Grosse Sauerstoffkatastrophe: mehr Sauerstoff durch Vielzelligkeit
Auslöser waren die Sauerstoff produzierenden Cyanobakterien, die sich bereits vor 2,3 Milliarden Jahren zu Vielzellern entwickelten. Wie Evolutionsbiologen der Universität Zürich und Göteborg belegen, ging diese Vielzelligkeit mit der Sauerstoffzunahme einher und spielte somit für das heutige Leben auf der Erde eine wichtige Rolle.
Cyanobakterien gehören zu den ältesten Organismen auf der Erde. Sie kommen auch heute noch in Ozeanen, Gewässern und selbst in heissen Quellen vor. Indem sie Sauerstoff produzierten und sich zu Vielzellern entwickelten, spielten sie eine Schlüsselrolle für die Entstehung von Sauerstoff atmenden Organismen. Dies weist ein Team von Wissenschaftlern unter der Leitung von Evolutionsbiologen der Universität Zürich nach. Gemäss ihren Untersuchungen entwickelten Cyanobakterien die Vielzelligkeit rund eine Milliarde Jahre früher als Eukaryoten – Lebewesen mit einem Zellkern. Fast zeitgleich mit dem Auftauchen von vielzelligen Cyanobakterien beginnt sich Sauerstoff in den Ozeanen und der Erdatmosphäre anzureichern.
Vielzelligkeit bereits vor 2,3 Milliarden Jahren
Die Wissenschaftler analysierten die Stammesgeschichte lebender Cyanobakterien und kombinierten ihre Ergebnisse mit Daten fossiler Cyanobakterien. Gemäss den Resultaten von Bettina Schirrmeister und Kollegen entstand die Vielzelligkeit der Cynobakterien wesentlich früher, als bisher angenommen wurde. «Die Vielzelligkeit entwickelte sich relativ früh in der Geschichte der Cyanobakterien, vor mehr als 2,3 Milliarden Jahren», erläutert Schirrmeister ihre an der Universität Zürich verfasste Doktorarbeit.
Vielzelligkeit und Grosse Sauerstoffkatastrophe gehen einher
Gemäss den Wissenschaftlern entstand die Vielzelligkeit kurz bevor der freie Sauerstoff in den Ozeanen und der Atmosphäre angestiegen ist. Diese Häufung von freiem Sauerstoff wird als «Great Oxidation Event» bzw. Grosse Sauerstoffkatastrophe bezeichnet und gilt als erdgeschichtlich folgenreichstes Klimaereignis. Aufgrund ihrer Daten vermuten Schirrmeister und ihr Doktorvater Homayoun Bagheri einen Zusammenhang zwischen dem Entstehen der Vielzelligkeit und dem Ereignis. Gemäss Bagheri haben vielzellige Lebewesen oftmals einen effizienteren Stoffwechsel als einzellige. Die Forscher stellen daher die These auf, dass die neu entstandene Vielzelligkeit der Cyanobakterien eine Rolle bei der Auslösung der Grossen Sauerstoffkatastrophe gespielt hat.
Cyanobakterien besetzten freie Nischen
Die gesteigerte Sauerstoffproduktion brachte die ursprüngliche Erdatmosphäre zum Kippen. Da Sauerstoff für viele anaeroben Organismen giftig war, wurden viele anaerobe Bakterienarten verdrängt und ökologische Nischen frei. Die Forscher stellen im Anschluss an das einschneidende Klimaereignis viele neue Arten von vielzelligen Cyanobakterien fest und gehen davon aus, dass diese die frei gewordenen Lebensräume besetzt haben. «Morphologische Änderungen bei Kleinstlebewesen wie Bakterien waren in der Lage, die Umwelt grundlegend und in kaum vorstellbaren Mass zu beeinflussen», schliesst Schirrmeister.
Literatur:
Bettina E. Schirrmeister, Jurriaan M. de Vos, Alexandre Antonelli, Homayoun C. Bagheri. Evolution of multicellularity coincided with increased diversification of cyanobacteria and the Great Oxidation Event. PNAS Early Edition. January 14, 2013. doi: 10:1072/pnas.1209927110/-/DCSupplemental
Grosse Sauerstoffkatastrophe – Great Oxidation Event
Als «Great Oxidation Event» bzw. Grosse Sauerstoffkatastrophe wird der Zeitpunkt vor rund 2,3 Milliarden Jahren bezeichnet. Neu entstandener Sauerstoff konnte nicht mehr chemisch gebunden werden und begann sich als Sauerstoff (O2) im Meerwasser und in der Atmosphäre anzureichern.
Zuvor, in der Ur-Atmosphäre der Erde, war freier Sauerstoff nur in Spuren vorhanden. Alles Leben beruhte ausschliesslich auf anaeroben Prozessen, chemischen Vorgängen, die ohne Sauerstoff abliefen. Mit Entstehung der Cyanobakterien, die mit Hilfe von Licht Wasser oxidierten und als Stoffwechselprodukt Sauerstoff ausschieden, begannen sich die Lebensbedingungen auf der Erde allmählich zu verändern.
Kontakt:
Dr. Bettina Schirrmeister
School of Earth Sciences
University of Bristol
Tel. +44 117 3315239
E-Mail: bettina.schirrmeister@bristol.ac.uk
Dr. Homayoun Bagheri
Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften
Universität Zürich
Tel. +41 44 635 66 23
E-Mail: homayoun.bagheri@ieu.uzh.ch
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