Frühes Leben auf der Erde durch Enzym limitiert
In der frühen Erdgeschichte blieb der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre für rund zwei Milliarden Jahre lang so niedrig, dass sich kein Leben an Land entwickeln konnte. Forscher aus London haben zusammen mit Prof. Dr. William F. Martin vom Institut für Molekulare Evolution der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) nun in einem einzelnen Enzym, der sogenannten Nitrogenase, einen möglichen Grund für diese lange Stagnation der Evolution erkannt. Ihre Theorie stellen sie in der Zeitschrift ‚Trends in Plant Science‘ vor.
Freier Sauerstoff, der für Menschen, Tiere und Pflanzen überlebensnotwendig ist, kam auf der frühen Erde nicht vor. Die Atmosphäre bestand vornehmlich aus Kohlendioxid und Stickstoff.
„Dies änderte sich, als Cyanobakterien mit Hilfe der Nitrogenase den ersten Sauerstoff zu produzieren begannen“, so Prof. Dr. John F. Allen vom University College London, Erstautor einer gemeinsam mit Brenda Thake von der Londoner Queen Mary University und dem HHU-Biologen Prof. Dr. William Martin veröffentlichten Studie.
Allerdings stieg der Sauerstoffgehalt der Erdatmosphäre nicht stetig an, sondern verharrte etwa zwei Milliarden Jahre lang bei zwei Volumenprozent. In diesem Erdzeitalter, dem „Proterozoikum“, kam es nur zu kleinen Veränderungen in der Evolution des Lebens, des Ozeans und der Atmosphäre sowie des Klimas – einige nennen es denn auch die „langweilige Milliarde“. Erst danach stieg der Sauerstoffgehalt auf heute rund 21 Prozent an.
„Es gibt viele Ideen, warum sich der Luftsauerstoffgehalt über einen unglaublich langen Zeitraum bei zwei Prozent stabilisierte, einschließlich der Reaktion von Sauerstoff mit Metallionen“, sagt Prof. Martin und ergänzt: „Bemerkenswerterweise wurde die Schlüsselrolle der Nitrogenase jedoch völlig übersehen.“
Das Forscherteam stellt in den ‚Trends in Plant Science‘ eine neue These vor, in der sie eine negative Rückkopplungsschleife dieses Enzyms für die lange Stagnation der Evolution verantwortlich machen. Denn die Nitrogenase ist zwar für die Bildung von Sauerstoff entscheidend, gleichzeitig aber blockiert ein zu hoher Sauerstoffgehalt ihre Funktion. Dazu Brenda Thake: „Aus Laboruntersuchungen von Cyanobakterien wissen wir, dass die Nitrogenase ab einem zweiprozentigen Sauerstoffgehalt nicht mehr arbeitet, da sie vom Sauerstoff zerstört wird.“
Erst vor etwa 600 Millionen Jahren endete diese Rückkopplungsschleife, als Pflanzen begannen, das Festland zu erobern. Die photosynthetische Sauerstoffbildung im Meer findet immer in unmittelbarer Nähe zu stickstofffixierenden Cyanobakterien statt. Bei den Landpflanzen trennte sich die Sauerstoffproduktion in den Blättern räumlich von der Stickstofffixierung der Nitrogenase-haltigen Bakterien im Wurzelbereich der Pflanzen. Die Stickstofffixierung findet heute noch im Boden statt, wo die Nitrogenase vor dem Luftsauerstoff geschützt ist.
Fossilienfunde bestätigen diese neue Sicht: Die ältesten Fossilien von Cyanobakterien, bei denen die Nitrogenase in spezialisierten Zellen, den so genannten Heterozysten, vor Sauerstoff geschützt wird, sind „erst“ 400 Millionen Jahre alt. Dies heißt, dass die Cyanobakterien erst dann begannen, ihre Nitrogenase zu schützen, als der Sauerstoffgehalt durch die Photosynthese der Landpflanzen längst angestiegen war.
Prof. Martin: „Unsere Theorie ist die einzige, die die globalen Auswirkungen auf die Produktion von Sauerstoff über einen so langen Zeitraum berücksichtigt und erklärt, warum es gelungen ist, das Niveau zu erreichen, das wir heute sehen und das die Evolution des Lebens auf der Erde befeuert.“
John F. Allen, Brenda Thake, William F. Martin: Nitrogenase inhibition limited oxygenation of Earth’s Proterozoic atmosphere, Trends in Plant Science (2019)
DOI: 10.1016/j.tplants.2019.07.007
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1360138519301864?via%3Dihub
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