Kollagen fürs Kniegelenk

In der GMP-Einheit am Fraunhofer IGB wird Kollagen der Firma Amedrix als Medizinprodukt aufgearbeitet. © Fraunhofer IGB

Jedes Jahr erleiden in Deutschland fünf Millionen Menschen einen Knorpelschaden am Knie. Knorpelschäden sind nicht nur schmerzhaft, sie können auch Jahrzehnte später noch zu einer Arthrose führen. Im Verlauf dieser Erkrankung wird der Knorpel, der die Gelenkknochen wie ein schützender Stoßdämpfer überzieht, immer weiter abgetragen, bis schließlich der Knochen freiliegt. Dann hilft häufig nur noch ein künstlicher Gelenkersatz.

Eine frühzeitige Alternative zum künstlichen Kniegelenk sind biologische Therapieverfahren. Bei der autologen Chondrozytentransplantation beispielsweise werden Knorpelzellen aus einem Stück Knorpel des Patienten isoliert, im Labor vermehrt und nach etwa drei Wochen – meist in einer formgebenden Matrix – in den Defekt implantiert.

Im Laufe der Zeit bauen die implantierten Zellen die Matrix zu einem knorpelähnlichen Regenerationsgewebe um, sodass der Knorpeldefekt vollständig geheilt wird. Allerdings sind die Kosten für die Behandlung hoch und werden nicht immer von den Krankenkassen erstattet. Zudem sind stets zwei operative Eingriffe notwendig: Einer, um die Knorpelzellen zu entnehmen, ein zweiter, um die vermehrten Zellen zu implantieren.

Eine vergleichbar vollständige Heilung – mit nur einem operativen oder minimalinvasiven Eingriff – verspricht die Behandlung von Knorpeldefekten mit einem zellfreien Kollagenimplantat, denn Kollagen ist als Strukturprotein der Hauptbestandteil des Gelenkknorpels. Eine solche neuartige Implantatgeneration hat das im Life Science Center Esslingen ansässige Biotechnologieunternehmen Amedrix GmbH entwickelt.

Ihr erstes, gelartiges Produkt wurde bereits 2012 für den europäischen Markt zugelassen. Im Dezember 2013 erhielt jetzt eine Weiterentwicklung des gelartigen Kollagenimplantats die für die Zulassung in Europa notwendige CE-Zertifizierung, die gewährleistet, dass das Implantat sicher und medizinisch-technisch leistungsfähig ist.

»Unser neues Produkt liegt zunächst als flüssiges Kollagenimplantat vor und kann daher arthroskopisch mit einer speziellen Spritze direkt in den Knorpeldefekt eines Patienten gespritzt werden. Hier bildet sich innerhalb von Minuten ein formstabiler Knorpelersatz aus«, beschreibt Dr. Thomas Graeve, Geschäftsführer von Amedrix, die Vorzüge. Knorpel- und Stammzellen wandern aus dem umliegenden Gewebe in beide Kollagenimplantate ein und regen die Selbstheilung des verletzten Knorpels an. Innerhalb kurzer Zeit entsteht so neues, belastbares Knorpelgewebe. »MRT-Untersuchungen an Patienten zeigen, dass der Knorpeldefekt bereits nach sechs Monaten nahezu gefüllt ist«, so Graeve.

Um das Verfahren für die Herstellung des Kollagenimplantats nach gültigen Richtlinien des Medizinproduktegesetzes zu optimieren und umzusetzen, arbeitet Amedrix mit dem Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB zusammen. Das Institut verfügt über eine 215 Quadratmeter große GMP-Einheit, in der Prozesse zur Herstellung von zellfreien Medizinprodukten oder zellbasierten Tissue-Engineering-Produkten nach Richtlinien der Guten Herstellungspraxis (GMP, Good Manufacturing Practice) entwickelt werden.

»Unser speziell geschultes Personal am Fraunhofer IGB isoliert in diesem Projekt gemeinsam mit Amedrix-Mitarbeitern das Kollagen aus tierischen Sehnen und arbeitet es in den IGB-Reinräumen über verschiedene Stufen zu einem Medizinprodukt auf«, erläutert Markus Schandar, Leiter der GMP-Gruppe.

In anderen Fällen hat das Fraunhofer IGB auch selbst die Herstellerlaubnis für Arzneimittel im Auftrag industrieller Partner beantragt. »Zuvor haben wir bereits autologe Endothelzellen für die Besiedlung von Gefäßprothesen, autologe Knorpeltransplantate und autologe Knochenmarksstammzellen für die regenerative Medizin unter GMP-Bedingungen bzw. nach Richtlinien des Arzneimittelgesetzes (AMG) entwickelt und mit den Firmen auf den Markt gebracht«, führt Schandar aus.

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Markus Schandar Fraunhofer-Institut

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