Enzyme für industrielle Anwendungen fit machen
Neue Techniken, mit denen sich bakterielle Enzyme effizient an Elektroden koppeln lassen, haben Forscherinnen und Forscher der Ruhr-Universität Bochum (RUB) entwickelt. Zusammen mit einem Team von der University of Utah realisierten sie basierend auf einem Nitrogenase-Enzym ein System für die Ammoniaksynthese.
Außerdem konzipierten sie aufbauend auf einem Hydrogenase-Enzym, gemeinsam mit einem Team vom Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion, eine Wasserstoff-Sauerstoff-Biobrennstoffzelle. Beide Arbeiten sind in der Zeitschrift „Angewandte Chemie“ veröffentlicht, erschienen im Mai und Juni 2020.
Viele Enzyme, die in der Natur vorkommen, sind leistungsfähige Katalysatoren, etwa die sogenannten [FeFe]-Hydrogenasen, mit deren Hilfe Bakterien Wasserstoff produzieren, oder Nitrogenasen, denen es gelingt die stärkste Bindung in der Natur im Stickstoff zu aktivieren. Beide Enzyme sind hochempfindlich gegenüber Sauerstoff, nutzen aber gut verfügbare Nichtedelmetalle in ihren aktiven Zentren. So könnten sie eines Tages teure Edelmetallkatalysatoren ersetzen.
„Solche hochempfindlichen Katalysatoren für Biobrennstoffzellen zu nutzen ist nach wie vor eine der größten Herausforderungen bei der nachhaltigen Energieumwandlung“, sagt Prof. Dr. Wolfgang Schuhmann, Leiter des RUB-Zentrums für Elektrochemie und Mitglied im Exzellenzcluster Ruhr Explores Solvation, Resolv.
Biobrennstoffzelle mit Enzym realisiert
In Kooperation mit dem Team um Prof. Dr. Wolfgang Lubitz vom Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion in Mülheim an der Ruhr zeigte die Bochumer Gruppe, unter welchen Umständen das dennoch möglich ist. Sie nutzten eine sogenannte [FeFe]-Hydrogenase aus dem Bakterium Desulfovibrio desulfuricans. Diese ist zwar ein sehr effizienter Katalysator, muss aber in der Brennstoffzelle vor dem Sauerstoff geschützt werden, der an der zweiten Elektrode zum Betrieb benötigt wird.
In der vorliegenden Arbeit integrierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die [FeFe]-Hydrogenase erstmals in eine mit sogenannten Gasdiffusionselektroden betriebene Biobrennstoffzelle. In dieser werden der Wasserstoff und der Sauerstoff durch eine Membran zu den Enzymen geleitet.
Das Team bettete das Enzym in eine Matrix aus einem sogenannten Redoxpolymer ein, welches das Enzym auf der gasdurchlässigen Elektrodenoberfläche fixiert; gleichzeitig schützt es vor den schädlichen Einflüssen von Sauerstoff und stellt zudem elektrischen Kontakt zwischen Enzym und Elektrode her. Mit diesem Aufbau erreichte die Brennstoffzelle bisher nicht erreichte hohe Stromdichten von 14 Milliampere pro Quadratzentimeter und hohe Leistungsdichten von 5,4 Milliwatt pro Quadratzentimeter.
Biobasiertes Verfahren für die Ammoniakproduktion
In der zweiten Arbeit suchten die Bochumer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gemeinsam mit der US-amerikanischen Gruppe um Prof. Shelley Minteer von der Universität in Salt-Lake City nach einer bioelektrosynthetischen Alternative für die Ammoniaksynthese. In der chemischen Industrie wird Ammoniak standardmäßig mit dem Haber-Bosch-Verfahren bei hoher Temperatur und hohem Druck und mit einer erheblichen CO2-Freisetzung hergestellt.
Manche Bakterien besitzen Enzyme, Nitrogenasen genannt, mit denen sie molekularen Stickstoff (N2) fixieren und bei Raumtemperatur und ohne erhöhten Druck verstoffwechseln können. In lebenden Organismen verbraucht das jedoch viel Energie in Form der Energiespeichermoleküle ATP.
Das Forschungsteam zeigte, dass es möglich ist, die Nitrogenase aus dem Bakterium Azotobacter vinelandii mit einer Elektrode zu koppeln, über die die erforderlichen Elektronen für die Reaktion zugeliefert werden können, sodass kein ATP benötigt wird. Schlüssel zum Erfolg war einmal mehr ein Redoxpolymer, mit dessen Hilfe ein stabiler und effizienter elektrischer Kontakt zwischen der Elektrode und dem Nitrogenase-Redoxpolymer-Verbund herstellt werden konnte. „Unseres Wissens nach sind die Fixierung und Kontaktierung von Nitrogenasen in Redoxpolymeren der erste Schritt, um Nitrogenasen für die Bioelektrosynthese anwendbar zu machen“, schreiben die Autorinnen und Autoren der Studie.
Förderung
Die Arbeiten mit der Hydrogenase wurden finanziell unterstützt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Exzellenzclusters Resolv (EXC 2033; Projektnummer 390677874) und im Rahmen des Schwerpunktprogramms „Eisen-Schwefel für Leben“ (SPP 1927, Projekt BI 2198/1-1). Weitere Unterstützung kam von der Max-Planck-Gesellschaft.
Die Arbeiten mit der Nitrogenase wurden unterstützt vom Energieministerium der USA (DE-SC0017845), von Fulcrum Biosciences, von der Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Exzellenzclusters Resolv (EXC 2033, Projektnummer 390677874), vom Europäischen Forschungsrat sowie im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon 2020 der Europäischen Union (CasCat, Fördernummer 833408).
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Wolfgang Schuhmann
Analytische Chemie
Zentrum für Elektrochemie
Fakultät für Chemie und Biochemie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 26200
E-Mail: wolfgang.schuhmann@rub.de
Originalpublikation:
Julian Szczesny, James A. Birrell, Felipe Conzuelo, Wolfgang Lubitz, Adrian Ruff, Wolfgang Schuhmann: Eine Redoxpolymer-basierte Gasdiffusions-H2-Oxidationsbioanode mit hoher Stromdichte unter Verwendung von [FeFe]-Hydrogenase aus Desulfovibrio desulfuricans in einer membranfreien Biobrennstoffzelle, in: Angewandte Chemie, 2020, DOI: 10.1002/ange.202006824, 10.1002/anie.202006824
Yoo Seok Lee, Adrian Ruff, Rong Cai, Koun Lim, Wolfgang Schuhmann, Shelley D. Minteer: Elektroenzymatische Stickstofffixierung unter Verwendung eines MoFe‐Proteinsystems immobilisiert in einem organischen Redoxpolymer, in: Angewandte Chemie, 2020, DOI: 10.1002/ange.202007198, 10.1002/anie.202007198
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