Gelungene Verbindung: virtuelles Screening und Zellkulturforschung – Interferon-Hemmstoff entdeckt

Bis heute gibt es keine Hemmstoffe. Jetzt ist es Wissenschaftlern des Paul-Ehrlich-Instituts in Kooperation mit Forschern der ETH Zürich gelungen, durch Kombination computerbasierter molekularer Designverfahren mit optimierten In-vitro-Assays einen Hemmstoff der Interferon-alpha-Ausschüttung zu identifizieren. Der innovative Forschungsansatz könnte über die konkrete Wirkstoffsuche hinaus für die schnelle Identifikation von Hemmstoffen wichtiger Protein-Proteininteraktionen Bedeutung erlangen. Über die Forschungsergebnisse berichtet Angewandte Chemie vorab online ('Hot Paper'; DOI: 10.1002/anie.201105901)

Typ-I-Interferone wie Interferon alpha gehören zum angeborenen Immunsystem des Menschen, ohne sie sind Menschen nicht lebensfähig. Aber es gibt auch eine Schattenseite dieser wichtigen Botenstoffe unseres Immunsystems: So sorgen ständig erhöhte Spiegel von Interferon alpha beispielsweise für chronische Entzündungsreaktionen, die zu Autoimmunerkrankungen wie Lupus erythematodes führen können. Bislang steht kein Wirkstoff zur Verfügung, mit dem es gelingt, diese Interferonwirkung bzw. -ausschüttung gezielt zu hemmen. Auf der Suche nach einem Wirkstoff, der die Interaktion zwischen dem Interferonrezeptor, der für alle Typ-I-Interferone der gleiche ist, und Interferon-alpha verhindert, haben sich Forscher ganz unterschiedlicher Disziplinen zusammengetan:

Wissenschaftler des Institute of Pharmaceutical Sciences der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich, Schweiz, unter Leitung von Prof. Gisbert Schneider, und Immunologen des Paul-Ehrlich-Instituts um die Nachwuchsgruppenleiterin PD Dr. Zoe Waibler. Schneider und seine Mitarbeiter musterten virtuell mehr als 500.000 Substanzen auf ihre potenzielle Bindungsfähigkeit an einen Oberflächenbereich des Interferon alpha. Dieser wurde mithilfe von Computerverfahren als wichtig für die Wechselwirkung mit dem Rezeptor vorhergesagt.

Um geeignete Substanzen zu identifizieren, flossen in diese 3D-Konformationsstudien neuartige Softwaremethoden ein, die an der ETH Zürich entwickelt worden waren: „Innovative Ansätze zur computergestützten Proteinstrukturanalyse haben uns die entscheidenden Hinweise gegeben, wo und wie wir suchen müssen. Diese Studie verdeutlicht das enorme Potenzial transdisziplinärer Konzepte für die Wirkstoffforschung“, so Schneider.

Die sechs vielversprechendsten Kandidaten wurden ausgewählt und von Waibler und ihren Mitarbeitern in Zellkulturassays eingesetzt. Die PEI-Forscher verwendeten hierzu plasmazytoide dendritische Zellen – Hauptproduzenten von Interferon alpha, die sie aus Knochenmark gewinnen. In vorangegangenen Forschungsarbeiten hatten Waibler und Kollegen bereits nachgewiesen, dass die Zugabe des modifizierten Vacciniavirus Ankara, kurz MVA, zu einer ausgeprägten Interferon-alpha-Antwort führt. MVA ist ein stark abgeschwächtes und dadurch ungefährliches Pockenvirus. Zwei der sechs Testsubstanzen schieden aufgrund mangelnder Löslichkeit aus.

Unter den vier verbliebenen Kandidaten aber landeten die Forscher gleich einen Volltreffer: „Während die drei anderen Substanzen keine Wirksamkeit zeigte, hemmte eine dieser niedermolekularen chemischen Verbindungen die Interferonbildung effizient. Wir waren selbst überrascht von der unglaublichen guten Ausbeute aus der Verbindung unserer beider Methoden“, berichtet Waibler. In weiteren Experimenten wiesen die PEI-Forscher nach, dass durch die neue Substanz die Interferon-alpha-Ausschüttung auch auf andere Gefahrensignale wie beispielsweise andere Viren oder Doppelstrang-DNA gehemmt wurde. Allerdings stellten sie auch fest, dass bei hohen Wirkstoffkonzentrationen eine zelltoxische Wirkung einsetzt. Der nächste Schritt wird daher sein, aus der neu entdeckten Leitsubstanz weitere Kandidaten abzuleiten, die selektiv und noch spezifischer die Bindung von Interferon an den Rezeptor hemmen und auch in hohen Konzentrationen keine Toxizität aufweisen.

Über die konkrete Suche eines Hemmstoffs der Interferon-alpha-Wirkung hinaus dürfte der methodische Ansatz der beiden Wissenschaftler noch bedeutsam werden. Möglicherweise lassen sich durch die innovative Kombination dieser sehr unterschiedlichen Technologien in kurzer Zeit viele weitere Substanzen ausfindig machen, die bestimmte Protein-Protein-Interaktionen hemmen können.

Media Contact

Dr. Susanne Stöcker idw

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