Einem alten Übergangsmetall neue Tricks beibringen: Chemiker aktivieren Palladium-Katalyse mit Licht
Bei der Herstellung von Verbindungen haben Chemikerinnen und Chemiker das grundlegende Ziel, möglichst viele der eingesetzten Substanzen zu nutzen und Abfallprodukte zu vermeiden. Durchbrüche bei der Suche nach solchen Strategien dienen unter anderem dazu, industrielle Innovationen voranzutreiben und Medikamente zu entwickeln.
In diesem Zusammenhang haben sogenannte allylische Substitutionsreaktionen durch Katalysatoren aus Übergangsmetallen bereits zu bedeutenden Fortschritten in der Wissenschaft geführt. Dabei bewirken die Katalysatoren, dass in einem Molekül ein Austausch einer Gruppe in allylischer Position, also in direkter Nähe zu einer Kohlenstoff-Kohlenstoff-Doppelbindung, stattfindet.
Insbesondere die sogenannte Allylfunktionalisierung durch einen Katalysator, der auf dem Übergangsmetall Palladium basiert, ist seit einigen Jahrzehnten zu einer gut etablierten Methode geworden, um Kohlenstoff-Kohlenstoff- oder Kohlenstoff-Heteroatom-Bindungen aufzubauen, die für die Herstellung von Naturstoffen und Arzneimitteln sowie die Materialwissenschaft nützlich sind.
Dennoch bestehen in der Praxis noch immer erhebliche Herausforderungen, vor allem hinsichtlich der Nachhaltigkeit der Stoffe und ihrer Fähigkeit, chemische Reaktionen einzugehen.
Ein Forscherteam unter der Leitung von Prof. Dr. Frank Glorius von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) hat jetzt einen neuen Ansatz zur Allylfunktionalisierung entwickelt und mithilfe der sogenannten Radikalchemie π-Allylpalladium-Komplexe hergestellt. Die Studie ist in der Fachzeitschrift „Nature Catalysis“ erschienen.
Bereits zuvor hatten Chemiker verschiedene Methoden entwickelt, um π-Allylpalladium-Komplexe zu entwickeln. Diese Methoden erfordern jedoch in der Regel entweder Ausgangsmaterialien, die schon auf eine bestimmte Weise vorfunktionalisiert sind, oder spezielle Oxidationsmittel – was ihren Anwendungsbereich einschränkt.
„Dies ist das erste Mal, dass π-Allylpalladium-Komplexe mit einer auf Radikalchemie basierenden Strategie erzeugt werden. Wir hoffen, dass die Strategie schnell von der synthetischen Gemeinschaft übernommen und als ergänzende Methode eingesetzt wird, um eine Reihe weiterer verwandter Reaktionen zu ermöglichen“, betont Studienleiter Frank Glorius.
Die neue Methode funktioniert so: Ein kommerziell erhältlicher Palladium-Katalysator wird durch sichtbares Licht angeregt, woraufhin N-Hydroxyphthalimid-Ester, die von preiswerten und reichlich vorhandenen aliphatischen Carbonsäuren abgeleitet werden, mit Dienen verschmelzen – organisch-chemischen Verbindungen, die zwei Kohlenstoff-Kohlenstoff-Doppelbindungen enthalten.
Das hat zur Folge, dass π-Allylpalladium-Komplexe effizient erzeugt werden können. Es kommt zu einer sogenannten 1,4-Aminoalkylierung der Diene, was die Wissenschaftler an mehr als 60 Beispielen demonstrierten. Darüber hinaus konnten sie in ihrer Studie zeigen, dass ihre Strategie auch bei radikalischen Kaskadenreaktionen und bei der Modifizierung von Medikamenten und Naturstoffen angewendet werden kann.
„Dies ist eine Innovation in der Palladiumchemie. Wir haben diesem alten Übergangsmetall-Katalysator neue Tricks beigebracht. Zusätzlich wurden leicht verfügbare N-Hydroxyphthalimid-Ester als bifunktionelle Reagenzien eingesetzt, wodurch wir zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen haben“, sagt Dr. Huan-Ming Huang, Erstautor der Studie.
Förderung:
Die Studie erhielt finanzielle Unterstützung von der Alexander von Humboldt-Stiftung, der Europäischen Union über den „Marie Skłodowska Curie Grant“ und der Deutschen Forschungsgemeinschaft über den Sonderforschungsbereich SFB 858 und den Leibniz-Preis.
Prof. Dr. Frank Glorius (Westfälische Wilhelms-Universität Münster)
Tel: +49 251 8333248
glorius@uni-muenster.de
H.-M. Huang et al. (2020): Catalytic radical generation of π-allylpalladium complexes. Nature Catalysis; DOI: 10.1038/s41929-020-0434-0
https://www.nature.com/articles/s41929-020-0434-0 Originalpublikation in “Nature Catalysis”
https://www.uni-muenster.de/Chemie.oc/glorius/ WWU-Forschergruppe Prof. Frank Glorius
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie
Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.
Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.
Neueste Beiträge
Neues Verfahren zur Rückgewinnung wertvoller Elemente aus Holzasche
Team der Hochschule Rottenburg und der Universität Tübingen erarbeitet Grundlagen zur Aufbereitung des bisherigen Verbrennungsabfalls als Sekundärrohstoff. Die Aschen, die bei der Holzverbrennung in Heiz- und Kraftwerken entstehen, enthalten wertvolle…
Auf der Spur des „Schlüsselproteins“
Neues Forschungsprojekt zur Ursache von Lungenhochdruck bei Herzinsuffizienz. Pulmonale Hypertonie (PH) ist eine schwerwiegende Erkrankung, bei der der Druck in den Blutgefäßen zwischen Herz und Lunge dauerhaft erhöht ist. Besonders…
Tumorzellen auf Kupfer-Entzug
Nanofasern aus Kupfer-bindenden Peptiden stören Kupfer-Homöostase in Krebszellen. In hohen Konzentrationen ist es giftig, aber als Spurenelement ist Kupfer lebensnotwendig. Viele Tumore benötigen für ihr ausuferndes Wachstum deutlich mehr Kupfer…