Funktionelle Magnetresonanztomographie unter der Lupe
Die Großhirnrinde spielt eine entscheidende Rolle bei unserer Sinneswahrnehmung. Sie besteht aus sechs verschiedenen Schichten, die sich sowohl anatomisch als auch physiologisch unterscheiden. Könnten wir die aus verschiedenen Schichten stammenden Signale voneinander getrennt messen, könnten wir möglicherweise Rückschlüsse auf die neuronalen Prozesse in aktivierten Hirnarealen ziehen.
Das Team um Jozien Goense, Wissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen, hat mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRI) schicht-spezifische neuronale Prozesse in der Hirnrinde untersucht. Sie entdeckte zum einen, dass den positiven und negativen fMRI Signalen unterschiedliche Mechanismen zugrunde liegen. zum anderen konnte sie zeigen, dass die einzelnen Schichten der Grosshirnrinde unterschiedlich auf visuelle Reize reagieren.
Die Großhirnrinde ist die äußerste Schicht des Gehirns. Sie ist für Sinneswahrnehmung, Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Denken, Sprache und andere kognitive Funktionen zuständig. Bei Säugetieren besteht sie aus sechs horizontalen Schichten, den Laminae, die sich zum Beispiel anhand unterschiedlicher Zelltypen oder verschiedenartiger Vernetzung der Nervenfasern unterscheiden lassen. Bisher war es nur schwer möglich, diese Schichten in lebendigen Organismen voneinander getrennt zu untersuchen.
Dies hat vor allem technische Gründe: die geringe Auflösung der funktionellen Magnetresonanztomographie, die Einschränkung optischer Methoden auf die Betrachtung der oberen Schichten und die Schwierigkeit der exakten Positionsbestimmung von Elektroden, die ins Gehirn eingeführt werden. Könnte man jedoch die unterschiedlichen Hirnsignale visualisieren, wäre es möglich, die kortikalen Verschaltungen und damit auch die verschiedenen Arbeitsschritte bei der Informationsverarbeitung zu untersuchen.
Die funktionelle Magnetresonanztomographie (functional Magnetic Resonance Imaging – fMRI) ist die am häufigsten verwendete Methode, um Gehirnaktivtäten zu untersuchen. Es ist ein nicht-invasives bildgebendes Verfahren, welches basierend auf Blutflussänderungen und Sauerstoffverbrauch physiologische Funktionen im Inneren des Gehirns darstellt. Meistens wird dabei der sogenannte BOLD-Kontrast (blood-oxygenation-level-dependent) gemessen, welcher den Sauerstoffgehalt in den roten Blutkörperchen widerspiegelt.
Dadurch können Hirnareale, welche beispielsweise aufgrund eines visuellen Reizes aktiviert werden, identifiziert werden. Abgesehen von der typischerweise verwendeten geringen räumlichen Auflösung, ist noch nicht bekannt, ob und wie schicht-spezifisch die neuralen Prozesse im BOLD-Signal wiedergegeben werden. Alternative weniger häufig angewandte Verfahren sind die Messung des zerebralen Blutvolumens (CBV) und des zerebralen Blutflusses (CBF). Als zerebrales Blutvolumen, kurz CBV, bezeichnet man die sich zu einem gegebenen Zeitpunkt innerhalb des Gehirns (lateinisch: Cerebrum) befindliche Blutmenge, die der Gehirnversorgung dient. Der zerebrale Blutfluss, CBF, ist die Grundlage für die Sauerstoff- und Nährstoffversorgung der Nervenzellen des Gehirns. Die unterschiedlichen Methoden messen dabei verschiedene Aspekte der Blutflussänderung nach einer neuralen Reaktion auf einen Sinnesreiz.
Jozien Goense ist Projektgruppenleiterin in der Abteilung „Physiologie kognitiver Prozesse“ von Direktor Nikos Logothetis am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen. Sie und ihr Kollege Hellmut Merkle aus dem „Laboratory of Functional and Molecular Imaging” am “National Institutes of Health” in Bethesda (USA) nutzten eine hochauflösende fMRI-Methode, um die BOLD-, CBV-und CBF-Reaktionen auf visuelle Reize zu messen, welche positive und negative BOLD-Signale in der visuellen Hirnrinde von Makaken auslösten. Die Wissenschaftler verglichen Aktivitätsmuster von stimulierenden Reizen mit den Mustern auf visuellen Reize, welche bekanntermassen ein negatives BOLD-Signal, also ein Rückgang des BOLD-Signals, auslösen. Da negative BOLD-Signale oft direkt neben den stimulierten Hirnarealen auftreten, wird vermutet, dass diese Signale ein Resultat neuraler Unterdrückung sind.
Die Wissenschaftler fanden heraus, dass das negative BOLD-Signal nicht lediglich das Gegenteil des klassischen positiven BOLD-Signals ist, sondern, dass ihm ein separater Mechanismus zugrunde liegt. Des Weiteren reagierten die unterschiedlichen Schichten der Hirnrinde unterschiedlich auf die beiden visuellen Reize. Dies deutet darauf hin, dass sich die sogenannte neurovaskulären Kopplung, also der physiologische Mechanismus, welcher die neuronalen Signale mit dem BOLD-Signal verbindet, nicht nur in den unterschiedlichen Schichten, sondern auch im Bezug auf die beiden Reize, unterscheidet. Dies bedeutet, dass man möglicherweise anhand schicht-spezifischer Messungen in der Großhirnrinde untersuchen kann, welche Art von Prozessen sich in der Großhirnrinde abspielen.
Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass den positiven und negativen BOLD-Signalen unterschiedliche Mechanismen der neurovaskulären Kopplung zugrunde liegen und ebenso laminare Unterschiede in der neurovaskulären Kopplung existieren. Die Konsequenzen dieser Erkenntnisse sind sehr bedeutend, da sie die Interpretation des BOLD-Signals, vor allem des negativen BOLD-Signals, bei fMRI-Studien verbessern können. Darüber hinaus eröffnen diese Ergebnisse die Möglichkeit, neuronale Verarbeitungsschritte innerhalb einer Schicht der Großhirnrinde zu untersuchen. Dies könnte wiederum die Anwendungsgebiete der funktionellen Magnetresonanztomografie erweitern und die Technik in Punkto räumlicher Auflösung weiter verbessern.
Originalpublikation:
J. Goense, H. Merkle, N. K. Logothetis. (2012) High-resolution fMRI reveals laminar differences in neurovascular coupling between positive and negative BOLD responses. Neuron, doi: 10.1016/j.neuron.2012.09.019
Kontakt:
Dr. Jozien Goense
Tel.: 07071 601-1704
E-Mail: jozien.goense@tuebingen.mpg.de
Stephanie Bertenbreiter (Pressereferentin)
Tel.: 07071 601-1792
E-Mail: presse-kyb@tuebingen.mpg.de
Das Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik forscht an der Aufklärung von kognitiven Prozessen auf experimentellem, theoretischem und methodischem Gebiet. Es beschäftigt rund 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus über 40 Ländern und hat seinen Sitz auf dem Max-Planck-Campus in Tübingen. Das MPI für biologische Kybernetik ist eines der 80 Institute und Forschungseinrichtungen der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.
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