Den pH-Wert mit der Terahertz-Spektroskopie lokal messen
Forscherinnen und Forscher der Ruhr-Universität Bochum haben eine neue Methode entwickelt, um den pH-Wert in einem eng umgrenzten Flüssigkeitsvolumen zu bestimmen. Bislang ist eine zuverlässige Messung mit einem pH-Meter nur in größeren und gleichförmigen Volumina möglich. Das neue Verfahren, das auf der Terahertz-Spektroskopie basiert, beschreibt das Team vom Exzellenzcluster Ruhr Explores Solvation, kurz Resolv, in der Zeitschrift Angewandte Chemie, online vorab veröffentlicht am 6.November 2020.
Für die Arbeit kooperierten die Teams vom Lehrstuhl für Physikalische Chemie II um Prof. Dr. Martina Havenith und vom Lehrstuhl für Theoretische Chemie um Prof. Dr. Dominik Marx. „Es gibt immer mehr Hinweise, dass biologische Reaktionen nicht so sehr von den globalen chemischen Eigenschaften einer Lösung abhängen, sondern dass die lokalen Gegebenheiten in der direkten Umgebung eines Enzyms entscheidend sind“, sagt Martina Havenith. Dazu zählen etwa der pH-Wert oder lokale Ladungszustände. „Es ist wichtig für uns, diese lokalen Eigenschaften nicht nur messen, sondern vorhersagekräftig berechnen zu können – zum Beispiel, wenn wir Enzyme als Biokatalysatoren nutzbar machen und die optimalen Umgebungsbedingungen für sie schaffen wollen“, so Dominik Marx.
Tests mit der Aminosäure Glycin
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiteten mit einer Lösung der Aminosäure Glycin. Diese besitzt zwei funktionelle Gruppen, die Protonen aufnehmen oder abgeben können. Die Säure kann also in unterschiedlichen Protonierungszuständen vorliegen, welche durch Veränderung des pH-Werts der Lösung variiert werden können.
Die Chemiker untersuchten Glycin-Lösungen mit der Terahertz (THz)-Spektroskopie. Dabei schicken sie Strahlung im THz-Bereich durch die Lösung, welche einen Teil der Strahlung absorbiert. Das Absorptionsmuster in einem bestimmten Frequenzbereich stellen sie in Form eines Spektrums dar. Gleichzeitig berechnen sie auch die THz Spektren dieser wässrigen Lösungen für unterschiedliche pH-Bedingungen.
Unterschiedliche Spektren je nach pH-Wert
Je nach Protonierungszustand von Glycin fielen die Spektren sehr unterschiedlich aus. Mit komplexen Computersimulationen, sogenannten Ab-initio-Molekulardynamik-Simulationen, untersuchte die Gruppe warum. Mit diesem Verfahren können die Forscherinnen und Forscher gewisse Bereiche eines Spektrums – die sogenannten Banden – den Bewegungen unterschiedlicher Bindungen im Molekül zuordnen. So zeigten sie, wie sich die unterschiedlichen Protonierungszustände im Spektrum widerspiegelten. Während deprotoniertes Glycin (hoher pH-Wert) nahezu keine Peaks im Terahertz-Spektrum verursacht, erzeugt protoniertes Glycin (geringer pH-Wert) deutlich sichtbare Banden. Das Spektrum eines Zwischenzustandes, des Glycin-Zwitterions (neutraler pH-Wert), lag dazwischen. So erhielten die Forscherinnen und Forscher sozusagen einen Fingerabdruck der Protonierung, gemessen als Funktion des pH-Werts. Sie zeigten, dass die Intensität des Spektrums im Bereich zwischen 0 und 15 Terahertz mit dem pH-Wert korreliert.
In weiteren Experimenten wiesen die Forscherinnen und Forscher nach, dass die Methode auch für die Aminosäure Valin und für kleine Peptide funktioniert. „Künftig eröffnet uns diese grundlegende Erkenntnis neue Möglichkeiten, um lokale Ladungszustände auf der Oberfläche von Biomolekülen nicht invasiv zu bestimmen“, resümiert Martina Havenith.
Förderung
Die Arbeiten wurden gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Exzellenzclusters Resolv (EXC 2033 – 390677874) und des Projekts mit dem Förderkennzeichen MA 1547/11 sowie durch das European Research Council im Projekt „THz-Calorimetry“, Grant-Nummer 695437.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Martina Havenith
Lehrstuhl Physikalische Chemie II
Fakultät für Chemie und Biochemie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 24249
E-Mail: martina.havenith@rub.de
Prof. Dr. Dominik Marx
Lehrstuhl für Theoretische Chemie
Fakultät für Chemie und Biochemie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 28083
E-Mail: dominik.marx@theochem.rub.de
Originalpublikation:
Martina Havenith et al.: Probing local electrostatics of glycine in aqueous solution by THz spectroscopy, in: Angewandte Chemie International Edition, 2020, DOI: 10.1002/anie.202014133
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie
Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.
Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.
Neueste Beiträge
Selen-Proteine …
Neuer Ansatzpunkt für die Krebsforschung. Eine aktuelle Studie der Uni Würzburg zeigt, wie ein wichtiges Enzym in unserem Körper bei der Produktion von Selen-Proteinen unterstützt – für die Behandlung von…
Pendler-Bike der Zukunft
– h_da präsentiert fahrbereiten Prototyp des „Darmstadt Vehicle“. Das „Darmstadt Vehicle“, kurz DaVe, ist ein neuartiges Allwetter-Fahrzeug für Pendelnde. Es ist als schnelle und komfortable Alternative zum Auto gedacht, soll…
Neuartige Methode zur Tumorbekämpfung
Carl-Zeiss-Stiftung fördert Projekt der Hochschule Aalen mit einer Million Euro. Die bisherige Krebstherapie effizienter gestalten bei deutlicher Reduzierung der Nebenwirkungen auf gesundes Gewebe – dies ist das Ziel eines Projekts…