Der schnellste Laufroboter der Welt lernt Bergsteigen
Er ist der schnellste seiner Art, inzwischen kann er aber auch Gipfel stürmen: RunBot, unter allen dynamischen Maschinen der Weltrekordhalter im Schnellgehen, hat sein Repertoire erweitert. Mit einem Infrarot-Auge erkennt der Laufroboter, ob eine Steigung vor ihm liegt und passt seine Gangart bergauf punktgenau an. Ganz wie ein Mensch lehnt er seinen Oberkörper nach vorne und macht kleinere Schritte.
Ein Wissenschaftlerteam unter der Leitung von Prof. Dr. Florentin Wörgötter hat die neuronalen Grundlagen dieser Anpassungsleistung mit Hilfe eines „lernenden“ Bewegungsprogramms simuliert. Die Ergebnisse dieser Forschungen am Bernstein Zentrum für Computational Neuroscience an der Universität Göttingen präsentiert PLoS Computational Biology in seiner Online-Ausgabe vom 13. Juli 2007.
Der menschliche Gang ist ein Wunderwerk an Koordination. Der Winkel der Kniegelenke, die Geschwindigkeit des Hüftschwungs, der Schwerpunkt des Oberkörpers und viele andere Elemente der Bewegung müssen genau aufeinander abgestimmt sein. Dabei passt sich Mensch verschiedenen äußeren Gegebenheiten an. Auf Eis läuft er anders als auf festem Boden, bergauf anders als bergab. „Die Fähigkeit des Roboters, ohne zu stolpern blitzartig von Gangart zu Gangart umzuschalten, basiert auf der hierarchischen Organisation der Bewegungssteuerung, wie sie ähnlich auch beim Menschen erfolgt“, erläutert Prof. Wörgötter. Auf den unteren Hierarchiestufen wird der Bewegungsablauf durch periphere Sensoren reflexartig vorangetrieben. Regelkreise sorgen dafür, dass Gelenke nicht überstrecken, andere leiten den nächsten Schritt ein sobald der Fuß aufsetzt.
Erst wenn die Gangart angepasst werden muss, greifen höhere Organisationsebenen ein: Beim Menschen ist es das Gehirn mit der Interaktion seiner stark vernetzten Neuronen. Beim Laufroboter löst das Signal des Infrarot-Auges diesen Anpassungsprozess über ein – allerdings sehr viel einfacher strukturiertes – computerbasiertes neuronales Netzwerk aus. Die hierarchische Organisation der Bewegungssteuerung macht es dabei möglich, die Umstellung der Gangart durch die Verschiebung einiger weniger Parameter zu erreichen – die restlichen Größen passen sich durch die autonomen Regelkreise automatisch an. Beim ersten Versuch, einen Berg zu erklimmen, kippt RunBot rückwärts um. Noch hat er nicht gelernt, auf das, was sein „Auge“ wahrnimmt, mit einem veränderten Bewegungsprogramm zu reagieren. Ähnlich aber wie Kinder lernt RunBot aus seinen Stürzen; auf diese Weise wird die neuronale Verschaltung zwischen Auge und Bewegungssteuerung ausgebaut. Erst wenn diese Verbindung vorhanden ist, sind Schrittlänge und Körperhaltung durch das visuell ausgelöste Signal kontrollierbar. Bei einem steilen Berg wird das Bewegungsprogramm des Laufroboters stark, bei einem flachen Berg nur ein wenig umgestellt.
Informationen im Internet sind unter
http://www.bccn-goettingen.de/Groups/GroupCN
abrufbar.
Originalveröffentlichung:
Manoonpong P, Geng T, Kulvicius T, Porr B, Wörgötter F (2007) Adaptive, fast walking in a biped robot under neuronal control and learning. PLoS Comput Biol 3(7): e134. doi:10.1371/journal.pcbi.0030134
Kontakt:
Prof. Dr. Florentin Wörgötter
Bernstein Center for Computational Neuroscience (BCCN) Goettingen
Bunsenstrasse 10
37073 Göttingen
Germany
Tel: 0551-5176-528
Email: worgott @ bccn-goettingen.de
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie
Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.
Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.
Neueste Beiträge
Spitzenforschung in der Bioprozesstechnik
Das IMC Krems University of Applied Sciences (IMC Krems) hat sich im Bereich Bioprocess Engineering (Bioprozess- oder Prozesstechnik) als Institution mit herausragender Expertise im Bereich Fermentationstechnologie etabliert. Unter der Leitung…
Datensammler am Meeresgrund
Neuer Messknoten vor Boknis Eck wurde heute installiert. In der Eckernförder Bucht, knapp zwei Kilometer vor der Küste, befindet sich eine der ältesten marinen Zeitserienstationen weltweit: Boknis Eck. Seit 1957…
Rotorblätter für Mega-Windkraftanlagen optimiert
Ein internationales Forschungsteam an der Fachhochschule (FH) Kiel hat die aerodynamischen Profile von Rotorblättern von Mega-Windkraftanlagen optimiert. Hierfür analysierte das Team den Übergangsbereich von Rotorblättern direkt an der Rotornabe, der…