Blattläuse und ihre Lieblingsfarben

Eine Blattlaus ist auf ihrer Lieblingsfarbe gelandet, einem leuchtenden Gelb.
© Jean-Louis Wolff & Sascha M. Kirchner

Im Garten gehören Blattläuse zu den eher ungeliebten Gästen. In der Landwirtschaft können die kleinen Insekten umso größeren Schaden anrichten. Aber wie wählen sie eigentlich ihre Wirtspflanzen aus? Welche grundlegenden Mechanismen stecken dahinter? Forscher der Universitäten Bonn und Kassel stellen jetzt zwei neuartige Modelle vor, mit denen das Farbsehen und somit die Reaktion der Blattläuse auf Pflanzen analysiert werden kann. Das eröffnet neue Möglichkeiten für die zukünftige Forschung zu diesem Thema – kann aber auch für landwirtschaftliche Anwendungen relevant sein. Die Studie ist in der Fachzeitschrift Philosophical Transactions of the Royal Society B erschienen.

Bereits seit Jahren ist bekannt, dass Blattläuse vor allem auf die Farbe Gelb stehen, weshalb in der Landwirtschaft mitunter gelbe Farbfallen zum Einsatz kommen. Sie erfassen, welchen Druck die Tiere auf Nutzpflanzen ausüben. Für ihre aktuelle Studie stellten die Forscher in zwei aufeinanderfolgenden Frühjahren insgesamt mehr als 200 Farbfallen mit rund 70 verschiedenen Farben auf dem Feld auf.

Mit einem Licht-Spektrometer maßen sie die sogenannten Reflexionsspektren der einzelnen Farben für jede Wellenlänge. „Das Spektrometer erlaubt uns, die Farben objektiv zu quantifizieren. Das ist wichtig, weil Menschen Farben ganz anders wahrnehmen als Insekten – auf unsere Augen können wir uns da also nicht verlassen“, sagt Studienleiter Prof. Dr. Thomas F. Döring vom Institut für Nutzpflanzenwissenschaften und Ressourcenschutz (INRES) der Universität Bonn.

Die Reflexionsdaten und die Verhaltensdaten, also die Zahl der gefangenen Blattläuse je Falle, bildeten anschließend die Grundlage für zwei mathematische Modelle. Ziel war es, die Reflexions- und Verhaltensdaten miteinander in Beziehung zu setzen – und so herauszufinden, welche Wellenlängen für die Reaktion der Blattläuse entscheidend sind.

Zwei Modelle mit ähnlichem Ergebnis

In das erste Modell ließen die Wissenschaftler bereits bekannte Daten darüber einfließen, welche Sehzellen bei der Nahrungssuche von Blattläusen angeregt werden. Das zweite Modell kam ohne die physiologischen Daten aus und berücksichtigte ausschließlich das Verhalten der Tiere sowie die gemessenen Reflexionsdaten je Farbe. Für dieses Modell wendeten die Wissenschaftler eine spezielle statische Methode an, Regression der partiellen kleinsten Quadrate (PLSR-Ansatz) genannt.

Beide Modelle kamen zu ähnlichen Ergebnissen. Zum einen bestätigten sie die Vorliebe der Blattläuse für die Farbe Gelb. Zum anderen ließen beide Modelle auf einen speziellen neuronalen Mechanismus schließen, der das Sehverhalten der Blattläuse steuert. „Dass sich die Ergebnisse beider Auswertungen am Ende derart decken, hat uns selbst überrascht“, sagt Dr. Sascha M. Kirchner von der Universität Kassel. „Aber das Ergebnis ist so stark, dass es kein mathematisches Artefakt sein kann.“

Eine Schlussfolgerung der Forscher: Auch bei Blattlausarten, für die bisher keine physiologischen Daten vorliegen, kann die neue Auswertungsmethode – zusammen mit ausgewählten Farbreizen – dabei helfen, dem Sehverhalten genauer auf die Spur zu kommen. „So könnte man sich in Zukunft aufwendige elektrophysiologische Untersuchungen an den Tieren sparen“, betont Döring, Mitglied im Transdisziplinären Forschungsbereich „Sustainable Futures“ und im Exzellenzcluster PhenoRob der Universität Bonn.

Brücke zwischen Biologie und Landwirtschaft

Mit ihrer Studie vereinen die Wissenschaftler auf besondere Weise die biologische und landwirtschaftliche Forschung. In der Neurobiologie dienen Läuse normalerweise nicht als Modellorganismen, um grundlegende Mechanismen zu untersuchen. In der Landwirtschaft wiederum werden derartige Verhaltensanalysen aufgrund ihrer Detailliertheit häufig nicht angewandt. „In unserer Studie haben wir versucht, eine Brücke zu bauen zwischen angewandter Wissenschaft und Grundlagenforschung“, sagt Feldökologe Thomas Döring.

Konkret könnten die neuen Modelle dazu beitragen, bereits bestehende landwirtschaftliche Methoden zu optimieren, zum Beispiel sogenannte Mulchverfahren, die den optischen Hintergrund der Nutzpflanzen verändern und damit Wirtspflanzen vor den Schädlingen „verstecken“ können. Die Ergebnisse könnten auch relevant sein für Versuche, die Blattfarbe zu verändern, zum Beispiel durch Zucht oder eine spezielle Düngung. Die aktuelle Studie liefert bereits Hinweise darauf, dass Weizenblätter bei einer niedrigen Stickstoffdüngung attraktiver auf Blattläuse wirken als wenn sie intensiver mit Stickstoff behandelt wurden.

Warum eigentlich Gelb?

Offen bleibt die Frage, warum Läuse eigentlich eine derartige Vorliebe für Gelb haben – schließlich sind ihre Nahrung grüne Pflanzenblätter. „Physiologisch kann man das jetzt erklären, aber welcher Nutzen für die Läuse dahintersteckt, ist nach wie vor ungeklärt“, sagt Thomas Döring.

In zukünftigen Studien möchten er und seine Kolleginnen und Kollegen dem Effekt des UV-Lichts genauer nachgehen, was sowohl für die Anwendung im Pflanzenschutz als auch aus biologischer Sicht interessant ist.

Darüber hinaus gibt die Studie erste Hinweise darauf, dass manche Blattlausarten etwas anders reagieren als die meisten anderen. Ob dieses Verhalten fundamental anders ist, muss ebenfalls in weiteren Untersuchungen geklärt werden.

Förderung:

Die Studie wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), den Entomological Fund, das Department for Environment, Food and Rural Affairs (Defra) der britischen Regierung und das Agriculture and Horticulture Development Board in Großbritannien gefördert.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Thomas Döring
Fachgebiet Agrarökologie und Organischer Landbau
Institut für Nutzpflanzenwissenschaften und Ressourcenschutz (INRES)
Universität Bonn
Tel: +49 228 735143
E-Mail: tdoering@uni-bonn.de

Originalpublikation:

Thomas F. Döring & Sascha M. Kirchner: A model for colour preference behaviour of spring migrant aphids. Philosophical Transactions of the Royal Society B; https://doi.org/10.1098/rstb.2021.0283

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