Wissenschaft im Watt

Hinter zwei Deichen liegt die Station mit dem traditionellen friesischen Walnussbaum auf dem Hof. Foto: bn


Meeresbiologische Station der Universität Münster in Carolinensiel bietet bessere Arbeitsbedingungen

Biologen der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster erforschen nicht nur die heimatlichen Rieselfelder, ein Schwerpunkt des Fachbereichs ist auch die Meeresforschung in ihren unterschiedlichen Ausprägungen. Hilfreich dabei ist die eigene Wattstation in Carolinensiel, nördlichster Außenposten der Universität Münster, die nach Umbau und Erweiterung jetzt deutlich verbesserte Arbeitsbedingungen für Wissenschaftler und Studierende bietet.

Die Universität kaufte das Gelände 1970 und baute 1972 die erste Wattstation für zehn Personen. Nach einer ersten Hoch-Zeit der Station in den 70er Jahren platzte die Station in den 80er Jahren aus allen Nähten, als sich die Universität am Verbundprojekt „Ökosystemforschung Wattenmeer“ beteiligte. Als Mitte der 80er Jahre der „Nationalpark Wattenmeer“ eingerichtet wurde, fand sich die Station plötzlich in der am intensivsten geschützten Zone wieder und damit vom direkten Zugang zum Meer abgeschnitten. Inzwischen erfreut sich das Gebäude wieder steigender Beliebtheit, sowohl bei Universitätsangehörigen wie auch bei Gastwissenschaftlern, erläutert Dr. Hans Ulrich Steeger vom Institut für Zoophysiologie der Universität Münster, der die Wattstation verwaltet.

Durch einen Anbau wurde vor zwei Jahren Raum geschaffen, um auch gegenläufige Interessen befriedigen zu können, und außerdem die veraltete Geräteausstattung auf den neuesten Stand gebracht. Zum Beispiel die Meerwasseranlage, notwendig, um die gesammelten Proben aus dem Watt adäquat lagern zu können. Im neu ausgehobenen Keller stehen acht 650 Liter Wasser fassende Tanks, durch die das mit künstlichen Meersalzen angereicherte Wasser immer wieder gepumpt, gereinigt und auf eine der Nordsee entsprechende Temperatur gebracht wird. Die alte Anlage, in der Garage auf dem Hof untergebracht, konnte vor allem im Sommer das Wasser nicht genug herunterkühlen, was Kleintieren und Pflanzen nicht eben gut tat. Auch ein Nasslabor hat den Komfort wesentlich erhöht: So müssen jetzt die schlammspritzenden Eimer mit den Proben nicht mehr durch das ganze Haus geschleppt werden, sondern können bequem im gekachelten Raum aufbereitet werden.

Von Luxus ist die Station allerdings immer noch weit entfernt. So werden beispielsweise vier Studierende auf zusammen gut zwölf Quadratmetern untergebracht. Die Jugendherbergs-Betten stammen noch aus der Erstausstattung, aber immerhin konnten inzwischen neue Matratzen angeschafft werden. Selbstversorgung ist nicht nur in der Küche, sondern auch im Labor angesagt, denn Spezialgeräte, wie besonders hochauflösende Mikroskope, müssen die einzelnen Gruppen selber mitbringen.

Hier geht es nicht einfach nur darum, dass die Studierenden lernen, wie sie Wasserproben filtrieren oder Bakterienrasen auf Nährböden zum Wachsen bringen: „Wir wollen vor allem ein vernetztes Biotop zeigen, in dem der eine Organismus produziert, was der andere benötigt. Im Labor bekommen die Studierenden ja immer nur Rein-Kulturen zu sehen“, erläutert Dr. Ingo Reiff, der eine Exkursion des Instituts für Mikrobiologie der Universität Münster unter Leitung von Prof. Dr. Alexander Steinbüchel betreut.

Für Wissenschaft und Lehre beginnt die Saison in Carolinensiel im Frühjahr mit dem Beginn der Algenblüte. Wenn das Wasser durch die Frühjahrsstürme durchmischt und erwärmt wird, beginnt Leben zu brodeln, bilden Fischlarven, Krebse, Krabben, Pfeilwürmer, Manteltierlarven und einzellige Organismen wie die Protozoen einen Cocktail, dessen Schönheit sich nur dem Spezialisten unter dem Mikroskop erschließt. Das Zusammenspiel zwischen den einzelnen Organismen lässt sich nur mit dem Biotop Regenwald vergleichen. Doch dort wird kaum neue Biomasse produziert, sondern fast nur recycelt. Anders im Watt: Es ist eine der produktivsten Lebenszonen, weil hier ständig Biomasse aus anorganischem Material aufgebaut wird.

Aber nicht nur Biologen nutzen die Wattstation für zoologische oder botanische Beobachtungen, auch Geographen, Chemiker oder Mediziner mieten sich hier ein, um fernab der Hochschule ungestört Tagungen und Seminare durchführen zu können. Die Kosten liegen für Universitäts-Angehörige bei sieben Mark pro Tag und Bett, die Meeresluft gibt es gratis dazu. Mitarbeiter der Universität können hier auch Urlaub machen, wenn gerade keine Studierenden oder Wissenschaftler die Station belegen.

Eine Station wie Carolinensiel ist in Deutschland fast einmalig, nicht einmal die Hochschulen an der Küste haben laut Steeger Vergleichbares vorzuweisen. Deshalb hofft er, mit den verbesserten Bedingungen auch verstärkt Wissenschaftler anderer Universitäten in die Wattstation der Universität Münster nach Carolinensiel locken zu können.

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Brigitte Nussbaum

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