Beweis für die spiralförmige Struktur kondensierter Chromosomen
In früheren Studien wurde angenommen, dass sich die Chromatiden der Metaphase-Chromosomen zu einer Spirale aufrollen, dem Chromonema. Diese Annahme wurde kürzlich mit Hilfe der Konformationserfassung von Chromosomen unterstützt. Dennoch fehlte die direkte, differenzierende Visualisierung des gewundenen Chromonemas zur Bestätigung des Spiralmodells.
Nun hat ein internationales Forschungsteam unter der Leitung des IPK Leibniz-Instituts und des Instituts für Experimentelle Botanik der Tschechischen Akademie der Wissenschaften erstmals diesen direkten Nachweis erbracht. Die Ergebnisse sind heute in der Zeitschrift „Nucleic Acids Research“ veröffentlicht worden.
Das allgemein bekannte X-förmige Aussehen der Metaphasenchromosomen wird häufig in Lehrbüchern und anderen Medien dargestellt. Die Zeichnungen erklären auf faszinierende Weise, dass der Großteil der genetischen Information in Chromosomen gespeichert ist, die sie an die nächste Generation weitergeben. „Diese Darstellungen suggerieren, dass die Ultrastruktur der Chromosomen gut verstanden ist. Das ist aber nicht der Fall“, sagt Dr. Veit Schubert von der IPK-Forschungsgruppe „Chromosomenstruktur und -funktion“.
Auf der Grundlage von Daten, die mit einer Reihe von molekularen und mikroskopischen Methoden gewonnen wurden, existieren mehrere Modelle zur Beschreibung der übergeordneten Struktur von Metaphase-Chromosomen. Diese Modelle werden in helikale und nicht-helikale Modelle unterteilt. Helikale Modelle gehen dabei davon aus, dass das Chromatin in jeder Schwesterchromatide in der Metaphase der Mitose in Form einer Spirale angeordnet ist, während nicht-helikale Modelle annehmen, dass das Chromatin innerhalb der Chromatiden gefaltet ist, ohne eine Spirale zu bilden.
Die Forscher haben nun den Anfang des 20. Jahrhunderts erstmals verwendeten Begriff Chromonema wiederbelebt und eine detaillierte Beschreibung dessen Ultrastruktur geliefert. Verschiedene experimentelle Ansätze, darunter die Chromosomen-Konformationserfassung (Hi-C) an isolierten mitotischen Chromosomen, die Polymermodellierung, die Analyse von Schwesterchromatid-Austauschen und Oligo-FISH-markierten Regionen mit Hilfe der super-auflösenden Mikroskopie, lieferten einen unabhängigen Beweis für die Spiralbildung des Chromonemas. „Die gewundene Chromatidenorganisation und ihre Organisationseinheit, das Chromonema, wurden unabhängig voneinander mit verschiedenen Methoden bestätigt“, sagt Dr. Veit Schubert.
„Um die übergeordnete Struktur mitotischer Chromosomen zu untersuchen, wurden die großen Chromosomen der Kulturgerste als Modell verwendet. Eine einzige helikale Windung umfasst 20 bis 38 Megabasen DNA und bildet eine ~400 nm dicke Faser, die wir als Chromonema bezeichnen“, sagt Dr. Amanda Camara, eine der Erstautorinnen der Studie.
Das Modell schlägt einen allgemeinen Mechanismus für die Bildung kondensierter mitotischer Chromosomen vor, der auf alle Eukaryoten mit einem breiten Spektrum von Genomgrößen anwendbar ist. „Wir erwarten, dass nach unserer Studie die Chromonema-basierte Organisation von Chromosomen in einer größeren Anzahl von Pflanzen- und Tierarten mit großen Chromosomen bestätigt wird. Die Identifizierung des Prinzips der Chromosomenkondensation in dieser Arbeit ist die Voraussetzung zum Verständnis der Chromatindynamik im Verlauf des Zellzyklus“, sagt Dr. Amanda Camara.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Veit Schubert
Tel.: +49 39482 5212
schubertv@ipk-gatersleben.de
Originalpublikation:
Kubalová , Câmara, Cápal et al. (2023): Helical coiling of metaphase chromatids. Nucleic Acids Research. DOI: 10.1093/nar/gkad028
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