Biosignaturen zur Unterscheidung von Tuberkulose und Sarkoidose

Mycobakterium tuberculosis, der Erreger der Tuberkulose<br>Brinkmann/Schaible, MPI für Infektionsbiologie

Bei einer Reihe von Krankheiten benötigen Mediziner für eine zutreffende Diagnose Merkmale, mit denen sie die Erkrankung eines Patienten eindeutig identifizieren können. Wissenschaftler suchen deshalb nach möglichst einfach zu messenden Biomarkern für eine Erkrankung oder Kombinationen mehrerer Biomarker – sogenannter Biosignaturen.

Forscher vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin haben nun ein vollständiges Profil der Aktivität von Genen und mikroRNAs zusammen mit wichtigen Entzündungsstoffen im Blut von Tuberkulose- und Sarkoidose-Patienten erstellt. Dabei haben sie zwar eine Reihe von Veränderungen entdeckt, mit denen sich Kranke von Gesunden unterscheiden lassen, die Biosignaturen der beiden Erkrankungen sind einander jedoch sehr ähnlich. Mit einer einzigen Signatur lassen sich Tuberkulose und Sarkoidose daher kaum unterscheiden. Besser geeignet sind verschiedene Biosignaturen für die Unterscheidung zwischen krank und gesund und in einem weiteren Schritt zwischen den einzelnen Erkrankungen.

Biosignaturen umfassen ein Profil aus verschiedenen Merkmalen, mit der sich Erkrankungen identifizieren und von ähnlichen Krankheitsbildern trennen lassen. Dazu zählen das Vorhandensein oder Signalstoffe im Körper und die Aktivität von Genen. Forscher haben beispielsweise in den letzten Jahren Signaturen für die Tuberkulose entdeckt, mit denen Ärzte Tuberkulose-Patienten von Gesunden unterscheiden können. Genauso wichtig ist jedoch die Unterscheidung unterschiedlicher Krankheiten mit ähnlichem Erscheinungsbild wie die Tuberkulose und Sarkoidose.

Die Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie haben deshalb mit der Gen- und mikroRNA-Aktivität in Blutzellen sowie Entzündungsstoffen im Blutserum verschiedene Marker ausgewählt und deren Profile bei Tuberkulose- und Sarkoidose-Patienten verglichen. Obwohl beide Erkrankungen in erster Linie die Lungen schädigen und ähnliche Symptome verursachen, gehen sie auf ganz unterschiedliche Ursachen zurück. Während die Tuberkulose durch eine Infektion mit Bakterien hervorgerufen wird, ist die Sarkoidose nicht übertragbar.

Den Untersuchungen zufolge ähneln sich die beiden Erkrankungen nicht nur äußerlich, auch die Biosignaturen sind aus gemeinsamen Elementen aufgebaut. Bei Sarkoidose- und Tuberkulose-Patienten sind die meisten Gene im Vergleich zu Gesunden gleich reguliert: „Von den etwa 13000 Genen, die sich in ihrer Aktivität zwischen Erkrankten und Gesunden unterschieden, sind rund 9000 Gene bei beiden Krankheiten gleich aktiviert. Knapp 700 andere Gene unterscheiden sich in ihrer Aktivität zwischen Tuberkulose- und Sarkoidose-Patienten – mit ihrer Hilfe lassen sich die beiden Erkrankungen also eindeutig identifizieren“, sagt Stefan Kaufmann vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie.

Auch mikroRNAs, die die Bildung bestimmter Proteine unterdrücken und damit die Aktivität von Genen hemmen können, kommen bei beiden Erkrankungen in einem ähnlichen Muster vor. Insgesamt sind rund 150 mikroRNAs bei beiden Erkrankungen im Vergleich zu Gesunden unterschiedlich aktiv. Lediglich vier eignen sich dazu, Tuberkulose- und Sarkoidose-Patienten zu unterscheiden. Das Profil von Entzündungsstoffen im Blut überlappt dagegen weniger stark: Während nur eins dieser Zytokine bei Tuberkulose und Sarkoidose gleichermaßen gegenüber Gesunden verändert ist, eignen sich zwölf dieser Signalstoffe zur Unterscheidung der beiden Erkrankungen.
Die Ergebnisse der Berliner Forscher zeigen, dass veränderte Biomarker auf Vorgänge zurückgehen, die nicht nur bei einer bestimmten Erkrankung auftreten, z. B. Immunreaktionen. Die körpereigene Immunantwort greift also bei unterschiedlichen Krankheitsbildern auf dieselben Grundelemente zurück, und nur wenige dieser Elemente sind für eine bestimmte Erkrankung spezifisch. Abgesehen von den Schwierigkeiten für die Krankheitsdiagnose verraten diese Gemeinsamkeiten den Wissenschaftlern viel über Ursachen und Mechanismen einer Erkrankung. Eine einzige Biosignatur reicht daher nicht aus, sowohl Gesunde von Kranken als auch die unterschiedlichen Krankheiten mit ähnlichem Erscheinungsbild zu unterscheiden. Die Kombination vieler Gene erhöht zwar Spezifität und Sensitivität bei der Unterscheidung von krank und gesund, führt aber automatisch zu einer geringeren Spezifität gegenüber anderen Krankheitsbildern. „Stattdessen sollten wir zuerst Kranke von Gesunden unterscheiden und dann in den nächsten Schritten die einzelnen Krankheiten voneinander trennen. Pro Schritt können wir eine Erkrankung anhand von etwa zehn Genen eindeutig identifizieren“, erklärt Kaufmann. Dabei könnten sich Ärzte auf die Krankheiten konzentrieren, die vor Ort tatsächlich vorkommen. In afrikanischen Ländern, in denen die Tuberkulose weit verbreitet ist, ließen sich so Tuberkulose, AIDS und Malaria schnell und eindeutig erkennen.

Originalveröffentlichung:
Common patterns and disease-related signatures in tuberculosis and sarcoidosis
Jeroen Maertzdorf, January Weiner, Hans-Joachim Mollenkopf, TBornotTB Network, Torsten Bauer, Antje Prasse, Joachim Müller-Quernheim, and Stefan H. E. Kaufmann
PNAS, 2. Mai 2012

Kontakt:
Prof. Dr. Dr. h.c. Stefan H.E. Kaufmann
Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie
Tel.: +49 30 28460-500/ -506
Email: kaufmann@mpiib-berlin.mpg.de

Dr. Sabine Englich
Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie
Telefon: +49 30 28460-142
Email: englich@mpiib-berlin.mpg.de

Media Contact

Dr Harald Rösch Max-Planck-Institut

Weitere Informationen:

http://www.mpiib-berlin.mpg.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Weltweit erstes Zentrum für Solarbatterien

Strategische Partnerschaft zur Optoionik von TUM und Max-Planck-Gesellschaft. Energie von Sonnenlicht direkt elektrochemisch speichern Optoionik als Querschnittswissenschaft zwischen Optoelektronik und Festkörperionik Bayern als internationaler als Innovationsführer bei solarer Energiespeicherung Das…

Kombinierte Immuntherapie als Erstbehandlung

… für bestimmte Endometriumkarzinom-Patientinnen wirksamer als Chemotherapie. In einer internationalen klinischen Phase III-Studie (LEAP-001) unter der Leitung des Innsbrucker Gynäkologen Christian Marth wurde überprüft, ob die kombinierte Immuntherapie der Chemotherapie…

Köpfe, KI, MRT: Einblicke ins Gehirn

…mittels Künstlicher Intelligenz und „rasanten“ Messverfahren Mit Künstlicher Intelligenz (KI) und beschleunigten Messroutinen möchte Prof. Alexander Radbruch die bisherigen Fähigkeiten der Magnetresonanztomografie erweitern, neue Erkenntnisse über das Gehirn ermöglichen und…