Ein neues Mikroskop beleuchtet die Funktionsweise von Nervenzellen
… tief im Gehirn bei sich frei verhaltenden Mäusen.
Wie finden wir heraus, was in Nervenzellen tief im Gehirn vor sich geht, während ein Tier aktiv ist? Forschende des MPINB haben ein Miniatur-Mikroskop entwickelt, das Mäuse auf dem Kopf tragen können, während sie sich uneingeschränkt bewegen. Das nur 2 Gramm schwere ferngesteuerte Mikroskop kann die neuronale Aktivität in allen Schichten der Großhirnrinde messen, selbst in tiefliegenden, ohne dass das Tier während der Versuche gestört wird. Anders als alle vergleichbaren Modelle funktioniert es auch bei Helligkeit und ermöglicht daher die Untersuchung des gesamten Verhaltensspektrums. Das neue Mikroskop ist ein Meilenstein für die Erforschung, wie das Gehirn komplexes Verhalten steuert.
Wie genau entsteht eigentlich Verhalten? Um dies wirklich herauszufinden, müssen wir Tiere untersuchen, die sich frei bewegen und selbst entscheiden, wie sie mit ihrer Umwelt interagieren. Mittels kleiner, kopfgetragener Apparaturen gelingt es, die Gehirnaktivität aufzuzeichnen, ohne dabei das Verhalten des Tieres zu beeinträchtigen. „Wir wollen herausfinden, wie Tiere ihren Sehsinn nutzen, um Entscheidungen zu treffen. Viele der Nervenzellen, die vermutlich in diese Prozesse involviert sind, liegen tief im sogenannten visuellen Cortex, einem Teil der Großhirnrinde.
Um diese Nervenzellen zu erreichen, haben wir ein extrem leichtes, kopfgetragenes Mikroskop entwickelt. Mit diesem gelingt es uns, die Aktivität der betreffenden Nervenzellen zu messen, ohne das Tier dabei in seinem Verhalten zu stören. Dies ist ein enormer Schritt, um die Gehirnaktivität tief in der Großhirnrinde zu analysieren, während das Tier natürliches, visuell gesteuertes Verhalten zeigt.“ sagt Prof. Dr. Jason Kerr, Leiter der Abteilung Organisation des Gehirns und Verhaltens am Max-Planck-Institut für Neurobiologie des Verhaltens – caesar (MPINB) in Bonn.
In der am 28. November im renommierten Fachjournal Nature Methods veröffentlichten Studie präsentieren die Forschenden des MPINB ihr neues Drei-Photonen-Miniaturmikroskop, welches eine Reihe von Innovationen bietet. Erstmalig ist es nun möglich, neuronale Aktivität in Einzelzellauflösung in allen Schichten der Großhirnrinde zu erfassen. Da das Fokussieren ferngesteuert erfolgt, wird das Tier während der Messungen nicht in seinem Verhalten beeinträchtigt. Das modulare Design des Mikroskops bietet zudem eine Einstellung für funktionelle, hochaufgelöste Bildgebung von neuronalen Zellkörpern bis hin zu den Ausläufern, den Dendriten. Aufgrund eines modifizierten Detektorsystems kann das Mikroskop auch in beleuchteter Umgebung verwendet werden.
„Wir können die Gehirnaktivität nun auch in einer hell erleuchteten Versuchsarena messen. So kann das Tier all seine Sinne nutzen und wir können visuell gesteuertes Verhalten wie Beutefang oder Fluchtverhalten untersuchen“ sagt Alexandr Klioutchnikov, Erstautor der Studie.
Um Messbereich und Stabilität des neuen Drei-Photonen-Miniaturmikroskops zu prüfen, haben die Forschenden Messungen in den tiefen Schichten 4 und 6 der Großhirnrinde durchgeführt, während die Versuchstiere ihre Arena frei erkundeten. Das Forscherteam konnte zeigen, dass die Nervenzellen in beiden Schichten unterschiedlich moduliert werden, je nachdem wie hell oder dunkel die Umgebung war.
Ein weiterer Vorteil des neuen Mikroskops ist, dass es einfach entfernt und wieder an exakt der gleichen Stelle aufgesetzt werden kann. Dadurch ist es möglich, genau dieselben Gruppen von Nervenzellen erneut zu untersuchen, auch mit mehreren Tagen Abstand zwischen den Messungen. Dies eröffnet die Möglichkeit, Veränderungen in der Gehirnaktivität zu analysieren, beispielsweise wenn ein Tier lernt.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Jason N.D. Kerr, jason.kerr@mpinb.mpg.de
Originalpublikation:
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie
Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.
Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.
Neueste Beiträge
Brechen des Eises: Gletscherschmelze verändert arktische Fjordökosysteme
Die Regionen der Arktis sind besonders anfällig für den Klimawandel. Es mangelt jedoch an umfassenden wissenschaftlichen Informationen über die dortigen Umweltveränderungen. Forscher des Helmholtz-Zentrums Hereon haben nun an Fjordsystemen anorganische…
Globale Studie identifiziert Gene für Depressionen in verschiedenen Ethnien
Neue genetische Risikofaktoren für Depression wurden erstmals in allen großen Weltbevölkerungen identifiziert und ermöglichen es Wissenschaftler*innen, das Risiko für Depression unabhängig von der ethnischen Zugehörigkeit vorherzusagen. Die bislang größte und…
Zurück zu den Grundlagen: Gesunder Lebensstil reduziert chronische Rückenschmerzen
Rückenschmerzen im unteren Rückenbereich sind weltweit eine der Hauptursachen für Behinderungen, wobei viele Behandlungen wie Medikamente oft keine dauerhafte Linderung bieten. Forscher des Centre for Rural Health der Universität Sydney…