Ein gestörter Geruchssinn hindert Tabakschwärmer an der Futtersuche, nicht aber an der Eiablage

Injektion der Komponenten der CRISPR-Cas9 Genschere in das Insekten-Ei, ohne dabei die Eihülle und den Tabakschwärmer-Embryo zu beschädigen. Richard Fandino, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie

Die Erforschung ökologischer Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und Insekten, die über chemische Signale vermittelt werden, ist ein zentrales Thema in der chemischen Ökologie. Wie wichtig ist bei diesen Interaktionen der Geruchssinn von Insekten als Empfänger pflanzlicher Signale?

Ein Team von Forschern um Richard Fandino aus der Abteilung Evolutionäre Neuroethologie ist dieser Frage nun experimentell nachgegangen. Die Wissenschaftler nutzten die CRIPSR-Cas9-Methode, um gezielt Veränderungen im Erbgut von Tabakschwärmern (Manduca sexta) vorzunehmen.

„Manduca sexta ist ein ausgezeichneter Forschungsorganismus, denn seine ökologischen Wechselwirkungen mit Pflanzen sind gut erforscht. Mit unserer Studie wollten wir dazu beitragen, einige der Rätsel aufzulösen, die Pflanzen-Insekten-Interaktionen immer noch umgeben, und zwar aus der Perspektive eines Insekts“, erklärt Richard Fandino.

Ziel der CRIPSR-Cas9-Genschere war das Gen, das zur Bildung des Ko-Rezeptors Orco (Odorant Receptor Co-Receptor) führt. Dieses Protein spielt eine entscheidende Rolle bei der Geruchswahrnehmung von Insekten. Er bildet mit den sogenannten olfaktorischen Rezeptoren einen Komplex.

Der olfaktorische Rezeptor definiert die Moleküle, die beim Riechen aufgespürt werden. Gemeinsam mit Orco leitet er den Reiz weiter, der eine Reaktion im Nervensystem auslöst. In den CRIPSR-Cas9-Motten war das Orco-Gen mutiert und der Rezeptor infolgedessen nicht mehr funktionsfähig. Vergleichende Untersuchungen dieser Motten mit stark beeinträchtigtem Geruchssinn mit Motten, deren Geruchssinn intakt war, geben dabei Aufschluss über die Bedeutung der olfaktorischen Rezeptoren.

Ungewöhnliches Verhalten von Motten ohne Orco

Die Forscher beobachteten, dass futtersuchende Motten ohne funktionsfähigen Ko-Rezeptor Orco abrupt auf einer Stechapfel-Blüte (Datura wrightii) landeten, ohne vor der Blüte zu schweben und den Saugrüssel auszurollen. „Dieses Verhalten war absolut neuartig. Wir hatten zwar erwartet, dass nicht-funktionsfähige Geruchsrezeptoren die Motten noch stärker beeinträchtigen würden, und waren daher überrascht, dass die Tiere trotz eines deutlichen Handikaps die Pflanzen und Blüten finden. Allerdings landen die Motten bei der Futtersuche auf der Blüte, statt Nektar zu trinken.

Dieses Verhalten deutet auf eine bislang unbekannte Funktion des Geruchsinns hin, die wir nun weiter erforschen müssen“, sagt Ewald Grosse-Wilde, einer der Hauptautoren der Studie. „Eine mögliche Erklärung wäre, dass Motten normalerweise den Duft einer Blüte testen, wenn sie über ihr schweben.

Motten ohne den Geruchs-Ko-Rezeptor sind allerdings nicht in der Lage, den Duft zu interpretieren, der ihnen sonst die Information übermitteln würde, dass die Blüte mit ihrem Nektar eine gute Nahrungsquelle ist.“ (siehe Pressemitteilung „Geruch führt Tabakschwärmer zur besten Blüte“ vom 19. Mai 2016).

Bei Verhaltensexperimenten mit verpaarten Weibchen, die Eier auf Stechapfel-Pflanzen legen sollten, waren die Unterschiede zwischen Motten mit und ohne Orco hingegen deutlich geringer. Immerhin waren mehr als die Hälfte dieser Mottenweibchen in der Lage, die Pflanzen direkt anzusteuern und ihre Eier darauf abzulegen.

Insekten-Nase versus „Ur-Nase”

Die Geruchswahrnehmung beruht auf unterschiedlichen Rezeptortypen. Neben den olfaktorischen Rezeptoren gibt es auch die stammesgeschichtlich viel älteren ionotropen Rezeptoren, die ebenfalls am Aufspüren vieler Duftstoffe beteiligt sind. Man könnte sie als eine Art „Ur-Nase“ der Gliederfüßer beschreiben. Die hochsensiblen olfaktorischen Rezeptoren entstanden viel später, als Insekten im Laufe der Evolution das Fliegen lernten (siehe Pressemitteilung „Die ersten Insekten konnten noch nicht richtig riechen“ vom 27.03.2014). Vermutlich entwickelten sie sich aus einem einzigen Orco-Gen. Das Riechsystem, das auf diesen Rezeptoren beruht, könnte man als „Insekten-Nase“ bezeichnen. Die zwei „Nasen“, die sich unabhängig voneinander entwickelt haben, könnten erklären, dass Motten ohne Orco nicht vollständig ohne Geruchssinn sind.

„Dass eierlegende Tabakschwärmerweibchen ihr Verhalten gegenüber Pflanzen flexibel anpassen können, weist darauf hin, dass die Ur-Nase ebenfalls chemische Signale der Pflanze aufspüren kann, die ausreichen, um eine Wirtspflanze zu finden. Die Insektennase wiederum ist nötig, um genauere Informationen über die Pflanze zu ermitteln. Bei der Futtersuche sind die Motten daher auf ihre „Insekten-Nase“ angewiesen. Die Verhaltensexperimente zeigen, dass ihr Geruchssinn bei Futtersuche und Eiablage unterschiedlich mit anderen sensorischen Hinweisen verknüpft ist “, meint Richard Fandino.

Die CRIPSR-Cas9-Revolution in der ökologischen Forschung

Die CRIPSR-Cas9-Methode eröffnet auch neue Möglichkeiten in der ökologischen Forschung. „Es war schon lange unser Traum, Motten, wie den Tabakschwärmer, genetisch verändern zu können. In diesem langjährigen Projekt ist es uns nun gelungen, mithilfe der CRIPSR-Cas9-Methode ein für den Geruchsinn wichtiges Gen funktionsunfähig zu machen. Dies ist ein zweierlei Hinsicht von Bedeutung: als Beweis, dass die Methode prinzipiell anwendbar ist, und um die Wichtigkeit der Geruchswahrnehmung für das Verhalten aufzuzeigen“, betont Mit-Autor Bill Hansson, der die Abteilung Evolutionäre Neuroethologie leitet.

Ziel dieser Forschung ist es, den Geruchsinn von Insekten und seine Rolle im Zusammenspiel mit der Verarbeitung weiterer Sinnessignale, wie zum Beispiel sichtbare Merkmale der Blüten und Blätter einer Pflanze, aber auch Luftfeuchtigkeit oder CO2, umfassender zu verstehen. Der Forschungsansatz könnte dazu beitragen, herauszufinden, welche weiteren von der Pflanze ausgehenden Signale den Motten entscheidende Hinweise dafür liefern, ihre Eier dort abzulegen. Solche Erkenntnisse sind wichtig, um den Schutz von nützlichen Insekten, wie Blütenbestäubern, mit der Bekämpfung von Pflanzenschädlingen ökologisch in Einklang zu bringen. bivores.

Richard A. Fandino, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Hans-Knöll-Straße 8, 07745 Jena, Deutschland, Tel. +49 (0)3641 57 1703, E-Mail rfandino [at] ice.mpg.de

Ewald Grosse-Wilde, Faculty of Forestry and Wood Sciences, Czech University of Life Sciences Prag, Tschechien, E-Mail ewald.grosse.wilde [at] gmail.com

Fandino, R. A., Haverkamp, A., Bisch-Knaden, S., Zhang, J., Bucks, S., Nguyen Thi, T. A., Werckenthin, A., Rybak, J., Stengl, M., Knaden, M., Hansson, B. S., Grosse-Wilde, E. (2019). Mutagenesis of odorant co-receptor Orco fully disrupts foraging but not oviposition behaviors in the hawkmoth Manduca sexta. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, DOI: 10.1073/pnas.1902089116
https://doi.org/10.1073/pnas.1902089116

http://www.ice.mpg.de/ext/index.php?id=1566&L=1

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Angela Overmeyer Max-Planck-Institut für chemische Ökologie

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