Diagnose Alzheimer: Forscher der Saar-Uni entwickeln einen Bluttest

Die Krankheit eindeutig nachzuweisen, ist bislang schwierig oder gar nicht möglich. Bei der Diagnose handelt es sich meist um ein aufwendiges Unterfangen, bei dem teure Verfahren wie die Computertomografie oder psychologische Tests, die etwa Gedächtnis und Denkvermögen prüfen, zum Einsatz kommen.

Abhilfe könnte hier künftig ein neuer Bluttest schaffen, den Wissenschaftler der Saar-Uni um Petra Leidinger, Christina Backes und Andreas Keller nun im renommierten Journal Genome Biology vorstellen. Die Forscher nutzen hierbei bestimmte Signaturen im Blut, die sie eindeutig der Krankheit zuordnen können. Der Test muss in der Klinik erst noch erprobt werden.

Biomarker sind Moleküle, mit denen Wissenschaftler und Ärzte unter anderem Erkrankungen diagnostizieren und den Verlauf einer Krankheit voraussagen können. Zu diesen Molekülen zählen auch sogenannte microRNAs. „Hierbei handelt es sich um kleine Nukleinsäuren, die im Blut jedes Menschen vorkommen“, erklärt Petra Leidinger vom Institut für Humangenetik der Universität des Saarlandes. „Für die Medizin sind sie von großem Interesse, weil ihre Zusammensetzung eine spezifische Signatur ergibt, die einer bestimmten Erkrankung zugeordnet werden kann.“

Ob es auch für Alzheimer ein solch spezifisches microRNA-Muster gibt, haben die Forscher in ihrer aktuellen Studie untersucht. „Wir haben hierfür Blutproben von 100 Alzheimer-Patienten getestet“, berichtet Andreas Keller vom Institut für Humangenetik, der auch bei Siemens Healthcare als Director Technology Innovation tätig ist. „Insgesamt haben wir bei zwölf microRNAs eine andere Zusammensetzung als bei den gesunden Personen der Kontrollgruppe gefunden.“ Das Besondere dabei: Genauigkeit, Empfindlichkeit und Präzision des Tests lagen bei über 90 Prozent – für einen Biomarker ein sehr gutes Ergebnis. „Bis es zur klinischen Anwendung kommt, bedarf es allerdings noch weiterer Untersuchungen“, sagt Cord Stähler, Chief Technology Officer bei Siemens Healthcare, der ebenfalls an der Arbeit beteiligt war.

Auch Menschen mit anderen Hirn-Erkrankungen können teilweise ähnliche Symptome wie Alzheimer-Patienten aufweisen. Daher haben die Homburger Forscher in einem weiteren Schritt geprüft, ob es Unterschiede in der microRNA-Signatur zwischen Alzheimer und anderen neurologischen Krankheiten gibt. „Auch hier konnten wir Alzheimer eindeutig von Schizophrenie oder Depression abgrenzen“, erklärt Leidinger. „Bei anderen neurodegenerativen Erkrankungen, wie etwa Parkinson und der leichten kognitiven Beeinträchtigung, konnten wir zwar zeigen, dass die Signaturen voneinander abweichen, allerdings waren die Testergebnisse nicht so genau.“ Dies ließe sich aber verbessern, indem die Wissenschaftler die Molekül-Signaturen weiter verfeinern.

Das Forscherteam der Humangenetik befasst sich schon seit geraumer Zeit mit der Rolle von microRNAs als potentielle Biomarker bei verschiedenen Krankheiten, insbesondere bei Krebserkrankungen. Die Molekül-Muster könnten sich aber auch eignen, um diverse Erkrankungen des Hirns aufzuspüren.

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie erlauben zudem weitere Einblicke in die molekularen Mechanismen bei Alzheimer. So sind zwei der microRNAs an Prozessen beteiligt, die zur sogenannten Plaques-Bildung führen. Hierbei handelt es sich um Eiweißablagerungen im Gehirn – einem charakteristischen Kennzeichen der Krankheit. Außerdem geht die Wissenschaft davon aus, dass viele der microRNAs das Wachstum und die Form der Nervenzellen bei der Entwicklung des Gehirns beeinflussen.

Neben den Wissenschaftlern der Universität des Saarlandes und Siemens Healthcare waren an der Studie Forscherkollegen folgender Einrichtungen beteiligt: die Neurologische Klinik der Uniklinik Erlangen, die Innere Medizin II der Universität Heidelberg, das Excellenzcluster NeuroCure der Charité Berlin, das Clinical and Experimental Multiple Sclerosis Research Center der Charité Berlin sowie das Scripps Research Institute im kalifornischen La Jollla.

Die Studie wird am Montag, den 29. Juli, bei Genome Biology veröffentlicht: Petra Leidinger, Christina Backes, Stephanie Deutscher, Katja Schmitt, Sabine C Müller, Karen Frese, Jan Haas, Klemens Ruprecht, Friedemann Paul, Cord Stähler, Christoph JG Lang, Benjamin Meder, Tamas Bartfai, Eckart Meese, Andreas Keller:
„A blood based 12-miRNA signature of Alzheimer disease patients”.
DOI: 10.1186/gb-2013-14-7-r75
Die Studie wird unter folgendem Link abrufbar sein: http://genomebiology.com/2013/14/7/R75
Fragen beantworten:
Dr. Petra Leidinger
Institut für Humangenetik
E-Mail: p.leidinger(at)mx.uni-saarland.de
PD Dr. Andreas Keller
Institut für Humangenetik / Siemens Healthcare
E-Mail: keller.andreas(at)siemens.com
Prof. Dr. Eckart Meese
Institut für Humangenetik
E-Mail: eckart.meese(at)uks.eu
Tel.: +49 (0)6841 / 16-26038

Media Contact

Melanie Löw Universität des Saarlandes

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Größte bisher bekannte magnetische Anisotropie eines Moleküls gemessen

An der Berliner Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II ist es gelungen, die größte magnetische Anisotropie eines einzelnen Moleküls zu bestimmen, die jemals experimentell gemessen wurde. Je größer diese Anisotropie ist, desto besser…

Tsunami-Frühwarnsystem im Indischen Ozean

20 Jahre nach der Tsunami-Katastrophe… Dank des unter Federführung des GFZ von 2005 bis 2008 entwickelten Frühwarnsystems GITEWS ist heute nicht nur der Indische Ozean besser auf solche Naturgefahren vorbereitet….

Resistente Bakterien in der Ostsee

Greifswalder Publikation in npj Clean Water. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Instituts für One Health (HIOH) hat die Verbreitung und Eigenschaften von antibiotikaresistenten Bakterien in der Ostsee untersucht. Die Ergebnisse ihrer Arbeit…