Forschung zu Adhäsionsstrukturen in Zellen
Studie zeigt erstmals, dass verschiedene Formen von Adhäsionsstrukturen bei Zellen ineinander übergehen.
Zellen bilden Anheftungs-Strukturen aus, um sich in ihrer Umgebung zu verankern. Ihr koordinierter Auf- und Abbau ermöglicht es auch, dass Zellen sich von einem Ort zum anderen bewegen. Von diesen Adhäsionen gibt es verschiedene Formen. Gut untersucht sind die fokalen Adhäsionen. Bislang ging die Forschung davon aus, dass sie neu entstehen, wenn Zellen sich bewegen. Eine Studie unter Leitung eines Kaiserslauterer Forscherteams hat nun erstmals gezeigt, dass verschiedene Formen von Adhäsionen ineinander übergehen. Dabei bleibt ein Proteingerüst erhalten. Es ändern sich nur spezifische Molekülkomplexe, wie das Team in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Communications schreibt.
In unserem Körper gibt es Zellen, die etwa im Gewebe dicht an dicht verankert sind oder die sich wie die Immunzellen bewegen. Allen gemein ist, dass sie bestimmte Strukturen benötigen, um sich in ihrer Umgebung anzuheften. „Dabei handelt es sich um spezielle Proteinkomplexe, die eine Adhäsion, also ein Anhaften, möglich machen“, sagt Professorin Dr. Tanja Maritzen, die an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU) zu Nanophysiologie forscht.
Solche Adhäsionen spielen nicht nur bei Zellen innerhalb eines Gewebes eine Rolle, sondern auch bei Vorgängen, bei denen Zellen sich bewegen müssen, beispielsweise bei der Embryonalentwicklung oder bei Wunden, wenn Zellen dort einwandern müssen, um diese zu schließen. Darüber hinaus sind sie für die Kommunikation von Zellen mit ihrer Umgebung von Bedeutung. „Das heißt, auf der einen Seite muss es sehr dauerhafte Verankerungen geben, auf der anderen Seite aber auch dynamische Strukturen, die eine Fortbewegung ermöglichen“, fährt die Professorin fort. In der Forschung unterscheidet man zwischen verschiedenen Formen der Adhäsion: „Gut untersucht ist die fokale Adhäsion, die auch kanonische Adhäsion genannt wird.“
Für diese Form des Anhaftens ist ein Proteinkomplex in der Zellmembran verantwortlich. Er ist wie folgt aufgebaut: Spezielle Proteine, die Integrine, sind in der Membran verankert. Sie haben außerhalb der Zelle einen Anteil, mit dem sie an spezifische Proteine der extrazellulären Matrix binden und dadurch im Raum zwischen den Zellen anhaften. Auch in die Zelle hinein ist das Integrin über einen Proteinkomplex fest angebunden. Darin befindet sich unter anderem das Paxillin als spezifischer Bestandteil fokaler Adhäsionen.
Außerdem gibt es sogenannte retikuläre Adhäsionen, Adhäsionsnetzwerke und Retraktionsfasern, die alle ebenfalls Integrine enthalten, aber sich in ihrem Aufbau ansonsten unterscheiden, so findet man zum Beispiel kein Paxillin in ihnen. Bei diesen drei Formen spricht man auch von nicht-kanonischen Adhäsionen. Sie sind noch nicht so gut untersucht.
„Bislang ging die Forschung davon aus, dass fokale Adhäsionen komplett neu entstehen, etwa wenn Zellen sich bewegen“, so Maritzen weiter. In seiner aktuellen Studie ist das Team um die Kaiserslauterer Professorin und ihren Mitarbeiter Dr. Fabian Lukas der Frage nachgegangen, ob die unterschiedlichen Formen der Adhäsionen sich nicht auch ineinander umwandeln können. Lukas, der Erstautor der aktuellen Studie, erläutert. „Wir haben die Vermutung aufgestellt, dass die Integrine als Grundgerüst vorhanden bleiben und die anderen beteiligten Molekülkomplexe ausgetauscht werden.“
Bei ihren Untersuchungen hat die Arbeitsgruppe davon profitiert, dass sie sich schon lange mit einem bestimmten Protein, Stonin1, beschäftigt. „Denn dieses Protein ist bei den nicht-kanonischen Adhäsionen zu finden, nicht jedoch bei den fokalen“, führt Lukas aus, „und kann somit als Identifikationsmerkmal für diese Strukturen verwendet werden.“
Um ihre These zu überprüfen, haben die Forscherinnen und Forscher eine Reihe von Experimenten durchgeführt. Zur Vorbereitung haben sie die Gene für Stonin1 und Integrin (genauer gesagt Integrin ß5) mit der Genschere CRISPR/Cas9 so modifiziert, dass sie an einem Ende die DNA-Sequenz für ein fluoreszierendes Protein angeheftet haben. Dies ermöglicht es, sie mit Fluoreszenzmikroskopie in der Zelle zu beobachten. Ebenfalls markiert haben sie Paxillin.
Im Anschluss haben sie sich die Adhäsionsstrukturen an Membranen von lebenden Zellen mithilfe eines hochauflösenden Mikroskops angesehen und die Entwicklung verfolgt, zum Beispiel während sich eine Zelle teilt. Dazu muss sie sich zu einer Kugel formen, wobei die fokalen Adhäsionen abgebaut werden. „Solch ein Zellzyklus dauert rund 120 Minuten. In dieser Zeit haben wir gesehen, dass die Integrine unverändert bestehen bleiben“, erläutert Lukas.
Anders war es jedoch bei den Proteinen Paxillin und Stonin1. „Wir haben beobachtet, dass Paxillin mit der Zeit verschwindet, während Stonin1 auftaucht. Die Adhäsionsstrukturen sind demnach weiter in der Zelle vorhanden, sie ändern nur ihre molekulare Zusammensetzung“, schlussfolgert Maritzen.
Während der Zellteilung nutzt die Zelle demnach eine retikuläre Adhäsion, um in ihrer Umgebung anzuheften. Nach der Teilung lässt sich Folgendes beobachten: Bei den zwei Tochterzellen werden aus den retikulären wieder fokale Adhäsionen.
In einem weiteren Experiment haben sie untersucht, was bei Zellen passiert, die in Bewegung sind. „Die Zellen lassen Membranstränge, sogenannte Retraktionsfasern, zurück, wenn sie wandern. Auch hier haben wir gesehen, dass Integrin als stabiles Gerüst in diesen Strukturen erhalten bleibt. Wenn die Zelle ihre Richtung ändert und sich über diese Fasern bewegt, wird Stonin1 mit der Zeit durch Paxillin ausgetauscht, sodass aus einer Retraktionsfaser eine fokale Adhäsion wird“, fasst Lukas zusammen.
Die Ergebnisse belegen erstmals den Zusammenhang zwischen den verschiedenen Adhäsions-Formen: Die fokalen Adhäsionen entstehen nicht wie bisher angenommen immer von Neuem, sondern auch durch Recycling eines stabilen Integrin-Grundgerüsts, bei dem nur spezifische Bindepartner ausgetauscht werden.
An der Studie waren Forscherinnen und Forscher der RPTU in Kaiserslautern, des Leibniz-Forschungsinstituts für Molekulare Pharmakologie in Berlin, des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in Berlin, der Freien Universität Berlin, der Charité Universitätsmedizin sowie des National Heart, Lung, and Blood Institute im US-amerikanischen Bethesda (Maryland) beteiligt.
Die Studie ist in der renommierten Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht worden: „Canonical and non-canonical integrin-based adhesions dynamically interconvert“
DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-024-46381-x
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Professorin Dr. Tanja Maritzen
Nanophysiologie
RPTU in Kaiserslautern
E-Mail: maritzen[at]rptu.de
Tel.: 0631 205-4908
Originalpublikation:
Nature Communications
„Canonical and non-canonical integrin-based adhesions dynamically interconvert“
DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-024-46381-x
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