Gesunde Eizellen: Langlebige Proteine als ein Schlüssel?

Extrem langlebige Proteine im Eierstock könnten dazu beitragen, Eizellen gesund zu halten und die Fruchtbarkeit lange zu bewahren. In der hier gezeigten Maus-Eizelle sind die Chromosomen magenta und das Zytoskelett-Protein Aktin blau-weiß gefärbt.
(c) Melina Schuh / Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften

Weibliche Säugetiere, einschließlich des Menschen, werden mit allen ihren Eizellen geboren. Von den rund ein bis zwei Millionen Eizellen einer Frau reifen etwa 400 bis zu den Wechseljahren heran und können befruchtet werden. Manche der Eizellen werden somit mehrere Jahrzehnte alt – und müssen über diese lange Zeitspanne funktionsfähig bleiben. Extrem langlebige Proteine im Eierstock könnten dabei eine wichtige Rolle spielen, wie Forschungsteams aus Göttingen jetzt in Experimenten mit Mäusen herausgefunden haben. Diese langlebigen Proteine helfen offenbar, die Fruchtbarkeit möglichst lange zu bewahren.

„Eizellen müssen während der gesamten Phase der Fruchtbarkeit einer Frau erhalten bleiben, damit sich daraus gesunde Embryonen entwickeln können“, erklärt Melina Schuh, Direktorin am Max-Planck-Institut (MPI) für Multidisziplinäre Naturwissenschaften. Selbst bei Mäusen, die sich nur etwas mehr als ein Jahr fortpflanzen können, ist die Lebensdauer von Eizellen sehr viel länger als die durchschnittliche Lebensdauer von Proteinen. Lebende Zellen recyceln die meisten ihrer Proteine innerhalb von nur wenigen Tagen. Je nach Zelltyp und Funktion werden allerdings nicht alle Proteine gleich schnell abgebaut.

Viele extrem langlebige Proteine im Eierstock

Zusammen mit Teams um die Gruppenleiter*innen Juliane Liepe und Henning Urlaub hat Schuhs Team jetzt quantitativ untersucht, wie häufig besonders langlebige Proteine in Eierstöcken vorkommen. Für ihre Experimente kombinierten die Forschenden verschiedene biochemische und molekularbiologische Methoden mit mathematischen Modellierungen. „Dieser multidisziplinäre Ansatz ermöglichte uns, Proteine in Eierstöcken und Eizellen von Mäusen in unterschiedlichen Altersstufen zu beobachten, um so das Alter der Proteine zu ermitteln“, sagt Max-Planck-Forschungsgruppenleiterin Liepe. Außerdem analysierten die Wissenschaftler*innen, wie sich die Häufigkeit der Proteine mit der Zeit verändert. Hierzu erfassten sie ein Proteininventar im Eierstock mit fast 8.900 Proteinen.

Das Ergebnis: Eierstöcke besitzen extrem viele langlebige Proteine – mehr als andere Gewebe und sogar mehr als das Gehirn. Diese kommen nicht nur in den Eizellen selbst vor, sondern auch in anderen Körperzellen im Eierstock.

„Viele der langlebigen Proteine haben schützende Funktionen, wie etwa DNA zu reparieren oder Zellen vor Schäden zu bewahren“, erläutert Urlaub, der am MPI und an der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) forscht. Die molekularen Faltungshelfer, sogenannte Chaperone, sorgen beispielsweise dafür, dass sich fehlgefaltete Proteine nicht verklumpen und die Zellabläufe stören. Wie die Experimente der Göttinger Wissenschaftler*innen zeigten, sind Chaperone im Eierstock äußerst stabil und verhindern das Verklumpen länger als zum Beispiel im Gehirn. Auch die Kraftwerke innerhalb der Eizellen, die Mitochondrien, enthielten besonders langlebige Proteine. Da Mitochondrien von der Mutter an die Nachkommen weitervererbt werden, ist es äußerst wichtig, dass diese Organellen gesund bleiben.

Weniger langlebige Proteine im Alter

„Allerdings lässt die Konzentration vieler dieser langlebigen Proteine in Eierstock und Eizellen mit dem Alter nach. Proteine hingegen, die mit akuten Entzündungen und einer Immunantwort zusammenhängen, nehmen im Alter zu“, berichtet Schuh. Dies deckt sich mit bisherigen Erkenntnissen zu vermehrten Entzündungsreaktionen in den Eierstöcken älterer Frauen. “Somit verändert sich das komplexe Protein-Netzwerk in Eierstöcken. Das allmähliche Verschwinden von langlebigen Proteinen aus den Eierstöcken und Eizellen könnte erklären, warum die Fruchtbarkeit bei weiblichen Säugetieren ab einem bestimmten Alter abnimmt.“

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Melina Schuh
Abteilung Meiose
Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften, Göttingen
Tel. +49 551 201-26000
E-Mail: melina.schuh@mpinat.mpg.de

Dr. Juliane Liepe
Forschungsgruppe Quantitative und System-Biologie
Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften, Göttingen
Tel.: +49 551 201-1471
E-mail: juliane.liepe@mpinat.mpg.de

Prof. Dr. Henning Urlaub
Forschungsgruppe Bioanalytische Massenspektrometrie
Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften, Göttingen
Tel.: +49 551 201-1060
E-mail: henning.urlaub@mpinat.mpg.de

Originalpublikation:

Harasimov, K.; Gorry, R. L.; Welp, L. M.; Penir, S. M.; Horokhovskyi, Y.; Cheng, S.; Takaoka, K.; Stützer, A.; Frombach, A.-S.; Taylor Tavares, A. L.; Raabe, M.; Haag, S.; Saha, D.; Grewe, K.; Schipper, V.; Rizzoli, S. O.; Urlaub, H.; Liepe, J.; & Schuh, M.: The maintenance of oocytes in the mammalian ovary involves extreme protein longevity. Nat Cell Biol (2024). https://doi.org/10.1038/s41556-024-01442-7

Weitere Informationen:

https://www.mpinat.mpg.de/4737675/pr_2413 – Original-Pressemitteilung
https://www.mpinat.mpg.de/de/mschuh – Webseite der Abteilung Meiose, MPI für Multidisziplinäre Naturwissenschaften
https://www.mpinat.mpg.de/de/liepe – Webseite der Forschungsgruppe Quantitative und System-Biologie, MPI für Multidisziplinäre Naturwissenschaften
https://www.mpinat.mpg.de/de/urlaub – Webseite der Forschungsgruppe Bioanalytische Massenspektrometrie, MPI für Multidisziplinäre Naturwissenschaften

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