Flinke Enzyme mit zwei Fingern: Schalterprotein strukturell und dynamisch aufgeklärt
Forscher der RUB und vom MPI Dortmund haben den Mechanismus aufgeklärt, der die Zelltransport-regulierenden Proteine ausschaltet. Sie konnten im Detail auflösen, wie das zentrale Schalterprotein Rab mit zwei „Protein-Fingern“ von seinem Interaktionspartner herunterreguliert wird.
Die strukturellen und dynamischen Daten berichten die Forscher um Prof. Dr. Klaus Gerwert (Lehrstuhl für Biophysik, RUB) und Prof. Dr. Roger S. Goody (Max-Planck-Institut für Molekulare Physiologie, Dortmund) in der Online Early Edition der Zeitschrift PNAS. „Anders als beim Zellwachstumsprotein Ras, das mit nur einem ‚Finger‘ reguliert wird, haben wir überraschenderweise einen Zweifinger-Abschaltmechanismus bei Rab gefunden. Das wirft ein völlig neues Licht auf die Funktionsweise bestimmter Enzyme, der kleinen GTPasen, zu denen Rab gehört“, erklärt Klaus Gerwert.
Schalterproteine mit verschiedenen Krankheiten assoziiert
Anders als Ras-Proteine, die das Zellwachstum regulieren, steuern Rab-GTPasen (auch Rab-Proteine genannt) diverse Transportvorgänge zwischen verschiedenen Bereichen einer Zelle. Ist das Transportsystem gestört, können Krankheiten wie Fettleibigkeit entstehen. Die Rab-Proteine funktionieren genau wie die Ras-Proteine als Schalter. Im „An“-Zustand ist das energiereiche Molekül GTP gebunden, im „Aus“-Zustand das energieärmere GDP. Das Abschalten von GTP zu GDP wird durch sogenannte RabGAP-Proteine katalysiert. Dabei wird GTP in GDP und Phosphat gespalten. Das Forscherteam beobachtete zum ersten Mal die zugrundeliegende Reaktion räumlich und zeitlich mit höchstmöglicher atomarer Auflösung.
Erst ein Schnappschuss, dann ein ganzer Film
Mit der Röntgenstrukturanalyse bestimmten die Forscher zunächst die räumliche Struktur des Protein-Komplexes. Die Daten zeigten einen Finger bestehend aus der Aminosäure Arginin und einen zweiten Finger aus Glutamin. Der Arginin-Finger war bereits von Ras bekannt. Neu und überraschend ist der Glutamin-Finger. Mit beiden Fingern dringt RabGAP in die GTP-Bindetasche von Rab ein und beschleunigt die GTP-Spaltung um fünf Größenordnungen. Diesen dynamischen Prozess verfolgten die Biophysiker mit der FTIR-Spektroskopie in Echtzeit. „Anders als die Röntgenstrukturanalyse liefert uns die FTIR-Spektroskopie nicht nur einen Schnappschuss von der Reaktion, sondern einen kompletten Film“, sagt PD Dr. Carsten Kötting. Das Ergebnis: Beide katalytischen Finger dringen zeitgleich in die GTP-Bindetasche ein und verlassen sie zusammen mit dem von GTP abgespaltenen Phosphat.
Medizinisch interessanter Mechanismus
In ihrem Experiment untersuchten die Wissenschaftler das Protein Rab1b und das RabGAP TBC1D20. Andere Rab-Proteine und RabGAPs ähneln diesen beiden Vertretern. „Daher nehmen wir an, dass sie ebenfalls über einen Zweifinger-Mechanismus interagieren“, spekuliert Konstantin Gavriljuk. Die Fähigkeit des Zweifinger-Systems auch mutierte Rab-Proteine, also mutierte GTPasen, abzuschalten, könnte auch medizinisch interessant sein. Denkbar wäre es, kleine Moleküle zu entwickeln, die den Zweifinger-Mechanismus imitieren und auf diese Weise andere mutierte GTPasen, wie zum Beispiel Ras, abschalten, die unkontrolliert Wachstumssignale aussenden und so an der Tumorentstehung beteiligt sind.
Titelaufnahme
K. Gavriljuk, E.-M. Gazdag, A. Itzen, C. Kötting, R.S. Goody, K. Gerwert (2012): Catalytic mechanism of a mammalian Rab•RabGAP complex in atomic detail, PNAS, DOI: 10.1073/pnas.1214431110
Weitere Informationen
Prof. Dr. Klaus Gerwert, Lehrstuhl Biophysik, Fakultät für Biologie und Biotechnologie der Ruhr-Universität, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-24461, E-Mail: klaus.gerwert@bph.ruhr-uni-bochum.de
Angeklickt
Frühere Presseinformation zum Zellwachstumsprotein Ras
http://aktuell.ruhr-uni-bochum.de/pm2012/pm00293.html.de
Redaktion: Dr. Julia Weiler
Media Contact
Weitere Informationen:
http://www.ruhr-uni-bochum.deAlle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie
Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.
Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.
Neueste Beiträge
Bekämpfung lebensbedrohlicher Pilzinfektionen durch RNA-Modifikationen
Die Bedeutung von RNA-Modifikationen für die Entwicklung von Resistenzen bei Pilzen lässt auf eine wirksamere Behandlung von Pilzinfektionen hoffen. Ein oft übersehener Mechanismus der Genregulation könnte an dem Scheitern von…
Entschlüsselung der Aphasie: Globale Studie analysiert den Kampf der Patienten mit Verbzeiten
Ein internationales Forscherteam, darunter Wissenschaftler des HSE-Zentrums für Sprache und Gehirn, hat die Ursachen für Beeinträchtigungen beim Ausdruck der grammatischen Zeit bei Menschen mit Aphasie identifiziert. Sie entdeckten, dass Personen…
Dem Sturm entgegentreten: Eine vorbereitete Zukunft angesichts extremer Klima- und Wetterveränderungen
Von den anhaltenden Dürren im südlichen Afrika und in Mittelamerika zu Beginn des Jahres bis hin zu den jüngsten verheerenden extremen Regenfällen in Spanien und dem tödlichen Hurrikan Helene an…