Forscher sehen Stammzellen bei ihrer Spezialisierung im Gehirn zu

Adulte Stammzellen stellen eine große Hoffnung für die moderne Biomedizin dar. Sie stammen aus dem erwachsenen Organismus, daher gilt ihre Verwendung als ethisch unbedenklich. Sie sind sehr flexibel und können sich noch in eine Vielzahl von speziellen Zelltypen verwandeln. So werden geschädigte Organe oder Gewebe stabilisiert oder können sich sogar regenerieren.

Neuronale Stammzellen, die ein Reservoir für Nervenzellen bilden, werden unter anderem für die Therapie neurodegenerativer Erkrankungen wie Morbus Parkinson oder Morbus Alzheimer erforscht. Sie können sich in alle Haupttypen der Hirnzellen differenzieren. Allerdings ist über diese Mechanismen wenig bekannt.

Tübinger Forscher unter der Leitung von Professorin Olga Garaschuk vom Physiologischen Institut der Universität Tübingen haben sie in Zusammenarbeit mit der Yale Universität, New Haven, USA, dem Max-Planck-Institut für Neurobiologie in Martinsried und dem Helmholtz Zentrum für Umwelt und Gesundheit in München genauer untersucht.

Sie haben erstmals konkrete Informationen über die funktionellen Eigenschaften von Zellen gesammelt, während sie sich im lebenden Tier von Vorläufern zu Hirnzellen differenzierten. Ihre Ergebnisse wurden im Magazin Nature Communications veröffentlicht.

Im Gehirn erwachsener Säugetiere gibt es nur zwei Orte, an denen sich Stammzellen befinden, aus denen Nervenzellen gebildet werden können: Sie liegen in den Seitenventrikeln und im Hippocampus. Die Forscherinnen und Forscher konzentrierten sich auf eine Stammzellzone der Seitenventrikel, aus der Vorläufer der Nervenzellen in Richtung des Riechkolbens wandern.

Der Riechkolben oder Bulbus olfactorius ist eine Struktur an der vorderen Basis des Gehirns, in dem die aus der Nasenschleimhaut heranführenden Riechnerven enden. Dort spezialisieren sich die einstigen Stammzellen für Aufgaben bei der Verarbeitung von Geruchsinformationen.

„Durch den Einsatz neuartiger Mikroskopiemethoden konnten wir erstmals die Aktivität von wandernden Neuronenvorläuferzellen im Riechkolben der Maus direkt beobachten“, sagt Olga Garaschuk. Ermöglicht wurden die Messungen durch die Verwendung spezieller Fluoreszenzfarbstoffe, deren Leuchtintensität sich entsprechend der Zellaktivität ändert.

Die Untersuchungen zeigten, dass bereits 48 Stunden nach Eintreffen der Zellen im Riechkolben etwa die Hälfte der Zellen in der Lage war, auf Geruchsreize zu antworten. Obwohl die Neuronenvorläufer immer noch wanderten, ähnelte ihre Empfindlichkeit für Geruchsstoffe und ihre elektrische Aktivität bereits der von den umgebenden, reifen Nachbarzellen. Das reife Aktivitätsmuster dieser Zellen stand im starken Kontrast zu ihrem molekularbiologischen Erscheinungsbild, das für unreife, wandernde Neuronenvorläufer typisch war.

„Unsere Daten dokumentieren eine erstaunlich schnelle funktionale Integration der Vorläuferzellen in das bestehende neuronale Netzwerk“, sagt die Forscherin. „Sie zeigen außerdem, dass sensorische Reize der Umgebung eine bedeutende Rolle für die Integration dieser Zellen spielen können.“

Originalpublikation:
Kovalchuk Y, Homma R, Liang Y, Maslyukov A, Hermes M, Thestrup T, Griesbeck O, Ninkovic J, Cohen LB, Garaschuk O. (2015) In vivo odorant response properties of migrating adult-born neurons in the mouse olfactory bulb. Nature Communications, 19. Februar 2015, DOI: 10.1038/ncomms7349.

Kontakt:
Prof. Dr. Olga Garaschuk
Universität Tübingen
Physiologisches Institut
Telefon +49 7071 29-73641
olga.garaschuk[at]uni-tuebingen.de

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Dr. Karl Guido Rijkhoek idw - Informationsdienst Wissenschaft

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