Neue Pflanzen in Peru und Ekuador entdeckt
Flora und Vegetation der Amotape-Huancabamba-Zone in den Anden.
Die Flora der meisten tropischen Regionen ist noch immer sehr wenig erforscht. Die Andenkette in Südamerika etwa beheimatet eine sehr reiche, aber auch wenig bekannte Flora. Ein besonders augenfälliges Beispiel hierfür ist in der Region an der Grenze zwischen Peru und Ekuador zu finden. Forschungen vor Ort haben ein große Anzahl von neuen Entdeckungen für die Wissenschaft mit sich gebracht: Augenfälligstes Resultat der jahrelangen Forschungsarbeit ist die Entdeckung zahlreicher unbekannter Pflanzenarten aus unterschiedlichen Familien. Die betreffende Region zwischen Peru und Ekuador, die „Amotape-Huancabamba-Zone“, die von der Pazifikküste über Hochgebirge von über 4.000 Meter bis hinüber auf die Hänge der Ostanden reicht, kann klar abgegrenzt werden gegenüber den südlich bzw. nördlich gelegenen Andenbereichen. In dieser Region liegen für viele Pflanzen- und Tierarten die Nord- bzw. Südgrenzen ihrer Verbreitung, so dass spekuliert wird, dass die Unterbrechung der Anden an dieser Stelle die Wanderungsbewegung von Pflanzen und Tieren einschränken würde. Dieser Hypothese ist der Botaniker Dr. Maximilian Weigend nachgegangen. Er kann bestätigen, dass sich keine klare Grenze zwischen der Flora der Nord- und der Zentralanden zu finden ist.
Auf verschiedenen Forschungsreisen in den Anden Perus und Ekuadors, aber auch Venezuelas, Chiles und Argentiniens, und anhand des in wissenschaftlichen Sammlungen vorliegenden Materials, hat Dr. Maximilian Weigend die bestehende Hypothese um die Amotape-Huancabamba-Zone untersucht. Sein Hauptaugenmerk lag dabei auf der Dokumentation des Vorkommens ausgewählter artenreicher Pflanzengruppen. Es bot sich die genaue Untersuchung der Verbreitungsmuster und Ökologie der Familie der Loasaceae (Blumennesselgewächse, ca. 160 andine Arten), der Gattung Ribes (Johannisbeeren, ca. 40-50 andine Arten) und der Passiflora lobbii-Gruppe (eine kleine Gruppe innerhalb der Passionsblumen, zehn andine Arten) an. Interessiert hat ferner, ob die Unterbrechung der Andenkette tatsächlich eine biogeographische Grenze darstellt und welche Diversitätsmuster sich erkennen lassen.
Die Daten ergaben sehr eindeutige Muster: Die Amotape-Huancabamba-Zone hat eine deutlich höhere Biodiversität als die nördlich und südlich davon gelegenen Andenbereiche. Die Artenzahl pro Fläche beträgt hier das Sechs- bis Achtfache. Es gibt Verwandtschaftkreise, z.B. in der Gattung Nasa (Loasaceae), die weitgehend oder vollständig auf diese Region beschränkt sind. Auch eine Gruppe innerhalb der Johannisbeeren, die Artgruppe um Ribes andicola, ist mit drei ihrer fünf Arten auf die Amotape-Huancabamba-Zone beschränkt. Die anderen beiden Unterarten sind dahingegen in Ekuador, Kolumbien und Venezuela weit verbreitet. Die Artenzahl pro Fläche in der Amotape-Huancabamba-Zone ist also sehr hoch im Vergleich zu anderen Regionen. Über die Flora allerdings ist bisher besonders wenig bekannt.
Die umfangreichen Feldstudien führten zur Entdeckung zahlreicher für die Wissenschaft neuer Pflanzenarten: fünf neue Arten der Johannisbeeren, fünf neue Arten von Passionsblumen, mindestens 15 neue Arten von Blumennesselgewächsen. Oberflächliche Untersuchungen an anderen Pflanzengruppen deuten darauf hin, dass die hohe Anzahl neuer und unbeschriebener Arten in dieser Region in keiner Weise auf die drei untersuchten Pflanzengruppen beschränkt ist, sondern zumindest auch auf andere Familien, wie etwa die Enzian- und Heidekrautgewächse, zutrifft.
Die Annahme, dass eine klare Grenze zwischen der Flora der Nord- und der Zentralanden zu finden sei, bestätigte sich nicht: Die eigentliche Unterbrechung der Andenkette liegt auf der Höhe des Abra de Porculla und des Tales des Río Chamaya. Die meisten Pflanzenarten haben aber nicht hier ihre Verbreitungsgrenze, sondern sie überqueren diese geographische Grenze und finden sich auf beiden Seiten. In der Amotape-Huancabamba-Zone besteht ein breiter Korridor, wo sich Pflanzengruppen der Nord- und der Zentralanden treffen, wobei die Arten aus den feuchteren Nordanden zumeist auch hier in feuchteren, geschützteren Lebensräumen (z.B. in Nebelwaldresten) zu finden sind. In den trockeneren und ausgesetzteren Lebensräumen dominieren die Arten aus den trockeneren Zentralanden. Ein Teil der hohen Biodiversität der Amotape-Huancabamba-Zone kann also zum ersten Male erklärt werden: Die Region bietet ein Mosaik aus unterschiedlichen Lebensräumen, die die Überlappung der Floren zweier unterschiedlicher Zonen erlaubt.
Dies erklärt nicht alleine die hohe Artenzahl: In einem einzelnen Reliktwald von rund 200 Hektar in dieser Region fanden die Botaniker insgesamt fünf endemische, d.h. nur in diesem Wald vorkommende Arten. Diese Blumennesselgewächse waren bisher alle unbekannt. Eine Erklärung hierfür ist die starke ökologische Einnischung der einzelnen Arten. Umfangreiche morphologische und blütenbiologische Untersuchungen haben gezeigt, dass die einzelnen Arten meist ganz unterschiedliche Lebensansprüche haben. So sind manche Arten mit unterirdischen Speicherorganen ausgestattet, die es ihnen erlauben, trockene Perioden zu überleben. Andere Arten sind kurzlebig und absolvieren ihren ganzen Lebenszyklus vom Samen zur reifen Frucht innerhalb der kurzen Regenzeit. Da verwandten Pflanzenarten, die im gleichen Lebensraum wachsen, meist von unterschiedlichen Tieren (etwa Holzbienen, Seidenbienen, Fliegen und Kolibris) bestäubt werden, stehen sie aufgrund ihrer starken Spezialisierung nicht in der Konkurrenz um Standorte oder Bestäuber. Auch haben es in der Amotape-Huancabamba-Zone einige Pflanzengruppen geschafft, in für sie eigentlich untypische Lebensräume vorzudringen: Blumennesselgewächse fehlen im allgemeinen in ganz Südamerika in den regengrünen Tropenwäldern, nur hier in der Amotape-Huancabamba-Zone ist es immerhin drei Arten gelungen, diesen Lebensraum zu besiedeln.
Die Amotape-Huancabamba-Zone ist eine Region, in der ungewöhnlich viele Arten entstanden sind und sehr aktive Evolutionsprozesse ablaufen. Darüber hinaus finden sich hier eigenständige und sehr alte Entwicklungslinien in den einzelnen Pflanzenfamilien, so z.B. die Gattung Xylopodia (Holzfuß) in den Blumennesselgewächsen. Sie stellt die wahrscheinlich ursprünglichste Gattung innerhalb der Familie dar und wurde von dem Team um Dr. Weigend 1997 zufällig an einem Straßenrand entdeckt. Es ist anzunehmen, dass diese alten Entwicklungslinien früher weiter verbreitet waren und anschließend in den anderen Regionen ausgestorben sind. Die Amotape-Huancabamba-Zone kann deshalb als Kreissaal und als Altersheim für die Flora der Anden betrachtet werden.
Literatur:
Maximilian Weigend, „Observations on the phytogeography of the Amotape-Huancabamba Zone in northern Peru“, in: K. Young, Biodiversity and Endemism in the Andes, 16th IBC Congress Volume (im Druck)
Weitere Informationen erteilt Ihnen gern:
Dr. Maximilian Weigend, Institut für Biologie (Systematische Botanik und Pflanzengeographie) der Freien Universität Berlin, Altensteinstr. 6, 14195 Berlin, Tel.: 030 / 838-56511, E-Mail: weigend@zedat.fu-berlin.de
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