Frischhaltekur der Zellen als Lebensversicherung des Siebenschläfers
Siebenschläfer erreichen ein maximales Alter von 13 Jahren. Das bedeutet eine besonders lange Lebensspanne im Vergleich zu anderen kleinen Nagern oder Wildtieren. Die extreme Langlebigkeit vermutet Franz Hölzl, vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Vetmeduni Vienna, unter anderem in ihrer Fähigkeit zur Verlängerung von Telomeren.
Diese sind die Schutzkappen des Erbguts von Eukaryoten, also Lebewesen, deren Zellen einen echten Zellkern haben. In normalen Körperzellen verkürzen sich die Telomere mit jeder Zellteilung, sprich jedem Alterungsschritt. Deshalb werden sie als molekulares Maß für Alterungsprozesse von Organismen verwendet.
Das Team um Franz Hölzl konnte bereits zeigen, dass Siebenschläfer fähig sind ihre Telomere zu verlängern, wenn ausreichend Nahrung vorhanden ist. Dieses Ergebnis führte allerdings zu der Frage, ob es auch ein langfristiges Gleichgewicht zwischen der Telomerverkürzung und –reparatur gibt.
Längere Schutzkappen für das Erbgut bei älteren Siebenschläfern
Die Forschenden untersuchten deshalb in einer Langzeitstudie die Veränderung der Telomer-Längen von freilebenden Siebenschläfern. Über drei Jahre lang sammelten die Forschenden Proben der Mundschleimhaut. Dabei untersuchten sie Siebenschläfer aus 130 Nistkästen im österreichischen Wienerwald. Aus den gewonnen Hautzellen wurde das Erbgut der Tiere gewonnen und mit Hilfe der sogenannten quantitativen Polymerase-Kettenreaktion vervielfältigt.
„Durch diese Methode weist man das Erbgut nicht nur nach, sondern kann es auch mengenmäßig vergleichen. Verkürzte Telomere werden dabei weniger oft nachgewiesen, als unveränderte oder verlängerte Telomere. Dadurch konnten wir erstmals zeigen, dass die Telomerlänge bei jüngeren Tieren (zwischen 1-5 Jahren) abnahm, bei Siebenschläfern ab einem Alter von sechs Jahren aber wieder zunahm. Je älter die Tiere wurden, desto mehr wurden die Schutzkappen verlängert”, erklärt Hölzl.
Je älter der Siebenschläfer, desto „jünger“ seine Zellen
Nur das Alter der Tiere hatte einen signifikanten Effekt auf die Telomerlänge. Sie war weder vom Geschlecht der Tiere, noch vom Zeitpunkt der Probennahme oder dem Körpergewicht abhängig. Auch eine Abhängigkeit von der Fortpflanzungsaktivität konnte nicht eindeutig nachgewiesen werden. Trotzdem zeigte eine Analyse der Fortpflanzungsdaten der weiblichen Tiere in der Population, dass die Wahrscheinlichkeit sich fortzupflanzen mit zunehmendem Alter ansteigt.
Das könnte darauf hindeuten, dass Siebenschläfer ihre Telomere in Vorbereitung auf zukünftige Reproduktionsereignisse verlängern. Denn gerade Trächtigkeit und Laktation können den oxidativen Stress erhöhen. Die Verlängerung der Telomere könnte damit einen Schutzmechanismus für die Zellen in dieser Phase darstellen.
Abbau der Telomere auch von oxidativem Stress und Tierart abhängig
Die frei als Schutzkappen bezeichneten Telomere sind spezielle DNS-Sequenzen an den Enden eines Chromosoms. Gemeinsam mit Eiweißen schützen sie das Erbgut vor dem Abbau. Sind sie selbst aufgebraucht, wie nach vielen Zellteilungen, kann sich die Zelle nicht mehr teilen und stirbt in letzter Konsequenz ab. Telomere verkürzen sich allerdings nicht nur mit jeder Zellteilung in den normalen Körperzellen.
Auch der sogenannte oxidative Stress, also das vermehrte Auftreten von schädlichen, freien Radikalen in einer Zelle, z. B.: durch Erkrankung und Umwelteinflüsse, spielt eine entscheidende Rolle bei ihrem Abbau. Der schrittweise Rückgang der Telomere unterscheidet sich allerdings stark zwischen verschiedenen Tierarten. Die Schutzkappen der DNA verbrauchen sich rascher in schnell alternden, kurzlebigen Wildtieren als in anderen langsam alternden, langlebigen Tierarten.
Spezifischer Nachweis von Mengenunterschieden durch quantitative Analyse
Um den Abbau zu studieren, gewinnt man das Erbgut, die DNS, aus den Zellen einer Tierart. Man reinigt sie auf und vervielfältigt sie anschließend. Dazu nutzt man das molekulare Verfahren der Polymerasen-Kettenreaktion. Mit dieser Methode ist es möglich einen genau abgegrenzten, kleinen Bereich der DNA (z.B.: Telomere) so oft zu kopieren, dass er mit Färbemethoden sichtbar gemacht werden kann.
In der quantitativen, sprich der zählbaren Form der Analyse lassen sich genaue Mengenunterschiede der Kopien unterscheiden. Damit lässt sich feststellen wie häufig ein Telomerabschnitt noch in den Zellen zu finden ist. Je häufiger dieser Abschnitt schon abgebaut wurde, desto geringer wird die Kopienzahl im Vergleich zu intakten Telomeren sein.
Service:
Der Artikel Telomeres are elongated in older individuals in a hibernating rodent, the edible dormouse (Glis glis)“ von Franz Hoelzl, Steve Smith, Jessica S. Cornils, Denise Aydinonat, Claudia Bieber und Thomas Ruf wird heute, den 24.11., um 11:00 CET in Scientific Reports (Nature Publishing Group) veröffentlicht.
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