Immunabwehr auch ohne Lymphknoten
Lymphknoten gelten als Polizeistationen des Körpers: Hier werden Immunreaktionen ausgelöst. Fällt beispielsweise ein Kind vom Fahrrad und schürft seine Haut auf, so dringen Fresszellen in die Wunde ein, nehmen Antigene von eindringenden Mikroorganismen und Schmutz auf und transportieren diese zum nächstgelegenen Lymphknoten.
Dies führt zu einer Konzentration des Antigens im Lymphknoten, wodurch wiederum T- und B-Zellen stimuliert werden, die auf ihrer Zelloberfläche spezielle Antigen-Rezeptoren tragen. Während die T-Zellen die Verteidigungsreaktion gegen die eindringenden Erreger steuern, verwandeln sich die B-Zellen in Antikörper-produzierende Zellen, die den Körper mit Antikörpern gegen die feindlichen Mikroorganismen überfluten.
Bei Mäusen, die aufgrund einer Genmutation (Alymphoplasie) keine Lymphknoten haben, ist das Immunsystem stark beeinträchtigt. Diese Tiere haben Probleme mit der Bekämpfung von Infektionen und Tumoren, die gesunden Mäusen keinerlei Schwierigkeiten bereiten würden. Dieses Ergebnis unterstreicht die Bedeutung von Lymphknoten und stärkt das damit verbundene immunologische Dogma. Ob dies auch wirklich so ist, haben Melanie Greter, Janin Hofmann und Prof. Burkhard Becher vom Institut für Experimentelle Immunologie der Universität Zürich untersucht.
Sie haben herausgefunden, dass die Immunschwäche, die mit Alymphoplasie in Verbindung gebracht wird, nicht auf die fehlenden Lymphknoten zurückzuführen ist. Wie sie in „PloS Biology“ berichten, wird die Immunschwäche durch die genetische Läsion der Immunzellen selbst verursacht. Die Gruppe untersuchte Autoimmunerkrankungen sowie Immunreaktionen gegen Krebs und fand dabei heraus, dass die Funktion der T-Zellen durch das Fehlen von Lymphknoten nicht gestört wird. Hingegen ist sowohl die Aktivierung der B-Zellen als auch die Sekretion von Antikörpern in einem hohen Masse abhängig davon, ob Lymphknoten vorhanden sind. „Die Tatsache, dass T-Zell-Reaktionen auch ausserhalb von Lymphknoten ausgelöst werden können, ist höchst überraschend“, erklärt Prof. Becher. Wo also, wenn nicht in spezialisierten Lymphknoten, stossen T-Zellen auf Antigene und werden nach einer Immunisierung aktiviert? Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen haben die Migration von fluoreszierenden Partikeln ab der Immunisierungsstelle (d.h. der Haut) überwacht und dabei entdeckt, dass die Leber als Ersatzstruktur für die Aktivierung der T-Zellen dienen könnte. Die Leber ist während der Embryo-Entwicklung das erste Organ, das uns mit Blut und Immunzellen versorgt. Offenbar hat sie diese Funktion nicht vergessen und kann uns sogar im Erwachsenenalter als „Immunorgan“ dienen.
Das Ergebnis ist gemäss Prof. Becher aus drei Gründen so bedeutend. „Es zeigt zum ersten Mal und entgegen der gängigen Meinung, dass für die Aktivierung von T- und B-Zellen völlig unterschiedliche strukturelle Anforderungen gelten.“ Zweitens erklärt es, weshalb Patienten, die eine Lebertransplantation erhalten, manchmal auch die Allergien und das Immun-Repertoire des Spenders „erben“. Und drittens beweist es, dass die Leber ein evolutionäres Überbleibsel aus einer Zeit ist, bevor sich in höher entwickelten Vögeln und Säugetieren Lymphknoten ausgebildet haben. Kaltblütige Wirbeltiere besitzen nämlich funktionstüchtige T- und B-Zellen, aber keine Lymphknoten. Der wichtigste Vorteil der Entwicklung von Lymphknoten in Säugetieren besteht darin, dass dadurch die Produktion von effizienteren Antikörpern drastisch verbessert wurde. Demgegenüber hat sich die Funktion der T-Zellen im Laufe der Evolution kaum geändert. Die Arbeit der UZH-Forschergruppe liefert nun endlich solide Beweise für die Vielseitigkeit dieses Zelltyps.
Originalbeitrag:
Greter M, Hofmann J, Becher B, Neo-Lymphoid Aggregates in the Adult Liver Can Initiate Potent Cell-Mediated Immunity. PLoS Biology Volume 7, Issue 5, 2009. doi:10.1371/journal.pbio.1000109
Kontakt:
Prof. Burkhard Becher, Institut für Experimentelle Immunologie, Universität Zürich
Tel. +41-44-635-3703
E-Mail: burkhard.becher@neuroimm.uzh.ch
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