Bienen tanzen im Dialekt
Nach über 70 Jahren ist ein großes Rätsel der Zoologie gelöst: Honigbienen benutzen bei ihrem Schwänzeltanz tatsächlich verschiedene Tanzdialekte. Welche „Mundart“ sich bei den Insekten im Lauf der Evolution entwickelt hat, hängt mit dem Aktionsradius zusammen, in dem sie rund um den Stock Futter sammeln.
Das berichten Forschungsteams vom Biozentrum der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) und vom National Centre for Biological Sciences (NCBS) in Bangalore (Indien) im Fachblatt „Proceedings of the Royal Society B“. Von der JMU beteiligt sind die Doktoranden Patrick Kohl und Benjamin Rutschmann sowie Professor Ingolf Steffan-Dewenter.
Dass es bei Honigbienen Tanzdialekte gibt, hatten ab den 1940er-Jahren schon die Zoologen Karl von Frisch und Martin Lindauer, der die Würzburger Bienenforschung maßgeblich prägte, festgestellt.
Spätere Experimente warfen allerdings Zweifel an der Existenz der Dialekte auf. Die neuen Ergebnisse beweisen nun, dass Frisch und Lindauer Recht hatten. Die beiden Forscher lagen auch richtig mit ihrer Erklärung, warum es die Tanzdialekte überhaupt gibt.
So sieht die Tanzkommunikation der Bienen aus
Die Tanzsprache der Honigbienen ist eine im Tierreich einzigartige Form der symbolischen Kommunikation. Hat eine Biene zum Beispiel einen blühenden Kirschbaum entdeckt, kehrt sie in den Stock zurück. Dort informiert sie die anderen Bienen mit einem Tanz darüber, in welcher Himmelsrichtung die Futterquelle liegt und wie weit sie entfernt ist.
Teil des Tanzes ist der so genannte Schwänzellauf, bei dem die Bienen energisch mit ihrem Hinterleib wackeln. Die Richtung des Schwänzellaufs auf der Wabe zeigt die Himmelsrichtung des Zieles im Verhältnis zum Sonnenstand an, die Dauer des Laufs weist die Entfernung aus.
„Mit zunehmender Entfernung der Futterquelle vom Stock steigt die Dauer der Schwänzelläufe geradlinig an,“ erklärt JMU-Doktorand Patrick Kohl, Erstautor der Publikation. Allerdings fällt dieser Anstieg bei verschiedenen Bienenarten unterschiedlich steil aus. Das zeigte sich bei Experimenten, die das Forschungsteam in Südindien durchführte.
Experimente mit drei Bienenarten in Südindien
Dort wurden drei Bienenarten mit unterschiedlich großen Aktionsradien untersucht. Die Östlichen Honigbienen (Apis cerana) fliegen etwa bis zu einem Kilometer weg vom Nest. Bei den Zwerghonigbienen (Apis florea) sind es bis zu 2,5 Kilometer, bei den Riesenhonigbienen (Apis dorsata) an die drei Kilometer.
Gegenläufig verhält es sich mit dem Anstieg der Schwänzellaufdauer. Beispiel: Liegt eine Futterquelle 800 Meter entfernt, legt eine Östliche Honigbiene einen deutlich länger dauernden Lauf hin als eine Zwerghonigbiene, und die wiederum zeigt einen längeren Lauf als die Riesenhonigbiene. Um eine identische Entfernung zum Futter zu kommunizieren, verwendet also jede Art ihren eigenen Tanzdialekt.
„Dieses Bild sahen wir auch, als wir unsere Ergebnisse mit publizierten Daten anderer Forschungsgruppen verglichen“, sagt Patrick Kohl. Der Zusammenhang zwischen Sammelradius und Tanzdialekt fand sich ebenfalls bei Honigbienenarten, die in England, Botswana und Japan heimisch sind.
Warum die JMU-Forscher ausgerechnet in Südindien zugange waren? „Das hat den Vorteil, dass dort drei Honigbienenarten im selben Gebiet gleichzeitig vorkommen, so dass man ihre Tanzsprachen gut vergleichen kann“, so Kohl. „Außerdem haben wir sehr gute Kontakte zu Forschern am NCBS, einer Top-Forschungsadresse in Südasien.“
Dialekte als evolutionäre Anpassungen
Die Ergebnisse bestätigen auch, was von Frisch und Lindauer über den Sinn der Tanzdialekte vermutet hatten. Es handelt sich um evolutionäre Anpassungen an die für die jeweiligen Honigbienen typischen Futtersammeldistanzen. Honigbienen zum Beispiel, die regelmäßig über weite Strecken fliegen, können es sich nicht erlauben, diese Distanzen im Stock durch entsprechend langdauernde Schwänzelläufe abzubilden: Im Getümmel des Stocks könnten die anderen Bienen solche „Marathonläufe“ nur noch schwer verfolgen.
Das Fazit der Wissenschaftler: Die Tanzdialekte der Bienen sind ein hervorragendes Beispiel dafür, wie sich selbst komplexe Verhaltensweisen als evolutionäre Anpassung an die Umwelt verändern können.
Patrick Kohl, Lehrstuhl für Zoologie III (Tierökologie und Tropenbiologie), Universität Würzburg, T +49 931 31-89236, patrick.kohl@uni-wuerzburg.de
Kohl PL, Thulasi N, Rutschmann B, George EA, Steffan-Dewenter I, Brockmann A: Adaptive evolution of honeybee dance dialects. Proceedings of the Royal Society B, 4. März 2020, http://dx.doi.org/10.1098/rspb.2020.0190
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