selektivität). Besonders metallorganische Katalysatoren – bei denen organische Substanzen durch Bindungen an Metallzentren aktiviert werden – sind heute zu einem etablierten Werkzeug der Synthesechemie geworden. Sie erlauben die effiziente Herstellung von pharmazeutisch bedeutsamen Wirkstoffen, Zwischenprodukten für Fein- und Agrochemikalien, Polymeren sowie neuer Materialien.
In den vergangenen Jahrzehnten sind effiziente Katalysatoren insbesondere auf Basis von Edelmetallen wie Palladium, Rhodium, Iridium und Ruthenium entwickelt worden. Die vergleichsweise begrenzte Verfügbarkeit (10-7-10-6% Gewichtsanteil in der Erdrinde) und der damit einhergehende hohe Preis sowie die teilweise erhebliche Toxizität dieser Metalle machen es aus ökologischer und ökonomischer Sicht wünschenswert, nach alternativen umweltfreundlicheren Katalysatoren zu suchen. Eine Lösung dieses Problems könnte der vermehrte Einsatz von häufiger vorkommenden Metallen, speziell des Eisens, als Katalysator sein. Mit einem Gewichtsanteil von 4,7% ist Eisen nach Aluminium das zweithäufigste Metall in der Erdrinde. Viele Eisensalze sowie Eisenkomplexe sind in großen Mengen und zu niedrigen Kosten kommerziell verfügbar bzw. leicht zu synthetisieren.
Eisenverbindungen sind außerdem meist wesentlich umweltfreundlicher als die etablierten Katalysatormetalle und zeichnen sich durch eine geringere Toxizität aus. Gediegenes Eisen ist seit ca. 6000 Jahren als Meteoreisen bekannt. Die Menschheit verfügt schon seit ca. 3000 Jahren v. Chr. über das know how, elementares Eisen durch Erhitzen von Eisenerzen mit Kohle zu gewinnen.
Auch in vielen biologischen Systemen – so auch im menschlichen Körper – ist Eisen ein essentielles Zentralelement. Es ist unter anderem in Proteinen wesentlich am Transport und Metabolismus kleiner Moleküle (Sauerstoff, Stickstoff, Stickoxide, Methan etc.) beteiligt. So kann sich Eisenmangel (Eisenmangelanämie) auf das körperliche Befinden von Menschen sehr negativ auswirken. Trotz der langen Historie und der offensichtlichen Vorteile des Elementes Eisen und seiner Verbindungen ist überraschenderweise die Katalysechemie mit diesem Metall vergleichsweise unterentwickelt bzw. wenig untersucht.
Aktuelle Entwicklungen am Leibniz-Institut für Katalyse (LIKAT) in Rostock zeigen, dass Eisenverbindungen auch Oxidationsreaktionen – eine in der Chemie sehr häufige und wichtige Reaktionsart – positiv beeinflussen. So bewirken Eisen-basierte Katalysatoren signifikante Quantensprünge in der Synthese- und Katalysechemie. Dem Arbeitskreis um Prof. Matthias Beller, dem Direktor des LIKAT, gelang es nano-strukturierte Eisenoxide als selektive und einfach wieder verwendbare Katalysatoren einzusetzen. Einen weiteren Vorteil der neuen Katalysatoren erläutert Beller so: „Katalysatoren sind Hilfsmittel, die im Idealfall nach Reaktionsablauf unverbraucht vorliegen, oft ist die Abtrennung von den Produkten ein schwer zu lösendes Problem, nicht so bei den Eisenkatalysatoren. Hier kann man sich der magnetischen Eigenschaften des Eisens bedienen.“
Beller macht außerdem auf einen weiteren Erfolg aufmerksam: „Um ein weiteres, seit langem offenstehendes Ziel in der Oxidationschemie zu lösen, haben wir Eisenchlorid in Kombination mit Diaminliganden eingesetzt und konnten so ungewöhnlich hohe Enantioselektivitäten bei sogenannten Epoxidierungen erreichen.“ Weiter erläutert Beller: „Enantioselektivität – ein schwieriges Wort – was dahintersteht umgibt Mensch und Tier – die gesamte Natur. Diese setzt sich sehr oft aus Bild und Spiegelbild zusammen – so sind unsere rechte und unsere linke Hand im Idealfall wie Bild und Spiegelbild – sehr ähnlich aber nicht gleich. Oft ist es wichtig nur das Bild oder das Spiegelbild – eines der beiden Enantiomere – beispielsweise für ein Medikament – zu erhalten. Unserer relativ einfachen Eisenkomplexe bewirken genau dies in bestimmten chemischen Abläufen.“
Preiswerter und umweltschonender – durch die neuen Arbeiten der Rostocker Forscher kommt die Chemie diesem Anspruch wieder ein großes Stück näher.
Kontakt:
Prof. Dr. Matthias Beller
Leibniz-Institut für Katalyse e.V.
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18055 Rostock
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Dr. Barbara Heller
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