Die Triebkraft der Nitrogenase

Forschende um Max-Planck-Forscher Johannes Rebelein klärten auf, welche Proteine für die Elektronenversorgung des Biokatalysators Fe-Nitrogenase sind. Ihre Ergebnisse öffnen neue Ansätze für die nachhaltige Produktion von Düngemitteln.
(c) Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie/Dr. Virginia Geisel

Forschende am MPI-TM finden neue Ansatzpunkte zur Verbesserung von Biokatalysatoren.

Nitrogenasen gelten als vielversprechende Kandidaten für die nachhaltige enzymatische Produktion von Ammoniak und Kohlenstoffverbindungen. Leider blieb ein Engpass des komplexen Prozesses, die Versorgung der Enzyme mit Elektronen, bislang rätselhaft. Nun hat ein Team um Emmy Noether Forschungsgruppenleiter Johannes Rebelein entdeckt, welche Proteine maßgeblich die Leistung der Eisen (Fe)-Nitrogenase bestimmen.

Nitrogenasen werden in mehreren industriellen Herstellungsverfahren als Katalysatoren eingesetzt. Die wichtigste ist die chemische Fixierung und Umwandlung von elementarem Stickstoff (N2) in Ammoniak, dem Hauptbestandteil von Düngemitteln. Deren industrielle Produktion erfolgt derzeit über das umweltschädliche Haber-Bosch-Verfahren. Enzymatisch und nachhaltig produzierte Düngemittel könnten circa ein Prozent der global verbrauchten Energie und des damit verbundenen freigesetzten CO2 einsparen, weshalb sich viele Forschungslabors und Start-up Firmen mit diesem Thema beschäftigen. Eine herausfordernde Aufgabe, da Nitrogenasen hochkomplexe Metalloenzyme und viele Aspekte ihrer Katalyse noch nicht ausreichend verstanden sind.

Eisen (Fe)- Nitrogenase fixiert nicht nur Stickstoff, sondern auch CO2

Nun haben Forschende um Dr. Johannes Rebelein am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg erste Einblicke in die Energieversorgung des Enzymkomplexes, erhalten, genauer gesagt: seine Versorgung mit Elektronen. Die Ergebnisse liefern einen wichtigen Ansatz zur Entwicklung und Optimierung solcher Biokatalysatoren. Das ist nicht nur im Hinblick auf die industrielle Stickstoff-Fixierung von Bedeutung, sondern auch für die Nutzung von CO2 als Wertstoff. Denn dasselbe Team konnte kürzlich zeigen, dass die Fe-Nitrogenase auch zur Umwandlung von CO2 fähig ist. Ausgerechnet diese Nitrogenase-Form ist bislang wenig untersucht, vor allem im Hinblick auf den Elektronentransport.

Das Forschungsteam charakterisierten den Elektronentransport zur Eisen (Fe)-Nitrogenase in dem Modellbakterium Rhodobacter capsulatus und zeigte, dass zwei verschiedene Elektronentransportproteine, Ferredoxine genannt, für die Stickstoff-Fixierung essenziell sind.

Der Energie-Engpass eröffnet neue Ansätze für die Optimierung

„Wir wollten herausfinden, welche Ferredoxine entscheidend sind. Da alle Zellen mehrere Ferredoxine beherbergen, wobei unser Modellbakterium Rhodobacter capsulatus sieben verschiedene Ferredoxine produziert, wollten wir auch herausfinden, ob mehrere dieser Ferredoxine dieselbe Aufgabe übernehmen können – oder ob sie jeweils spezifisch sind“, erklärt Erstautorin Holly Addison. „Wenn wir eines der Ferredoxine ausschalteten, konnte das andere seine Funktion nicht übernehmen. Daraus schlossen wir, dass diese beiden unverzichtbaren Ferredoxine unterschiedliche Aufgaben in der Stickstoff-Fixierung erfüllen.“

Die Versorgung mit Elektronen gilt als ein Engpass der Nitrogenasekatalyse. Mit den beiden Ferredoxinen haben die Forschenden nun klare Ziele identifiziert, um auf den Elektronenfluss und damit die Leistung der Biokatalyse einzuwirken.

„Unsere Ergebnisse sind eine wichtige Voraussetzung für die Optimierung von R. capsulatus als Modellsystem für die verbesserte Umwandlung von Stickstoff oder CO2 durch Biokatalysatoren zu Ammoniak, bzw. kurzkettigen Kohlenwasserstoffen“, ergänzt Johannes Rebelein. „Nun geht es darum, die Nitrogenase und die am Prozess beteiligten Proteine weiter zu erforschen, um unser Verständnis zu erweitern und neue Ansätze für die industrielle Produktion zu entwickeln.“

Die nächsten Schritte des Projekts werden sich darauf konzentrieren, einerseits die Rolle der Ferredoxine noch besser zu verstehen, andererseits Methoden der synthetischen Biologie einzusetzen, um sie zu verändern – und durch die leichtere Bereitstellung von Elektronen die Nitrogenasen zu beschleunigen.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Johannes Rebelein
Forschungsgruppenleiter +49 6421 178-190 johannes.rebelein@…
Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie, Marburg

Originalpublikation:

Addison, H.; Glatter, T.; Hochberg, K. A.; Rebelein, J. G.
Two distinct ferredoxins are essential for nitrogen fixation by the iron nitrogenase in Rhodobacter capsulatus
2024 Feb 20:e0331423 doi: 10.1128/mbio.03314-23

https://www.mpi-marburg.mpg.de/1361185/2024-02-b

Media Contact

Dr. Virginia Geisel Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Spitzenforschung in der Bioprozesstechnik

Das IMC Krems University of Applied Sciences (IMC Krems) hat sich im Bereich Bioprocess Engineering (Bioprozess- oder Prozesstechnik) als Institution mit herausragender Expertise im Bereich Fermentationstechnologie etabliert. Unter der Leitung…

Datensammler am Meeresgrund

Neuer Messknoten vor Boknis Eck wurde heute installiert. In der Eckernförder Bucht, knapp zwei Kilometer vor der Küste, befindet sich eine der ältesten marinen Zeitserienstationen weltweit: Boknis Eck. Seit 1957…

Rotorblätter für Mega-Windkraftanlagen optimiert

Ein internationales Forschungsteam an der Fachhochschule (FH) Kiel hat die aerodynamischen Profile von Rotorblättern von Mega-Windkraftanlagen optimiert. Hierfür analysierte das Team den Übergangsbereich von Rotorblättern direkt an der Rotornabe, der…