Kartoffeln mit den richtigen Antennen

Infektionsstelle des Erregers der Knollenfäule Phytophthora infestans auf einem Blatt. Die sich ausbreitenden Erregerhyphen sind rot-fluoreszierend markiert. Lebendes Blattgewebe ist grün, abgestorbenes Gewebe ist dunkel. Die mikroskopische Analyse der Infektionsstrukturen ermöglicht es uns, die Lebensweise der verschiedenen Erreger zu verstehen.
(c) Sebastian Schornack / Sainsbury Laboratory, Norwich Research Park, CC BY 4.0

Forschungsteam findet Rezeptor bei wilden Kartoffelsorten, der für neuartige breite Resistenz gegen Knollenfäule verantwortlich ist.

Die Bekämpfung der Kraut- und Knollenfäule bei Kartoffeln, die durch Phytophthora infestans verursacht wird, erfordert weltweit den Einsatz zahlreicher Pflanzenschutzmittel. Für eine nachhaltigere Landwirtschaft ist mehr Wissen über die Widerstandsfähigkeit der Pflanzen erforderlich. Forschende der Universitäten Tübingen, Wageningen und des Sainsbury Laboratory in Norwich haben einen wichtigen Schritt in diese Richtung unternommen und die Ergebnisse ihrer Untersuchung in der Wissenschaftszeitschrift Science veröffentlicht.

„Es gibt ein ständiges ‚Wettrüsten‘ zwischen der Kartoffelpflanze und Phytophthora“, sagt Dr. ir. Vivianne Vleeshouwers, Züchtungsforscherin an der Universität Wageningen. Die Pflanze wehrt sich mit Händen und Füßen: Sobald der Pilz (eigentlich ein Eipilz, oder Oomyzet) eindringt, leitet die Pflanze eine Reihe von Abwehrreaktionen ein, indem sie zum Beispiel ein Stück des Blattes kontrolliert absterben lässt, um das Vordringen der Krankheit zu stoppen. Durch Mutationen gelingt es Phytophthora jedoch immer wieder, diese Abwehrmechanismen zu umgehen.

Erkennen der Krankheit

Um sich zu verteidigen zu können, muss die Pflanze den Erreger zunächst erkennen. „Dafür hat sie Rezeptoren – so etwas wie Antennen. Diese binden kleine Stücke des Phytophthora-Proteins und das ist das Signal, dass etwas nicht stimmt. Hierdurch werden die Abwehrreaktionen ausgelöst. Es ist also wichtig, dass die Pflanze die Krankheit tatsächlich erkennt und über die richtigen Antennen (Rezeptoren) für Folgemaßnahmen verfügt“, sagt Vleeshouwers.

Solche Rezeptoren befinden sich im Inneren oder an der Außenseite der Zelle. Die Rezeptoren in der Zelle werden von bestimmten R-Genen kodiert (R steht für Resistenz), und die Züchter machen sich diese Gene zunutze. Sie entwickeln resistente Sorten, indem sie auf diese R-Gene selektieren. Das Problem ist jedoch, dass es dem Pilz immer wieder gelingt, diese Resistenz zu umgehen.

„Über die Rezeptoren an der Außenseite der Zelloberfläche, die so genannten PRR-Rezeptoren, ist viel weniger bekannt. Sie steuern allgemeinere Abwehrreaktionen“, sagt Vleeshouwers. Das Interesse der Züchter richtet sich derzeit vor allem auf die R-Gene. Um schließlich die allgemeineren Immunreaktionen nutzen zu können, ist Grundlagenforschung erforderlich. Dieser Aufgabe haben sich die Forschenden von Universität Tübingen (Deutschland), Wageningen University & Research (Niederlande) und dem Sainsbury Lab in Norwich (UK) angenommen.

Der Rezeptor PERU

Vleeshouwers: „Wir haben eine Art von PRR-Rezeptor namens PERU untersucht. Dieser bindet ein spezielles Stück Protein von Phytophthora, nämlich Pep-13, und veranlasst die Kartoffelpflanze so, die Krankheit zu erkennen. Bisher wurde angenommen, dass sich PRR-Rezeptoren im Laufe der Zeit kaum verändern. Ein bekanntes Beispiel ist der sehr stabile Rezeptor, der die Geißeln von Bakterien erkennt. Wir fanden jedoch heraus, dass PERU tatsächlich eine dynamische Entwicklung aufweist und sich viel schneller verändert als bekannte PRR-Rezeptoren.“

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Evolution von Immunrezeptoren auf der Zelloberfläche von Pflanzen komplexer ist, als bisher gedacht. Es gibt nicht nur eine Version dieses Rezeptors, sondern Varianten, die unterschiedliche bindende Moleküle erkennen können. Das ist eine neue Erkenntnis“, sagt Prof. Dr. Thorsten Nürnberger vom Zentrum für Molekularbiologie der Pflanzen (ZMBP) der Universität Tübingen und einer der Studienleiter.

Ein Blick in die Vergangenheit

„Mehrere wilde Kartoffelsorten haben Variationen von PERU. Wir haben diese Pflanzen in unserer Sammlung und können nun sozusagen in der Zeit zurückblicken, wie die Evolution abgelaufen ist“, ergänzt Vleeshouwers. „Versteht man die Evolution, kann man das schließlich in Anwendungen umsetzen. Das heißt, die Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten lässt sich erhöhen, indem man auf die richtigen Rezeptoren selektiert.“

Durch einen Blick in die Vergangenheit konnten die Forschenden den Ursprung dieser Evolution zurückverfolgen: Er liegt in den Anden. Dem entdeckten Rezeptor gaben sie den Namen PERU. Dies steht für: Pep-13 Receptor Unit, verweist aber gleichzeitig auf das Herkunftsland der untersuchten Kartoffelsorten und das Heimatland der Erstautorin der Studie, Doktorandin Yerisf Torres Ascurra.

Nachhaltigerer Anbau

„Die Erkenntnisse über diese Art von Rezeptoren bereiten den Weg für einen nachhaltigeren Kartoffelanbau der Zukunft. Das Team geht davon aus, dass es in Zukunft Kartoffeln geben wird, die mit spezifischen Resistenzgenen und verbesserten allgemeinen Abwehrkräften ausgestattet sind.

„Bisher lag der Schwerpunkt bei den Züchtern immer auf den R-Genen. Diese Resistenz wird jedoch immer wieder umgangen. Indem wir untersuchen, wie sich wilde Kartoffelsorten in einer Umgebung mit konstantem Druck durch Krankheitserreger behaupten, können wir herausfinden, welche Mechanismen sie nutzen. Diese können wir dann bei unseren Kartoffelsorten anwenden“, schließt Vleeshouwers ab.

Publikation:

Torres Ascurra, YC, Zhang, L, Toghani, A, Hua, C, Rangegowda, NJ, Posbeyikian, A, Pai, H, Lin, X, Wolters, PJ, Wouters, D, de Blok, R, Steigenga, N, Paillart, MJM, Visser, RGF, Kamoun, S, Nürnberger, T, & Vleeshouwers, VGAA. (2023). Functional diversification of a wild potato immune receptor at its center of origin. Science 381(6660), 891–897, https://doi.org/10.1126/science.adg5261

Kontakt:

Prof Dr. Thorsten Nürnberger
Universität Tübingen
Zentrum für Molekularbiologie der Pflanzen der Universität Tübingen (ZMBP)
Telefon +49 7071 29- 76658
nuernberger@uni-tuebingen.de

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