Impfstoffkandidat gegen MERS-Coronavirus zeigt Wirksamkeit im Mausmodell

Transmissionselektronenmikroskopische Aufnahme (TEM) von MERS-CoV-Viruspartikeln außerhalb der Zelle (Virionen) Quelle: National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID)

Im Rahmen der Entwicklung von „Impfstoffplattformen“ gegen neuartige Erreger wie dem MERS-Coronavirus (MERS-CoV) werden ausgewählte genetische Sequenzen von Erregern in einen Impfvektor eingebaut, für den bereits umfangreiche klinische Erfahrungen vorliegen. Nach der Impfung wird eine Immunreaktion sowohl gegen den Impfvektor, als auch gegen den in der genetischen Sequenz kodierten Erregerbestandteil erzeugt.

Der so hergestellte Vektorimpfstoff kann charakterisiert werden und als Modell oder Plattform für weitere Vektorimpfstoffe dienen. Denn da die Erregersequenz im Impfvektor leicht ausgetauscht werden kann, können auf Basis dieses ersten Vektorimpfstoffs weitere Impfstoffe gegen andere Erreger hergestellt werden. So soll die Impfstoffentwicklung zur Bekämpfung neuartiger Erreger im Fall plötzlich auftretender Ausbrüche wie der derzeitigen Ebola-Epidemie beschleunigt werden.

An einer solchen Impfstoffplattform arbeiten Forscher des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) um Dr. Michael Mühlebach, Leiter des Fachgebiets „Produktprüfung immunologischer Tierarzneimittel“ der Abteilung Veterinärmedizin und der Forschungsgruppe „Onkolytische Masernviren und Impfvektoren“ des Präsidenten. Als Impfvektor oder Trägerimpfstoff verwenden die Wissenschaftler abgeschwächte Masern-Impfviren, in die gezielt diejenigen Erregergene eingebaut werden, gegen die eine Immunreaktion erzeugt werden soll.

Das Projekt gehört zum Forschungsschwerpunkt „Neu auftretende Infektionskrankheiten“ des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) und wird in enger Zusammenarbeit u.a. mit der Forschungsgruppe von Prof. Stephan Becker, Institut für Virologie, Universität Marburg, und anderen Forschern des PEI durchgeführt. Nach der Identifikation des MERS-CoV als Ursache des im Jahr 2012 erstmals beim Menschen beschriebenen Syndroms vorwiegend respiratorischer Krankheiten wurde im PEI und DZIF die Entwicklung eines Impfstoffs gegen MERS auf Basis von Masernimpfviren begonnen.

Dazu wurde das Gen des MERS-CoV-Hüllproteins in das Genom des Masern-Impfvirus eingebaut. Das so veränderte Masern-Impfvirus wurde charakterisiert, seine Identität und Stabilität wurden nachgewiesen. Mit ihrem neuen Impfstoff erzeugten die Forscher in Mäusen eine starke Immunantwort (Antikörperbildung und T-Zellantwort), welche die geimpften Tiere vor der nachfolgenden Infektion mit dem MERS-CoV schützte.

„Die Forschungsergebnisse zeigen, dass die von uns entwickelten rekombinanten Masernviren als Impfstoffplattform für die Entwicklung von Impfstoffen gegen neu auftretende Krankheitserreger geeignet sind“, erläutert Mühlebach. Der entwickelte Vektorimpfstoff ist ein vielversprechender Kandidat für eine klinische Prüfung auf dem Weg zu einem MERS-Impfstoff.

Forscher des DZIF waren im Vorfeld bereits an der Identifikation des MERS-Coronavirus und an der Testentwicklung beteiligt. „Diese erfolgreiche Forschungsarbeit zeigt die Bedeutung solcher Forschungsverbünde, in die sich ergänzende Expertisen einfließen. Wir versprechen uns davon, dass beim Auftreten neuer Infektionskrankheiten Methoden für eine schnelle Diagnose der Infektionskrankheit ad hoc bereitgestellt und schnell wirksame Impfstoffe zur Bekämpfung entwickelt werden können“, betont Prof. Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts.

Hintergrund zum MERS-Coronavirus

Im Jahr 2012 wurden erstmals Infektionen mit dem MERS-Coronavirus (Middle East Respiratory Syndrom coronavirus) diagnostiziert. Inzwischen wurden mehr als 1000 Infektionen bestätigt, die ihren Ursprung auf der arabischen Halbinsel und dort vor allem in Saudi-Arabien nahmen. Zuletzt war Südkorea von einem inzwischen eingedämmten Ausbruch betroffen. Die meisten Infektionen erfolgten vermutlich über Kamele, aber auch Mensch-zu-Mensch-Übertragungen sind möglich.

Das Virus verursacht beim Menschen schwere Infektionen mit grippeähnlichen Symptomen sowie häufig Lungenentzündung und Atemnotsyndrom. Weitere Symptome sind Durchfall sowie bei schweren Verläufen akute Niereninsuffizienz. Die Erkrankung verläuft in etwa 30 Prozent der Fälle tödlich. Einen zugelassenen Impfstoff gibt es bisher nicht, die Behandlung erfolgt rein symptomatisch.

Originalpublikation

Malczyk AH, Kupke A, Prüfer S, Scheuplein VA, Hutzler S, Kreuz D, Beissert T, Bauer S, Hubich-Rau S, Tondera C, Eldin HS, Schmidt J, Vergara-Alert J, Süzer Y, Seifried J, Hanschmann KM, Kalinke U, Herold S, Sahin U, Cichutek K, Waibler Z, Eickmann M, Becker S, Mühlebach MD (2015) A highly immunogenic and protective MERS-Coronavirus vaccine based on recombinant MV vaccine platform.
J. Virol 2015 epub ahead of print
10.1128/JVI.01815-15

Das Paul-Ehrlich-Institut in Langen bei Frankfurt am Main ist als Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG). Es erforscht, bewertet und lässt biomedizinische Human-Arzneimittel und Veterinär-Impfstoffe zu und ist für die Genehmigung klinischer Prüfungen sowie die Pharmakovigilanz – Erfassung und Bewertung möglicher Nebenwirkungen – zuständig. Die staatliche Chargenprüfung, wissenschaftliche Beratung/Scientific Advice und Inspektionen gehören zu den weiteren Aufgaben des Instituts. Unverzichtbare Basis für die vielseitigen Aufgaben ist die eigene experimentelle Forschung auf dem Gebiet der Biomedizin und der Lebenswissenschaften. Das Paul-Ehrlich-Institut mit seinen rund 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nimmt zudem Beratungsfunktionen in nationalem (Bundesregierung, Länder) und internationalem Umfeld (Weltgesundheitsorganisation, Europäische Arzneimittelbehörde, Europäische Kommission, Europarat und andere) wahr.

Weitere Informationen:

http://jvi.asm.org/content/early/2015/09/03/JVI.01815-15.abstract Abstract der Publikation

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Dr. Susanne Stöcker idw - Informationsdienst Wissenschaft

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