Chemische Veränderungen am Erbgut schwächen das Herz

Das haben Kardiologen des Universitätsklinikums Heidelberg entdeckt und im Journal „EMBO Molecular Medicine“ veröffentlicht. Dabei stießen sie auf zwei neue Gene, die bisher noch nicht mit der Herzerkrankung in Zusammenhang gebracht wurden und die auch im Zebrafisch die Herzfunktion stark beeinflussen.

Forscher des Universitätsklinikums Heidelberg haben zahlreiche Gene entdeckt, die bei Patienten mit der Herzerkrankung „Dilatative Kardiomyopathie“ auffällig häufig chemisch verändert und daher zum Teil blockiert sind. Schalteten die Forscher zwei der am stärksten betroffenen Gene in Zebrafischen aus, um den Zustand in Patienten zu simulieren, litten die Tiere unter Herzschwäche. Damit ist erstmals gezeigt, dass diese chemischen und bei Herzerkrankungen bisher noch kaum untersuchten Veränderungen am Erbgut eine wichtige Rolle für den Krankheitsverlauf spielen.

Die Ergebnisse, die in der renommierten Fachzeitschrift „EMBO Molecular Medicine“ veröffentlicht wurden, könnten in Zukunft dazu beitragen, Kardiomyopathien sicherer als bisher zu diagnostizieren und so die Patienten schneller einer geeigneten Therapie zuzuführen. Das Projekt ist eine Kooperation des Universitätsklinikums, des Deutschen Krebsforschungszentrums und weiterer Partner im Rahmen des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislaufforschung.

Rund 200.000 Menschen in Deutschland leiden an genetisch bedingten Erkrankungen des Herzmuskels, sogenannten Kardiomyopathien. Diese bleiben häufig lange unentdeckt, können aber zu Herzschwäche, Rhythmus-Störungen und sogar Herzversagen führen. Kardiomyopathien sollten daher frühzeitig diagnostiziert und behandelt werden. Die kardiologische Abteilung der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg (Ärztlicher Direktor Prof. Hugo Katus) ist eines der Schwerpunkt-Zentren in Deutschland für die Behandlung und Eforschung dieser Erkrankungen.

Abweichungen in Erbgut-Methylierung erstmals bei Patienten untersucht

Derzeit sind mehr als 50 im Herzen aktive Gene bekannt, in denen Mutationen – einzelne Gen-Bausteine sind dann falsch angeordnet – Kardiomyopathien verursachen oder ungünstig beeinflussen können. Bei einem Großteil der Patienten bleibt die Ursache allerdings unklar; der weitere Verlauf ist dann schwer einzuschätzen. „Neben diesen Gendefekten muss es noch weitere Mechanismen geben, die wesentlichen Einfluss auf die Erkrankung haben“, erklärt Erstautor Dr. Jan Haas, Wissenschaftler in der Arbeitsgruppe von Dr. Benjamin Meder, Abteilung für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie. Als einen wichtigen Krankheitsmechanismus identifiziert die nun publizierte Arbeit die sogenannte DNA-Methylierung. Dabei wird die Erbinformation (DNA) chemisch verändert und auf diese Weise bestimmte Abschnitte blockiert oder aktiviert.

Methylierungsmuster können vererbt werden, sich aber auch durch Umwelteinflüsse verändern, was bisher insbesondere bei Krebserkrankungen erforscht wird. Die Heidelberger Arbeitsgruppe überprüfte erstmals das gesamte Erbgut von Patienten mit Dilatativer Kardiomyopathie auf Abweichungen von der normalen Methylierung. Die Analysen führten sie an kleinsten Gewebeproben von 39 Patienten durch, die im Rahmen von Studien bei Routineuntersuchungen aus dem Herzmuskel entnommen worden waren.

Analyseverfahren könnte in Zukunft Diagnose verbessern

In den erkrankten Herzen waren im Vergleich zum gesunden Herzgewebe zahlreiche Gene chemisch verändert. „Viele dieser Gene sind uns bereits von verschiedenen Erkrankungen des Herzkreislaufsystems bekannt“, so Haas. Doch vier besonders häufig und stark veränderte Gene waren bisher noch nicht mit Herzmuskelerkrankungen in Zusammenhang gebracht worden. Zunächst zwei davon, die Gene LY75 und ADORA2A, untersuchten die Forscher genauer: Sie werden durch die Methylierung fast vollständig deaktiviert. Blockierte das Team diese Gene jeweils einzeln in Zebrafischen, die eine ähnliche genetische Ausstattung wie Menschen haben, entwickelten die Tiere Herzen mit deutlich eingeschränkter Pumpkraft. „Der Tierversuch zeigt, dass diese Veränderungen in der Methylierung tatsächlich krankheitsrelevant sind“, sagt Mitautorin Karen Frese, Biologin im Forscherteam um Dr. Meder.

Weitere Studien müssen nun zeigen, über welche Signalwege diese Gene den Herzmuskel beeinflussen und ob sie sich als Ansatzpunkt neuer Therapien eignen. „Mit dieser Analyse der Methylierungsmuster haben wir Neuland betreten und bisher nicht berücksichtigte Krankheitsmechanismen bei Herzpatienten identifiziert, die nun weiter aufgeklärt werden können“, sagt Meder. Zudem könnte das Wissen über erkrankungstypische Veränderungen in Zukunft die Diagnose erleichtern – heute können Kardiologen erst spät mit Sicherheit sagen, ob eine DCM vorliegt – und Vorhersagen zum weitere Krankheitsverlauf zulassen. Das hätte Vorteile für die Therapie: Je nach verändertem Abschnitt der Erbinformation und den davon betroffenen Abläufen im Herzmuskel könnten spezielle Medikamente, eine intensivere Beobachtung bzw. die frühe Versorgung mit einem Schrittmacher angezeigt sein.

Ansprechpartner:
Dr. Benjamin Meder
Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie Otto Meyerhof Zentrum/Innere Medizin III Universitätsklinikum Heidelberg
Tel.: 06221/56-48 35
E-Mail: benjamin.meder@med.uni-heidelberg.de

Bei Rückfragen von Journalisten:
Dr. Annette Tuffs
Leiterin Unternehmenskommunikation / Pressestelle des Universitätsklinikums Heidelberg und der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg Im Neuenheimer Feld 672
69120 Heidelberg
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Fax: 06221 56-4544
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