Bluter und ihre Behandlung – Gefahrensignale an Immunantwort gegen Faktor-VIII beteiligt

Elektronenmikroskop. Aufnahme von Erythrozyten, Leukozyten und Thrombozyten National Cancer Institute

Die Hämophilie A (Bluterkrankheit) ist die häufigste vererbbare Blutgerinnungsstörung. Sie wird durch verschiedene Mutationen im sogenannten Faktor VIII (F8)-Gen verursacht. Abhängig von der Art der Mutation wird der Gerinnungsfaktor VIII in nicht ausreichender Menge und Funktion gebildet oder er fehlt völlig.

Der fehlende Gerinnungsfaktor wird durch intravenöse Gabe von sogenannten Faktor-VIII-Konzentraten ersetzt. Allerdings entwickelt rund ein Viertel der behandelten Patienten mit schwerer Hämophilie Antikörper (Inhibitoren) gegen Faktor VIII – der Körper behandelt den Gerinnungsfaktor wie einen Fremdkörper und inaktiviert ihn mit seinem Immunsystem.

Ein wesentlicher Risikofaktor für die Entwicklung dieser Inhibitoren ist eine ausgeprägte F8-Mutation. Allerdings entwickeln nicht alle Patienten, die eine solche Mutation aufweisen, Inhibitoren und umgekehrt finden sich Inhibitoren auch bei einem Teil der Patienten mit nur geringen Veränderungen des F8-Gens. Noch komplizierter wird die Aufklärung der zugrundeliegenden Mechanismen dadurch, dass auch bei einem Teil gesunder Menschen Antikörper gegen Faktor VIII nachgewiesen werden können.

Inhibitoren gegen die Faktor-VIII-Konzentrate machen die Behandlung der betroffenen Patienten teilweise sehr schwierig und können im Extremfall zu unkontrollierbaren Blutungen führen. Aus dem Grund erforschen Wissenschaftler um Priv.-Doz. Dr. Zoe Waibler, Leiterin des Fachgebiets Produktprüfung immunologischer Arzneimittel der Abteilung Immunologie des Paul-Ehrlich-Instituts, die zugrundliegenden Mechanismen auf der Suche nach einer Möglichkeit, die Bildung der Inhibitoren zu verhindern.

In vorausgegangenen Forschungsarbeiten hatten sie gezeigt, dass bestimmte „Gefahrensignale“ im Blut, wie z.B. bestimmte Oberflächenmoleküle von Bakterien (LPS, Lipopolysaccharide), die den Körper auf einen Erreger hinweisen, die Immunogenität der Faktor-VIII-Präparate steigern [1]. Mit Immunogenität wird die Fähigkeit von Molekülen bezeichnet, eine Immunreaktion hervorzurufen. Auch beispielsweise Zellstress infolge chirurgischer Eingriffe sendet über die Ausschüttung bestimmter Botenstoffe Gefahrensignale aus.

Die gesteigerte Immunogenität der Faktor-VIII-Präparate sorgt dafür, dass vermehrt sogenannte dendritische Zellen (DC, „dendritic cells“) aktiviert werden. Diese Immunzellen präsentieren auf ihrer Oberfläche Antigene, d.h. Molekülstrukturen, gegen die eine Immunantwort vermittelt werden soll. Sie gehören zum angeborenen Immunsystem. Im Verbund mit weiteren Molekülen führt dies zur Bildung einer Subgruppe von Immunzellen des erworbenen Immunsystems, den CD4-positiven T-Zellen, die auch als T-Helferzellen bezeichnet werden.

Das Team um Waibler konnte jetzt zeigen, dass DC, die durch Faktor-VIII-Konzentrat und das Gefahrensignal LPS synergistisch aktiviert wurden, eine sehr viel stärkere T-Helferzell-Aktivierung vermitteln als DC, die jeweils nur mit Faktor VIII oder LPS alleine vorbehandelt wurden. Darüber hinaus konnten sie die Abhängigkeit der T-Zell-Aktivierung von weiteren immunologischen Prozessierungsschritten aufklären.

„Unsere Ergebnisse sind ein weiterer Schritt auf dem Weg, diese komplexen immunologischen Prozesse aufzuklären. Dies ist Voraussetzung dafür, Behandlungsansätze zu entwickeln, die die Bildung dieser Inhibitoren gegen Faktor-VIII-Präparate verhindern“, erläutert Waibler die Bedeutung der Ergebnisse.

1. Miller L et al.: Danger signal-dependent activation of human dendritic cells by plasma-derived factor VIII products. Thromb Haemost. 2015 Aug;114(2):268-76

Originalpublikation
Miller L, Ringler E, Kistner KM, Waibler Z; ABIRISK Consortium (2017): Human dendritic cells synergistically activated by FVIII plus LPS induce activation of autologous CD4+ T cells. Thromb Haemost. 2018 Mar 19. doi: 10.1055/s-0038-1637734

Das Paul-Ehrlich-Institut in Langen bei Frankfurt am Main ist als Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG). Es erforscht, bewertet und lässt biomedizinische Human-Arzneimittel und Veterinär-Impfstoffe zu und ist für die Genehmigung klinischer Prüfungen sowie die Pharmakovigilanz – Erfassung und Bewertung möglicher Nebenwirkungen – zuständig. Die staatliche Chargenprüfung, wissenschaftliche Beratung/Scientific Advice und Inspektionen gehören zu den weiteren Aufgaben des Instituts. Unverzichtbare Basis für die vielseitigen Aufgaben ist die eigene experimentelle Forschung auf dem Gebiet der Biomedizin und der Lebenswissenschaften. Das Paul-Ehrlich-Institut mit seinen rund 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nimmt zudem Beratungsfunktionen in nationalem (Bundesregierung, Länder) und internationalem Umfeld (Weltgesundheitsorganisation, Europäische Arzneimittelbehörde, Europäische Kommission, Europarat und andere) wahr.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/?term=Human+dendritic+cells+synergistically+… Link zum Abstract
https://www.pei.de/DE/infos/presse/pressemitteilungen/2018/05-bluter-behandlung-… Diese Pressemitteilung finden Sie auf den Seiten des Paul-Ehrlich-Instituts

Media Contact

Dr. Susanne Stöcker idw - Informationsdienst Wissenschaft

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Selen-Proteine …

Neuer Ansatzpunkt für die Krebsforschung. Eine aktuelle Studie der Uni Würzburg zeigt, wie ein wichtiges Enzym in unserem Körper bei der Produktion von Selen-Proteinen unterstützt – für die Behandlung von…

Pendler-Bike der Zukunft

– h_da präsentiert fahrbereiten Prototyp des „Darmstadt Vehicle“. Das „Darmstadt Vehicle“, kurz DaVe, ist ein neuartiges Allwetter-Fahrzeug für Pendelnde. Es ist als schnelle und komfortable Alternative zum Auto gedacht, soll…

Neuartige Methode zur Tumorbekämpfung

Carl-Zeiss-Stiftung fördert Projekt der Hochschule Aalen mit einer Million Euro. Die bisherige Krebstherapie effizienter gestalten bei deutlicher Reduzierung der Nebenwirkungen auf gesundes Gewebe – dies ist das Ziel eines Projekts…