Forscher entschlüsseln, wie Pflanzen ihre Blätter abwerfen
Ohne sie gäbe es kein raschelndes Laub auf herbstlichem Boden: Peptidhormone heißen die Substanzen, die den Blattabwurf bewirken. Prof. Dr. Andreas Schaller, Pflanzenphysiologe an der Universität Hohenheim, hat nun mit seinem Team herausgefunden, wie diese Peptidhormone gebildet werden – und damit einen der grundlegenden Prozesse in der Pflanzenwelt aufgeklärt. Die Ergebnisse sind jetzt im Wissenschaftsmagazin „Science“ veröffentlicht: https://dx.doi.org/10.1126/science.aai8550.
Laubabwurf und Blutzuckerspiegel – zwei Dinge, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Doch das täuscht: Beide Vorgänge werden durch Hormone mit Protein-Struktur, sogenannte Peptidhormone, reguliert. Beim Blutzucker ist dies das allgemein bekannte Insulin.
Dass Peptidhormone auch bei Pflanzen eine wichtige Rolle spielen, weiß man erst seit wenigen Jahren. „Sie sind etwa bei der Abwehr von Insekten von Bedeutung, und sie steuern Entwicklungsprozesse – wie zum Beispiel den Abwurf von Pflanzenorganen“, erklärt Prof. Dr. Andreas Schaller, Pflanzenphysiologe an der Universität Hohenheim.
Doch eine Frage war bis jetzt noch völlig offen: Wie die Pflanze solche Peptidhormone bildet. Diese Lücke konnte Prof. Dr. Schaller gemeinsam mit Dr. Annick Stintzi und seinen Mitarbeitern Katharina Schardon und Matthias Hohl nun schließen. Das renommierte Wissenschaftsjournal „Science“ hat die Forschungsergebnisse jetzt publiziert: https://dx.doi.org/10.1126/science.aai8550.
Acker-Schmalwand als Modellpflanze
Wenn die Pflanze Peptidhormone herstellt, bildet sie im ersten Schritt eine Vorstufe. „Das ist ein größeres Protein, aus dem das kleine Hormon anschließend herausgeschnitten wird“, erklärt Prof. Dr. Schaller. „Wir konnten klären, wie dieser Prozess funktioniert und welche Enzyme, auch Proteasen genannt, diese Proteinspaltung kontrollieren.“
Als Beispiel dient dem Forscherteam das Peptidhormon, das für den Abwurf von Pflanzen-Organen verantwortlich ist – der Laubblätter im Herbst ebenso wie der Blütenblätter nach der Bestäubung. Untersucht wurde die Frage an der Acker-Schmalwand Arabidopsis thaliana, die in der Forschung häufig als Modellpflanze fungiert.
Hemmstoff schaltet Proteasen aus
An dem Abwurf der Blütenblätter bei dieser Pflanze sind mehrere Proteasen beteiligt, die auch füreinander in die Bresche springen, wenn eine ausfällt. Deshalb müssen die Wissenschaftler alle Proteasen gleichzeitig hemmen, um ihre Funktion zu ermitteln. „Wir bringen die Pflanze dazu, selbst genau an der Blütenansatzstelle einen Hemmstoff zu bilden“, erläutert der Experte. „Und dafür nehmen wir einen anderen Organismus als Werkzeug.“
Ein Pilz, der Erreger der Kraut- und Knollenfäule der Kartoffel, ist dieses Werkzeug. Er ist in der Lage, den Hemmstoff zu bilden. Das dafür verantwortliche Gen schleust die Pflanzenphysiologen in die Acker-Schmalwand ein. Das Ergebnis: Die Pflanze wirft die Blütenblätter nicht mehr ab. „Daher wissen wir nun, dass die Proteasen für diesen Vorgang verantwortlich sind“, schlussfolgert Prof. Dr. Schaller.
Drei Proteasen bewirken Abwurf der Blütenblätter
Um die Proteasen noch genauer zu betrachten, isolieren die Forscher sie aus der Pflanze und testen im Labor, welche von ihnen das Peptid spalten kann. „Letztendlich sind es drei Proteasen, die für den Abwurf der Blütenblätter nötig sind“, berichtet der Forscher. „Es handelt sich um sogenannte Subtilasen, eng verwandt mit Substanzen, die in Waschmitteln gegen Proteinflecken zum Einsatz kommen.“
Dieser grundlegende Prozess dürfte in anderen Pflanzen auf ähnliche Art stattfinden, vermutet Prof. Dr. Schaller. „Und er ist von immenser Bedeutung in der Pflanzenwelt – sowohl für die Natur als auch für die Landwirtschaft.“
Kontakt für Medien:
Prof. Dr. Andreas Schaller, Universität Hohenheim, Fachgebiet Physiologie und Biotechnologie der Pflanzen, T 0711 459 22197, E Andreas.Schaller@uni-hohenheim.de
Text: Elsner
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