Können wir unseren Zellen helfen gesund zu altern?

Aufnahmen des Modellorganismus C. elegans, die zeigen wie die fehlerhaften Proteine, bei denen zu viele Aminosäuren aneinandergebaut wurden, abgebaut werden. Das linke Bild zeigt eine Aufnahme, während der die fehlerhaften Proteine (gelb) noch im Organismus angereichert sind. Das Rechte Bild zeigt den Organismus nach Abbau dieser Proteine.
© Bilder: Martin Müller, MPI für Biochemie

Forschende am Max-Planck-Institut für Biochemie (MPIB) fanden heraus, dass das Protein GCN1 eine entscheidende Rolle für einen gesunden Proteinhaushalt spielt und so dazu beiträgt neurodegenerativen Krankheiten vorzubeugen.

Alle biologischen Abläufe in unseren Zellen werden ständig überwacht. So soll auch die Anhäufung, oder gar Zusammenlagerung, falscher Proteine verhindert werden. Solche „Protein-Klumpen“ können im schlimmsten Fall Krankheiten auslösen. Insbesondere bei der Herstellung neuer Proteine kann es jedoch zu Fehlern kommen. Die fehlerhaften Proteine müssen dann von unseren Zellen wieder beseitigt werden. Wie genau das funktioniert war bislang noch unklar. Nun haben Forschende um F.-Ulrich Hartl am MPIB einen neuen Mechanismus entdeckt, der den gezielten Abbau fehlerhafter Proteine einleiten kann. Von entscheidender Bedeutung ist dabei das Protein „GCN1“.

Ribosomen sind molekulare Maschinen in unseren Zellen, die alle Proteine herstellen. Nachdem der genetische Code eines Organismus auf die sogenannte messenger RNA, kurz mRNA, übertragen wurde, lesen die Ribosomen die Baupläne unterschiedlichster Proteine von dieser mRNA ab. So setzten sie sorgfältig Aminosäure um Aminosäure zusammen, bis eine lange Kette entsteht, aus der ein funktionsfähiges Protein gefaltet werden kann. Doch da nichts im Leben komplett reibungslos abläuft, kommt es auch bei diesem Prozess hin und wieder zu Fehlern. So kann es sein, dass die Ribosomen das STOP-Signal im Bauplan übersehen und mehr Aminosäuren aneinanderbauen als eigentlich nötig. Solche abweichenden Proteine können funktionsuntüchtig sein, oder gar Protein-Klumpen bilden, die ein Merkmal verschiedenster neurodegenerativer Erkrankungen, wie der Alzheimer-Krankheit oder Parkinson, sein können.

Bereits vor einigen Jahren wurde entdeckt, dass Zellen die bemerkenswerte Fähigkeit besitzen, fehlerhafte Proteine zu erkennen und zu beseitigen. Um den dahinterliegenden Mechanismus zu entschlüsseln, verwendete das Forschungsteam den Wurm-Modellorganismus C. elegans, sowie menschliche Zellen.

Das „Feuerwehr“-Protein ruft zum Abbau auf

Bei genauerer Untersuchung, wie fehlerhafte Proteine beseitigt werden, stellten die Wissenschaftler*innen unerwarteterweise fest, dass auch die mRNA selbst mit abgebaut wird. Sie vermuteten, dass die problematische mRNA bereits während des Ablesens durch das Ribosom erkannt wird. In diesem Zusammenhang fanden die Forschenden einen Komplex, der bereits zuvor dafür bekannt war, eine Rolle beim Abbau der mRNAs zu spielen. Darüber hinaus entdeckten sie, dass das GCN1-Protein eine wichtige Rolle einnimmt und diesen Prozess einleitet.

Die meisten mRNAs werden, wie Straßen von Autos, von mehreren Ribosomen gleichzeitig abgefahren und dabei abgelesen. Man kann sich die Ribosomen dann vorstellen, wie zwei Autos die auf derselben Straße hintereinander herfahren. Wenn dann das erste Auto unerwarteterweise bremst, weil beispielsweise eine Katze auf die Straße springt, kann es passieren, dass das darauffolgende Auto auffährt und es zu einem Unfall kommt. Das GCN1-Protein agiert dann wie die Feuerwehr, die als Ersthelfer am Unfallort ist. Es stabilisiert und sichert die Unfallstelle und ruft anschließend den Abschleppdienst und die Straßenreinigung, die die Unfallfahrzeuge entfernen und auch den Fahrbahnbelag erneuern falls nötig. Die Komplexe in unseren Zellen, die durch das Feuerwehr-Protein gerufen werden, bauen die problematische mRNA ab. Doch woran genau erkennt das Protein, dass ein Unfall passiert ist und Appschleppdienst und Straßenreinigung benötigt werden?

„Profiling“ des Feuerwehr-Proteins

Entscheidende Erkenntnisse wurden mit Hilfe einer Technik namens Selective Ribosome Profiling (SeRP) gewonnen, die es ermöglicht, die genaue Position der Ribosomen auf den mRNAs zu bestimmen. Die Forschenden suchten danach, wo sich alle an ein Feuerwehr-Protein gebundenen Ribosomen befinden, unabhängig davon, ob diese noch fahren oder bereits einen Unfall hatten. Dabei stellten sie fest, dass das Feuerwehr-Protein immer dann eingreift, wenn ein Ribosom eine zu lange Kette an Aminosäuren hergestellt und dabei sein eigentliches STOP-Signal überfahren hat. Da es in dieser Situation vermehrt zu Zusammenstößen zweier Ribosomen kommt, ruft das Feuerwehr-Protein dann zur Unfallreinigung auf.

Zusätzlich fanden die Wissenschaftler*innen heraus, dass das GCN1-Protein nicht nur bei überfahrenen STOP-Signalen zum Einsatz kommt. Es wurden insbesondere auch in mRNAs solche GCN1-gebundenen Ribosomen identifiziert, die für Membranproteine und Kollagene verantwortlich sind. Tiefergehende Analysen ergaben, dass ein gemeinsames Merkmal, das diese drei Klassen zu Feuerwehr-Zielen macht, sogenannte „nicht-optimale Codons“ sind, einer Abfolge an Nukleotiden auf dem Genom, die wie eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Straße funktionieren. Darüber hinaus stellten sie fest, dass die Stabilisierung des Ribosomen-Unfalls durch das Feuerwehr-Protein GCN1 ebenfalls molekulare Chaperone an die Unfallstelle ruft. Chaperone sind eine Klasse von Proteinen, die anderen Proteinen dabei helfen, sich korrekt zu falten.

Das Feuerwehr-Protein unterstützt die gesunde Alterung unserer Zellen

Altern ist ein Risikofaktor für verschiedene Krankheiten. Auch fehlerhafte Proteine werden mit zunehmendem Alter immer häufiger und stellen eine Gefahr für die Gesundheit eines Organismus dar. Es wurde gezeigt, dass eine Fehlfunktion des Feuerwehr-Proteins die Lebenserwartung des Modellorganismus C. elegans verkürzen kann. Tatsächlich führte eine solche Fehlfunktion dazu, dass sich in älteren Würmern mehr Proteine anreicherten und zusammenlagerten, was neurodegenerative Krankheiten begünstigt. In den Versuchen mit menschlichen Zelllinien konnten die Forscher*innen zeigen, dass es auch hier zu Beeinträchtigungen in der Verwaltung des Proteinhaushaltes kommt. Mit den Ergebnissen der Studie hoffen die Wissenschaftler*innen, in Zukunft einen Weg finden zu können, wie man die altersbedingte Anreicherung fehlerhafter Proteine verringern könnte, um so neurodegenerativen Erkrankungen, wie der Alzheimer-Krankheit oder Parkinson, vorzubeugen.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

F.-Ulrich Hartl
Max-Planck-Institut für Biochemie
office-hartl@biochem.mpg.de

Originalpublikation:

Martin B. D. Müller, Prasad Kasturi, Gopal G. Jayaraj* and F.-Ulrich Hartl*. Mechanisms of readthrough mitigation reveal principles of GCN1 mediated translational quality control. Cell, July 2023

https://www.biochem.mpg.de/koennen-wir-unseren-zellen-helfen-gesund-zu-altern?c=569499

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Dr. Christiane Menzfeld Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Biochemie

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